Bundesliga
Harry Kane wechselt zum FC Bayern München: Transfer-Coup mit erheblichem Risiko
- Aktualisiert: 12.08.2023
- 14:57 Uhr
- Chris Lugert
Der wochenlange Kaugummi-Transfer ist fix, der FC Bayern München bekommt seinen Wunschstürmer Harry Kane. Das finanzielle Gesamtpaket setzt alle Beteiligten unter massiven Erfolgsdruck, ein Scheitern wäre für den Klub eine Katastrophe. Ein Kommentar.
Von Chris Lugert
Der Freizeitpark FC Hollywood hat seine neue Hauptattraktion. Harry Kane wechselt für ein Gesamtpaket jenseits der 100 Millionen Euro von Tottenham Hotspur zum FC Bayern München. Ein Transfer wie ein Donnerschlag und ein klares Zeichen an Europas Elite-Konkurrenz: Seht her, wir können es immer noch. Mia san mia!
Mit Kane wechselt ein absoluter Topstar in die Bundesliga. Für die gesamte Liga ist das Balsam auf eine geschundene Seele, nachdem in diesem Sommer Spieler wie Christopher Nkunku, Jude Bellingham und - wenn auch nicht ganz freiwillig - Sadio Mane der Bundesliga den Rücken gekehrt hatten.
Im Wettstreit der europäischen Ligen um die Gunst der asiatischen und amerikanischen Märkte zählt jeder große Name, auch in England dürfte die Bundesliga jetzt mehr Interesse hervorrufen, wenn der Kapitän der Nationalmannschaft die Schuhe jenseits des Ärmelkanals schnürt.
Die Bayern selbst bekommen mit einem Jahr Verspätung endlich ihren Nachfolger für Robert Lewandowski. Die Zahlen lassen dabei kaum einen Wunsch offen. Mit 213 Premier-League-Treffern ist Kane der zweitbeste Torschütze in der Geschichte der Liga, seit seinem Debüt-Tor im April 2014 trafen nur Lewandowski (264), Lionel Messi (256) und Cristiano Ronaldo (237) häufiger in nationalen Ligen.
Das Wichtigste zum FC Bayern
Doch es gibt auch die andere Seite dieses Transfers. Eine Seite, die deren Vertreter deutlich reservierter zur Kenntnis nehmen - zurecht. Kane ist 30 Jahre alt und geht damit bereits dem Herbst seiner Karriere entgegen. Zwangsläufig stellt sich die Frage, wie lange er diese Torquote halten kann.
Harry Kane beim FC Bayern München: Eine Wette auf die Gegenwart
Von einem Transfer in der finanziellen Größenordnung von mehr als 100 Millionen Euro erwarten Fans und auch die Verantwortlichen viele Jahre Top-Leistungen, im Bestfall besitzt der Spieler auch nach dieser Zeit einen Wiederverkaufswert. Bei Kane ist zumindest Letzteres nicht der Fall. Er bekommt bei Bayern einen Vierjahresvertrag, danach ist er 34. Sein Marktwert dürfte dann deutlich gefallen sein.
Der Kane-Transfer ist daher vor allem eine teure Wette auf die Gegenwart und die kommenden zwei bis drei Jahre. Der Angreifer ist eine Investition, die wirtschaftlich so angelegt ist, dass in kurzer Zeit maximaler Erfolg herausspringen muss. Denn zu der horrenden Ablösesumme kommt auch noch Kanes Gehalt von kolportierten 25 Mio. Euro. Das heißt: Der Superstar kostet den FC Bayern insgesamt gut 200 Millionen Euro.
Der Auftrag ist damit klar. Alle Beteiligten müssen liefern. Allen voran Kane selbst, aber auch das Trainerteam um Thomas Tuchel steht in der Pflicht, dem Star-Neuzugang das Leben auf dem Platz zu erleichtern. Das erfordert womöglich auch taktische Flexibilität.
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FC Bayern München: Harry Kane ist kein Robert Lewandowski
Denn abseits der finanziellen Fragezeichen gibt es auch sportliche. Kane hat noch nie im Ausland gespielt, niemand weiß, wie er sich abseits seiner Wohlfühloase Tottenham zurechtfinden wird. Zudem ist er gar kein klassischer Lewandowski-Ersatz, was seine Stärken auf dem Platz angeht.
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"Mit seiner Spielart ist er jemand, der eher aus der Tiefe kommt, sich fallen lässt und weniger im Zentrum agiert. Er kann das, aber seine Stärke ist ja seine Technik. Die Frage ist: Braucht der FC Bayern so einen Spieler?", wirft ran-Experte Markus Babbel ein wichtiges Thema in den Raum.
FC Bayern München: Böse Erinnerungen an Sadio Mane
Hier werden ganz schnell böse Erinnerungen an einen anderen Star-Transfer wach. Als Sadio Mane im vergangenen Jahr vom FC Liverpool kam, war der Hype ähnlich groß. Das Problem: Der Senegalese, der die "Reds" als "Weltklasse-Spieler" verließ, wie es Jürgen Klopp anmerkte, fand sich in München nie zurecht. Auch, weil er gar nicht in das Spielsystem passte.
Mane sollte Lewandowski ersetzen, obwohl er auf dem Flügel seine Stärken hatte. Dann kam seine Verletzung, die allgemeine Unzufriedenheit im Klub - und nach einer Handgreiflichkeit mit Leroy Sane war das Thema Mane bei den Bayern schon wieder beendet. Aus einem Luxus-Transfer wurde ein großes Missverständnis.
Finanziell kamen die Bayern bei Mane mit einem blauen Auge davon. Die ohnehin recht geringe Ablösesumme von 32 Millionen Euro, die nach Liverpool floss, bekam der Rekordmeister von Al-Nassr fast komplett wieder zurück. Bei Kane hingegen ist davon nicht auszugehen.
Der FC Bayern kann nichts gewinnen
Sollte Kane sich ebenfalls als Missverständnis entpuppen, wäre das finanzielle Fiasko für die Bayern deutlich größer. Dieses könnte im schlimmsten Fall die Handlungsfähigkeit für die kommenden Jahre erheblich einschränken. Ganz abgesehen von der internationalen Reputation des so stolzen Vereins, die ebenfalls massiv leiden würde.
Für den FC Bayern ist der Kane-Transfer daher ein erhebliches Risiko. Der Optimalfall - viele Tore und Titel - wird erwartet. Alles andere würde als Scheitern betrachtet werden. Der Klub kann fast nichts gewinnen, aber fast alles verlieren.