Bundesliga
FC Bayern München: Goretzkas Wochen der Wahrheit - Palhinha-Ausfall beschert ihm Zeit
- Aktualisiert: 22.11.2024
- 14:47 Uhr
- Carolin Blüchel
Im Sommer legte der FC Bayern München Leon Goretzka einen Wechsel nahe. Zu groß sei die Konkurrenz. Doch nach Verletzungspech beim Rekordmeister öffnet sich plötzlich eine Tür, mit der kaum einer mehr gerechnet hatte. Außer Goretzka selbst nicht.
von Carolin Blüchel
Die großen Heldengeschichten schreiben im Fußball in der Regel diejenigen, die Spiele entscheiden. Selten diejenigen, die im besten Fußballer-Alter auf der Bank versauern und Woche für Woche zusehen müssen, wie andere ihren Traum leben.
Doch was wäre es für eine Story, wenn ausgerechnet einem abgeschriebenen Bankdrücker wider Erwarten der Sprung zurück ins Rampenlicht gelingt? Die Bühne für ein solches Drehbuch ist bereit.
"Du musst beim FC Bayern bereit sein, um jede Sekunde an Spielzeit zu kämpfen. Und wenn es dann so weit ist, musst du da sein", befand Thomas Müller nach dem Startelf-Debüt von Leon Goretzka in dieser Saison.
Beim 1:0 beim FC St. Pauli vor der Länderspielpause schenkte Trainer Vincent Kompany erstmals dem 29-Jährigen das Vertrauen von Beginn an – und den Vorzug vor 51-Millionen-Mann Joao Palhinha.
Goretzka hatte den Coach in den Wochen zuvor beeindruckt. Durch starke Trainingsleistungen und durch seine professionelle Einstellung.
"Leon ist ein totaler Profi und deswegen ist es für mich eine ganz deutliche, ganz einfache Entscheidung, zu sagen: Okay, wir machen einfach weiter, weil wir dem Spieler hundertprozentig vertraut haben", sagte er überraschend über einen Einsatz von Goretzka gegen den FC Augsburg.
Denn eigentlich steht der Mittelfeldspieler schon seit Monaten auf dem Abstellgleis an der Säbener Straße.
Das Wichtigste in Kürze
FC Bayern empfahl Goretzka einen Wechsel
Im vergangenen Sommer legten ihm Sportvorstand Max Eberl und Sportdirektor Christoph Freund trotz Vertrags bis 2026 einen Wechsel nahe. Zu gut sei man im defensiven Mittelfeld bestückt: Joshua Kimmich, Neuzugang Palhinha, Youngster Aleksandar Pavlovic, Raphael Guerreiro oder auch Konrad Laimer.
Für Goretzka sei dieser Konkurrenzkampf nicht zu gewinnen, zudem wollten die Bayern mit Sicherheit auch sein kolportiertes 15-Milionen-Euro-Jahresgehalt einsparen. Wer mag es ihnen verdenken.
Goretzka winkte ab. Selbst das angebliche Interesse von Atletico Madrid und Manchester United ließ ihn kalt. Der ehemalige Nationalspieler, der zuletzt auch im DFB-Team aussortiert worden war, wählte den harten Weg: beim FC Bayern geduldig auf seine Chance lauern.
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Die kam zunächst – wie von den Vereinsbossen prophezeit – nicht. In den ersten sechs Bundesligaspielen kam Goretzka eine Minute zum Einsatz. Insgesamt sind es bislang 216 Spielminuten in neun Spielen. Bitter.
Doch jetzt, da sich nach Pavlovic (Schlüsselbeinbruch) auch Palhinha (Muskelbündelriss in den Adduktoren) verletzt hat, könnte seine Gelegenheit gekommen sein. Während Guerreiro aus Personalgründen als Rechtsverteidiger eingesetzt wird, steht der letzte verbliebene Konkurrent im defensiven Mittelfeld – Laimer – in der Gunst des Trainers noch hinter Goretzka.
Der Weg ist also frei, um sich an der Seite von Kimmich, wie in erfolgreichen Triple-Zeiten, wieder in die Herzen der Bayern-Verantwortlichen zu spielen.
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Perfekter Zeitpunkt für Goretzka
Zeit dafür hat er womöglich bis Ende des Jahres. Denn Palhinha fällt wegen eines Muskelbündelrisses im Adduktorenbereich bis zum Jahresende aus, wie der Rekordmeister bestätigte. Aus Goretzkas Sicht gibt es keinen besseren Zeitpunkt, um sich zeigen zu können.
Schließlich fallen in die kommenden Wochen unter anderem drei Spiele gegen absolute Topteams: Paris St. Germain (Champions League), Borussia Dortmund (Bundesliga) und Bayer Leverkusen (DFB-Pokal). Wer hier glänzt, hat durchaus eine Chance, sich dauerhaft zu etablieren.
Zumal Pavlovic, Kompanys erste Wahl, wohl auch noch einige Partien verpassen wird, auch wenn das Eigengewächs bereits einen Monat nach seiner Schulterverletzung Teile des Teamtrainings absolvierte.
Goretzka erweitert Berater-Team
Dass es zu solch einer Situation kommen könnte, hatte Lothar Matthäus schon vor wenigen Wochen geahnt. "Mal sehen, wo die Reise hingeht. Goretzka ist ein Spieler, der meiner Meinung nach zu schlecht wegkommt", hatte der TV-Experte damals bei "Sky90" geurteilt.
Überhaupt hätte der FC Bayern in Matthäus‘ Augen überhaupt kein Geld für Palhinha ausgeben müssen: "Bei mir würde wahrscheinlich Goretzka spielen." Ob Kompany zu einer ähnlichen Erkenntnis kommt, werden die kommenden Wochen zeigen.
Und Goretzka? Der 29-Jährige macht erneut einen cleveren Schritt. Gerade erweiterte er sein Beraterteam um die Agentur ROOF. Nicht allerdings, um den FC Bayern im Winter zu verlassen, wie zuletzt spekuliert worden war.
"Sky" zufolge will Goretzka einen möglichen Wechsel im Sommer 2025 neu bewerten. Schließlich braucht es einen Plan B, einen doppelten Boden. Die Frage wird sein, ob der FC Bayern ihn dann allerdings noch ziehen lassen will. Es wäre die ultimative Heldengeschichte, wenn nicht.