der brasilianer spricht vor Topspiel gegen Leverkusen
FC Bayern München - Paulo Sergio: "Kompany muss es wie Hitzfeld machen"
- Aktualisiert: 26.09.2024
- 15:06 Uhr
- Philipp Kessler
FC Bayern gegen Bayer Leverkusen. Erster gegen Zweiter. Für Paulo Sergio ist die Partie zusätzlich ein Duell seiner Ex-Klubs. Bei ran verrät der Weltmeister von 1994 unter anderem spannende Details über seine Zeit in der Bundesliga und lässt mit seinem Topspiel-Tipp aufhorchen.
Von Philipp Kessler
Wiesn-Zeit ist Topspiel-Zeit. Am Samstag (18:30 Uhr im Liveticker bei ran) empfängt Tabellenführer Bayern Double-Sieger Leverkusen in der Bundesliga.
Paulo Sergio ist eine Legende von beiden Vereinen, wird aber dieses Mal nicht in der Allianz Arena dabei sein.
"Ich habe ein Angebot bekommen, nach München zur Wiesn zu kommen. Aber dieses Jahr habe ich ein paar Termine. Deshalb kann ich leider nicht da sein", sagt der frühere brasilianische Nationalspieler im Interview mit ran.
1993 wechselte Sergio von Corinthians zu Leverkusen. Nach zwei Jahren bei AS Rom führte der Weg des ehemaligen Angreifers zum FC Bayern.
Noch heute steht der 55-Jährige beiden deutschen Clubs sehr nahe und lässt sich den Kracher aus der Ferne natürlich nicht entgehen. Zudem spricht Sergio über Anekdoten aus seiner Zeit in der Bundesliga und verrät, was er heute macht.
Sergio mit Topspiel-Tipp und Dortmund-Seitenhieb
ran: Paulo, wem drücken Sie am Samstag die Daumen?
Paulo Sergio: Ich drücke die Daumen, dass es ein sehr schönes Spiel wird. Diese vier Jahre, die ich bei Leverkusen verbracht habe, waren sehr wichtig für mich. Ich hatte eine super Zeit und habe viel gelernt, wie beispielsweise die deutsche Sprache und Kultur. Weil ich bei Leverkusen gut gearbeitet habe, bin ich später nach München gekommen. Beim FC Bayern haben wir alles gewonnen. Aber trotzdem sage ich immer: Beiden Mannschaften gehört mein Herz.
Das Wichtigste in Kürze
ran: Und wer wird aus Ihrer Sicht das Topspiel der Bundesliga gewinnen?
Sergio: Beide Mannschaften sind sehr gut drauf und schießen sehr viele Tore. Leverkusen darf aber nicht so viele Fehler machen wie beim 4:3 am vergangenen Wochenende gegen Wolfsburg. Bayern wird ein ganz anderer Brocken, vor allem nach der titellosen letzten Saison. Das ist klar. Ich denke, das Spiel geht 2:2 aus. Ich habe letztes Jahr in München zur Wiesn-Zeit schon eine tolle Partie der beiden Mannschaften gesehen, auch damals endete das Spiel mit 2:2. Die Zuschauer wollen wieder so ein Spektakel. Wenn in Brasilien Corinthians gegen Palmeiras spielt, spricht man von einem Klassiker. Das ist Bayern gegen Leverkusen auch, heutzutage ist dieses Spiel größer als Bayern gegen Dortmund.
ran: Sind Sie überrascht, dass die Bayern unter dem neuen Trainer Vincent Kompany so stark aufspielen?
Sergio: Die Spieler sind erfahren genug, um zu wissen, dass sie nicht noch mal so eine schlechte Saison wie die letzte spielen dürfen. Dieses Jahr müssen sie ein anderes Gesicht zeigen. Der Druck ist da – wie immer beim FC Bayern. Die Leute haben mich gefragt, ob Kompany ein super Trainer sei. Ich habe gesagt, wir müssen ein bisschen abwarten, um das beurteilen zu können.
ran: Warum?
Sergio: Der Kader ist groß. Die Jungs können alle sehr gut Fußball spielen. Zu meiner Zeit war die Situation bei Ottmar Hitzfeld ähnlich. Wir hatten viele gute Spieler, jeder wollte natürlich in der Startelf sein. Ottmar musste gut moderieren. Kompany muss wie Hitzfeld sein, er muss jeden Star bei Laune halten. Denn, wenn alle Kaderspieler gute Laune haben, dann bringen sie Spitzenleistungen bis zum Schluss und können Titel gewinnen.
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Olise verzückt die Bayern wie einst Ribery
ran: Die Bayern wollen in Deutschland Double-Sieger Leverkusen wieder vom Thron stoßen.
Sergio: Leverkusen hat letzte Saison fast alles gewonnen, dieses Jahr haben sie nichts zu verlieren. Unter Xabi Alonso wollen sie aber immer gewinnen und dabei guten Fußball zeigen. Das macht Spaß, zuzuschauen.
ran: So viele Brasilianer wie zu Ihrer aktiven Zeit sehen wir bei dieser Partie seit Jahren nicht. Wer bringt Ihnen bei Leverkusen und Bayern das Samba-Feeling aktuell?
Sergio: Ich sage immer, Florian Wirtz ist wie ein Brasilianer. Das Gleiche trifft auch auf Jamal Musiala zu. Beide sind für magische Momente zuständig.
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Großes Lob für Tah und Xhaka
ran: Welche Spieler gefallen Ihnen noch?
Sergio: Tah ist als Abwehrchef von Leverkusen in den vergangenen Jahren erwachsen geworden. Ein Spieler, der mir noch sehr gefällt, ist Xhaka. Er ist der Sheriff im Mittelfeld. Ein sehr wichtiger Spieler. Und bei Bayern ist Manu Neuer ein wichtiger Kerl. Auch Thomas Müller ist noch immer sehr wertvoll, obwohl er nicht mehr so viel spielt. Harry Kane ist ohnehin top.
ran: Und Neuzugang Michael Olise? In sechs Pflichtspielen für Bayern hat er schon fünf Tore geschossen und drei Treffer vorbereitet.
Sergio: Er zaubert gerade auch. Mit 22 Jahren ist er aber noch ein junger Spieler. Er ist erst im Sommer nach Deutschland gekommen. Wir müssen abwarten, wie er sich weiterentwickelt.
ran: Giovane Elber, Ze Roberto, Lucio, Luiz Gustavo, Grafite, Diego und auch Sie haben in der Bundesliga einst gezaubert. Wann sehen wir wieder mehr brasilianische Ausnahmekünstler in Deutschland?
Sergio: Ich weiß es auch nicht. Vor der Corona-Pandemie war ich mal in Stuttgart und habe mit ein paar Leuten gesprochen. Ich habe sie gefragt, warum nicht mehr so viele Brasilianer in Deutschland spielen. Sie haben geantwortet: 'Paulo, die Ausnahmekünstler, die du in Brasilien hast, die haben wir hier.' Und wenn ich an Musiala und Wirtz denke, stimme ich zu. (lacht)
Brasilien-Star lehnte Hammer-Angebot vom BVB ab
ran: 1993 sind Sie von Corinthians nach Leverkusen gewechselt. Wie kam es dazu?
Sergio: Für mich war der Wechsel etwas ganz Besonderes. Mein Wunsch war es eigentlich immer, nach Spanien oder Italien zu gehen. Ich wäre auch fast in der Serie A gelandet, ich hatte ein Angebot von Atalanta Bergamo. Aber der Transfer hat nicht geklappt. Und dann kam das Angebot von Leverkusen. Es war nicht einfach. Zu dieser Zeit durften nur drei Ausländer spielen. Bei Leverkusen waren das der Tscheche Pavel Hapal, der Rumäne Ioan Lupescu und ich. Heutzutage ist das ganz anders. Früher war für ausländische Spieler mehr Druck da. Auch die deutsche Sprache war für mich eine Herausforderung. Die Leute haben immer gesagt: 'Du bist in Deutschland, hier musst du Deutsch sprechen.' Mittlerweile kommt man mit Englisch fast überall weit. Für mich waren immer zwei Sachen wichtig: Deutsch zu lernen und die deutsche Kultur zu verstehen. Das habe ich gemacht. Danach hatte ich eine tolle Zeit. Ich habe es geschafft.
ran: Eine Bezugsperson war für Sie auch der langjährige Leverkusen-Manager Reiner Calmund.
Sergio: Calli war wie ein Vater für mich. Immer, wenn ich ein Problem hatte, hat er mir geholfen. Er war sehr wichtig. Nach drei Monaten wollte ich schon wieder zurück nach Brasilien, weil ich ein Problem mit einem Spieler hatte. Calli hat zu mir gesagt: 'Nein, du musst bleiben. Bleib ruhig und schau nach vorne. Du schaffst das.' Dann habe ich mit meiner Frau gesprochen und wir haben alles dafür getan, um uns bestmöglich in Deutschland zu integrieren.
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ran: 1997 spielten Sie auch unter Christoph Daum. Wie wichtig war er für Ihre Entwicklung?
Sergio: Als ich zu Leverkusen gekommen bin, war Dragoslav Stepanovic Trainer. Wir sind am Ende der Saison Dritter geworden. Unter Erich Ribbeck waren wir in der nächsten Spielzeit Siebter. Die darauffolgende Saison war ganz schlecht, wir waren nur 14. Und wären fast abgestiegen. Dann ist Christoph gekommen. Er hat uns die Gewinnermentalität eingeimpft und auch Druck gemacht. Das war ebenfalls wichtig. Christoph hat mir sehr geholfen, ich habe unter ihm viele Tore geschossen. 1997 wurden wir zum ersten Mal Vizemeister, wir haben uns für die Champions League qualifiziert. Danach bin ich gewechselt.
ran: Für umgerechnet 3,5 Millionen Euro Ablöse zu AS Rom.
Sergio: Dort habe ich ihn zwei Spielzeiten viele Treffer erzielt. Das war super in der Serie A. 1999 hat der FC Bayern angeklopft und ich habe Uli Hoeneß meine Hand gegeben. Ich habe kein Papier unterschrieben, sondern nur gesagt: 'Ich komme nach München.' Eine Woche später habe ich dann ein Angebot von Borussia Dortmund bekommen. Der BVB wollte mir das Doppelte zahlen. Aber ich bin standhaft geblieben und habe gesagt: 'Nein, danke. Ich habe dem FC Bayern mein Wort gegeben.' Das ist auch etwas, das ich von der deutschen Kultur gelernt habe.
ran: Haben Sie Ihre Entscheidung jemals bereut?
Sergio: Natürlich nicht. Mit dem FC Bayern haben wir alles gewonnen. Und der BVB ist fast abgestiegen. Als ich nach München gekommen bin, war die Stimmung aber ganz schlecht. Aber ich habe brasilianische Mentalität in die Kabine gebracht, um wieder mehr Spaß zu haben. (lacht)
ran: Wie kam das bei Oliver Kahn, der immer sehr verbissen auf dem Rasen war, an?
Sergio: Auf dem Platz war er ganz anders als in der Kabine. Bei uns hat er immer viel Spaß gemacht, wir hatten nie ein Problem. Und auf dem Platz war seine Mentalität sehr wichtig. Das gilt auch für Stefan Effenberg. Wir hatten einen super Kader und haben alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt.
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ran: Wie beispielsweise die Champions League 2001 in Mailand gegen den FC Valencia.
Sergio: Das war ein ganz besonderer Tag. Ich wollte von Anfang an spielen, denn ich war sehr gut drauf. Ottmar hat dann die Entscheidung getroffen, mich auf der Bank zu lassen. Da war ich richtig sauer. Aber wichtig ist, dass wir zum ersten Mal nach 25 Jahren wieder die Champions League gewonnen haben. Nach unserer Rückkehr nach München haben die Fans gesungen: 'Wir sind die Nummer eins der Welt!' Da hat man gesehen, was dieser Triumph bedeutet.
ran: Gefeiert wurde auch immer während des traditionellen Wiesn-Besuchs des FC Bayern. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Sergio: Als ich das erste Mal eine Lederhose angehabt habe, haben wir viel gelacht. Meine schönste Erinnerung an die Wiesn ist ein Foto mit meiner Frau und unseren beiden Kindern in Tracht.
ran: 2002 sind Sie nach Abu Dhabi in die Wüste zu Al-Wahda gewechselt. Warum?
Sergio: Ich wollte etwas anderes machen. Aber die Zeit dort war nicht gut für mich, die Gegebenheiten waren amateurhaft. Nach nur sechs Monaten bin ich nach Brasilien zu Vitoria gewechselt.
ran: 2004 haben Sie Ihre Karriere beendet. Wie sieht Ihr Leben jetzt aus?
Sergio: Ich bin eine Legende von Leverkusen und vom FC Bayern und Botschafter der DFL. Zudem bin Co-Kommentator im brasilianischen Fernsehen, bei "Gazeta TV" kommentiere ich Spiele der brasilianischen Liga. Und bin ich Pastor in Sao Paolo. Wir haben eine Gemeinde mit 500 Menschen hier, einen Bibelkreis. Wir treffen uns zwei, drei Mal in der Woche. Ich habe immer gesagt, dass Gott für mich an erster Stelle steht. Zudem mache ich viel Sport. Ich gehe joggen und mache ich Krafttraining.