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FC Bayern München und Noussair Mazraoui: Welche Konsequenzen drohen dem Verteidiger?
- Aktualisiert: 19.10.2023
- 16:26 Uhr
- Carolin Blüchel
Noussair Mazraoui sorgt nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel mit Pro-Palästina-Posts für einen Aufschrei. Warum ist der Fall gerade für den FC Bayern so prekär? ran beantwortet die wichtigsten Fragen.
Von Carolin Blüchel
Der Terrorangriff der radikalislamischen Hamas auf Israel beschäftigt längst auch die Bundesliga.
Der FC Bayern kündigte zeitnah danach ein "ausführliches, persönliches Gespräch" mit Noussair Mazraoui nach seiner Rückkehr von der marokkanischen Nationalmannschaft an, nachdem er mit fragwürdigen Pro-Palästina-Posts in den sozialen Medien für Wirbel gesorgt hatte.
Dieses fand am Mittwoch Nachmittag an der Säbener Straße statt. Der Rechtsverteidiger musste sich vor der Chefetage erklären. Der Ausgang des Austauschs ist unbekannt, weder Klub noch Spieler gaben danach Auskunft.
Doch warum ist der Fall Mazraoui überhaupt so brisant? ran hat Antworten auf die wichtigsten Fragen.
FC Bayern München: Was hat Noussair Mazraoui getan?
Nachdem Terroristen der Hamas, eine radikalislamische Palästinenser-Gruppe, Israel angegriffen und insgesamt mindestens 1400 Menschen getötet hatten, solidarisierte sich Mazraoui wie viele muslimisch gläubige Spieler in den Sozialen Medien mit den Palästinensern.
Der Hashtag #freepalestine machte schnell die Runde.
Dazu muss man wissen: Die Hamas ist eine palästinensische Terrorgruppe. Umgekehrt gehört aber natürlich nicht jeder Palästinenser der radikalislamischen und israelfeindlichen Organisation an.
Im Gegenteil. Die Gruppe unterdrückt im Gaza-Streifen ihre eigene Bevölkerung, verwendet sie jetzt als menschliche Schutzschilde.
Der Hamas geht es nicht allein um die Errichtung eines souveränen Staates Palästina, sondern um die Vernichtung jüdischen Lebens, woraus sie auch keinen Hehl macht. Finanziert wird die Hamas zum Großteil von Israels Erzfeind Iran.
Das Wichtigste in Kürze
Vor diesen Hintergrund ist das Timing eines Pro-Palästina-Posts nach den unmenschlichen Angriffen auf Israel nicht nur unglücklich, sondern äußerst fragwürdig.
Der 25-Jährige hatte einen kurzen Clip geteilt, in dem eine Stimme spricht: "Gott, hilf unseren unterdrückten Brüdern in Palästina, damit sie den Sieg erringen. Möge Gott den Toten Gnade schenken, möge Gott ihre Verwundeten heilen.
Zudem postete der marokkanischen Nationalspieler auf Instagram ein Video mit einem Koran-Vers. Darin heißt es: "Und denke nicht, Allah sei dem gegenüber achtlos, was diejenigen Tun, die Unrecht begehen. Er hält sie nur bis zu dem Tag zurück, an dem die Augen in Horror erstarren werden."
Weitere Posts zeigen Nationalmannschaftskameraden mit der palästinensischen Flagge.
Später bekundete Mazraoui seine Enttäuschung darüber, dass er sich für seine Posts rechtfertigen solle. "Der Punkt ist, dass ich nach Frieden und Gerechtigkeit in dieser Welt strebe. Das bedeutet, dass ich immer gegen alle Arten von Terrorismus, Hass und Gewalt sein werde."
Und: "Täglich werden unschuldige Menschen getötet durch diesen schrecklichen Konflikt, der außer Kontrolle geraten ist."
Der Zentralrat der Juden in Deutschland bezeichnete Mazraouis Aussagen in der "Augsburger Allgemeinen" als "unsägliche Entgleisung".
Auch für Alon Meyer, Präsident des deutsch-jüdischen Sportverbandes Makkabi, ist Mazraouis Vorgehen ein Skandal. "Man kann sich jederzeit pro-palästinensisch äußern oder die palästinensische Fahne zeigen", sagte er im Interview mit ran.
Die Botschaft des Mazraoui-Postings sei jedoch "absolut indiskutabel, da er den 'Brüdern in Palästina' den Sieg wünscht. Und das in Folge eines Terroranschlags, bei dem über 1400 Kinder, Frauen, unschuldige Zivilisten in Israel misshandelt und ermordet wurden. Das geht gar nicht, nicht hier in Deutschland und schon gar nicht von einem Bundesligaspieler, der wie alle nach unserer demokratischen Werteordnung leben muss."
Externer Inhalt
Mazraoui setzt Posting ab: Wie reagierte der FC Bayern München?
Der FC Bayern, der auf eine lange jüdische Geschichte zurückblickt, reagierte am Montag mit einer offiziellen Mitteilung auf Mazraouis Postings und kündigte ein "ausführliches, persönliches Gespräch" mit dem 25-Jährigen nach seiner Rückkehr von der Nationalmannschaft an. Dies fand auch statt, jedoch äußerten sich weder Klub noch Spieler danach. Eine Entscheidung wird wohl noch vor dem Auswärtsspiel beim 1. FSV Mainz 05 fallen.
Des Weiteren betonte der Rekordmeister seinen Wertekanon.
"Unabhängig davon weiß jeder, auch jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter, jede Spielerin und jeder Spieler, für welche Werte der FC Bayern steht. Wir haben dieses bereits direkt nach dem Terroranschlag auf Israel in einem Beitrag öffentlich und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Wir sorgen uns um unsere Freunde in Israel und stehen an ihrer Seite. Zugleich hoffen wir auf ein friedvolles Zusammenleben aller Menschen im Nahen Osten."
Welche Konsequenzen Mazraouis Verhalten haben wird, ließ der Rekordmeister bis dato offen.
Noussair Mazraoui beim FC Bayern München: Welche Konsequenzen sind denkbar?
Antwort: offen. Es wird davon abhängen, wie das Gespräch zwischen Mazraoui und der Vereinsführung verläuft.
Fest steht, dass es einen ähnlichen Fall bislang noch nie gegeben hat. Von einer empfindlichen Geldstrafe bis hin zu Suspendierung ist – Stand jetzt – alles denkbar.
Der Fall Mazraoui mag für den FC Bayern ein Einzelfall sein, nicht aber im deutschen und internationalen Fußball. Die Fälle Anwar El Ghazi bei Mainz 05 oder Youcef Atal bei der OGC Nizza zeigen, dass Klubs durchaus hart durchgreifen.
Beide Spieler hatten Israel-feindliche Postings abgesetzt. Während El Ghazi von Mainz mit sofortiger Wirkung freigestellt wurde, wurde Atal von Nizza "bis auf Weiteres" suspendiert.
Dass auch der deutsche Rekordmeister einen solch radikalen Schritt bei Mazraoui unternimmt, ist aktuell allerdings eher unwahrscheinlich. Der Grund ist die prekäre personelle Lage auf der Rechtsverteidigerposition nach den Abgängen von Josip Stanisic (Leihe zu Bayer Leverkusen) und Benjamin Pavard (Inter Mailand).
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Mazraoui beim FC Bayern München: Warum ist der Fall so brisant?
Der FC Bayern blickt auf eine lange jüdische Tradition zurück, worauf die Fans besonders stolz sind. 1913/14, von 1919-1933 und zwischen 1947-51 prägte Karl Landauer den Verein als Präsident maßgeblich.
Landauer war Jude, sah sich nach der Machtergreifung der Nazis gezwungen zurückzutreten. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde er erneut zum Präsidenten gewählt.
An der Säbener Straße erinnert heute noch eine Statue an die Verdienste Landauers, der 2013 posthum zum Ehrenvorsitzenden des Klubs ernannt wurde. Die Ultras widmen Landauer zu dessen Geburts- und Todestag nicht selten sogar noch heute Choreographien, um dessen Leistungen und Errungenschaften für den Klub zu würdigen.
Mit dem jahrelangen Engagement des FC Bayern mit Qatar Airways hatte der Verein den eigenen moralischen Kompass zwischenzeitlich verloren, zumindest in den Augen vieler Fans. Nicht nur aufgrund der katastrophalen Menschenrechtslage in Katar.
Das Emirat gilt zudem als einer der Sponsoren der Hamas. Im Sommer erst hatten die Bayern auf vehementen Druck der eigenen Anhänger ihre Zusammenarbeit mit Katar beendet. Doch damit nicht genug.
Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, will der Rekordmeister bei der kommenden Jahreshauptversammlung Mitte November (12./13.) seine Satzung anpassen.
Demnach soll sich der Verein künftig dazu verpflichten, antisemitischem Verhalten aktiv entgegenzutreten. Das "Offenbaren einer Gesinnung", die mit den Werten des Vereins unvereinbar sein, soll zum Vereinsausschluss führen.
Dies hieße im Bezug auf Mazraoui: Sollte er sich nicht glaubhaft von seinen eigenen Posts distanzieren, wäre eine Entlassung eigentlich nur folgerichtig, wenn die Satzung nicht nur ein wertloses Schriftstück sein soll.
Neben der langen jüdischen Tradition des Vereins, der geplanten Satzungsänderung und den eigenen Sponsoring-Verfehlungen der vergangenen Jahre kommt noch ein weiteres pikantes Detail in der Causa Mazraoui hinzu, denn: Seit diesem Sommer hat der FC Bayern mit Daniel Peretz einen israelischen Nationalspieler in seinen Reihen.
Dem neuen Keeper der Bayern dürften die Postings von Mazraoui nicht gefallen haben. Der FC Bayern hat also auch intern durch Mazraoui durchaus Konfliktpotenzial.
FC Bayern München: Hat der Fall Mazraoui sportliche Auswirkungen?
Derzeit ist Mazraoui der einzige wettbewerbsfähige Rechtsverteidiger im Kader des FC Bayern. Backup Bouna Sarr ist kein gleichwertiger Ersatz.
Eine mögliche Suspendierung würde den Rekordmeister sportlich in die Bredouille bringen, nachdem Josip Stanisic im Sommer an Bayer Leverkusen verliehen worden war. Aus rein sportlicher Sicht ist ein Rauswurf Mazraouis eigentlich ausgeschlossen.
Wie lösen die Bayern diese moralische Zwickmühle, sollte sich Mazraoui nicht eindeutig vom Terror in Israel distanzieren?
Denkbar wäre, dass Mazraoui den Verein trotz Vertrag bis 2026 erst am Saisonende verlässt, wenn Stanisic nach München zurückkehrt.
FC Bayern München: Mazraoui noch vereinbar mit den Wertevorstellungen des Klubs?
Dahinter steht nach den jüngsten Posts zumindest ein Fragezeichen. Zumal der Marokkaner nicht zum ersten Mal negativ auffällt.
Erst im Mai hatte sich der 25-Jährige mit Spielern des FC Toulouse solidarisiert, die sich geweigert hatten im Rahmen einer ligaweiten Aktion gegen Homophobie und Transphobie ein Trikot mit Rückennummern in Regenbogenfarben zu tragen.
Die Bayern-Fans reagierten darauf deutlich mit einem Banner: "All colours are beautiful. In Toulouse, Munich and everywhere. Respect our values Mazraoui."
Der Fall Mazraouis - er hat Eskalations-Potenzial.