1. FC Köln vs. FC BAyern
FC Bayern München: Tuchel spielt doppelt auf Risiko - und weiß das
- Aktualisiert: 25.11.2023
- 10:52 Uhr
- Jonas Rütten
Nicht der dominante 1:0-Sieg des FC Bayern München beim 1. FC Köln war das Gesprächsthema des Abends, sondern zwei (historische) Entscheidungen von Thomas Tuchel. Der Bayern-Trainer spielt ein risikoreiches Spiel im doppelten Sinne - und er ist sich dessen bewusst.
Aus Köln berichtet Jonas Rütten
Als Schiedsrichter Marco Fritz das Spiel zwischen dem FC Bayern und dem 1. FC Köln abpfiff, wurde ein kleines Kapitel Bundesliga-Geschichte geschrieben. Beziehungsweise ein kleines bisschen Bayern-Geschichte. Denn mit dem Pfiff beendete Fritz eine fast 13 Jahre anhaltende Serie beim Rekordmeister.
Im Dezember 2010 wechselte der FCB zuletzt kein einziges Mal während eines Bundesligaspiels aus. Das war noch unter Louis van Gaal - und Thomas Tuchel tat es ihm an diesem Abend in Köln gleich.
Und er tat es in einer Woche, in der er sich massiv über den "glorreichen Spielplan" beschwerte. In einer Woche, in der er selbst davon sprach, dass Spieler von Top-Nationen und Top-Klubs psychisch und physisch müde seien.
In einer Woche, in der abermals die Personalie Thomas Müller und sein Legendenstatus in München in Zusammenhang mit seinem auslaufenden Vertrag und seiner sportlichen Rolle bei den Bayern und in der Nationalmannschaft diskutiert wurden.
Das Ganze sehe ein "bisschen unglücklich" aus, stellte der Bayern-Trainer fest. Er habe mit sich gehadert, habe keine zündende Idee gehabt, habe den guten Rhythmus seiner Mannschaft und die Dominanz im Spiel nicht brechen wollen, sagte er hinterher. So weit nachvollziehbar - zumindest auf den ersten Blick.
Das Wichtigste in Kürze
FC Bayern München: Thomas Tuchel spielt doppelt auf Risiko
Er sagte es bei "DAZN" in einer für ihn fast schon empathischen Art, berichtete gar davon, dass er sich bei seinen Spielern entschuldigt habe, dass dieser Fall (erwiesenermaßen) nur selten vorkomme und sie ihm es doch bitte "nicht übelnehmen" sollten.
Tuchel gab sich für seine Verhältnisse fast schon kleinlaut und mindestens entschuldigend, weil er weiß, dass sein Spiel am Freitagabend in Köln risikoreich war - und das im doppelten Sinn.
Da wäre einerseits die Thematik der ausbleibenden Wechsel im Zusammenhang mit den klagenden Aussagen, dem stetigen Hinweis auf den dünnen Kader im Saisonverlauf, das immer wieder bedrohlich anschwellende Lazarett, das sich zuletzt erst gelichtet hatte und nur noch Jamal Musiala und Matthijs de Ligt beherbergt.
Ja, der FC Bayern war in Köln äußerst dominant, hatte einen guten Rhythmus, war defensiv durchaus stabil, ließ kaum was zu und hatte es lediglich in der ersten Halbzeit verpasst, für eine deutliche Vorentscheidung zu sorgen.
Das betonten auch die Bayern-Stars Neuer, Choupo-Moting und Goretzka nach der Partie unisono und nahezu Wortgleich zu Tuchels Erklärung der Wechsel.
Auf den zweiten Blick aber ist die Begründung, die Tuchel und seine Spieler lieferten, auch ein negativer Fingerzeig an die Reservisten.
Gegen diese offensivschwachen und uninspirierten Kölner sollen ein oder zwei Wechsel das bis dahin sehr stabile Gefüge des Rekordmeisters - ja gar den selbst für neutrale Beobachter sicher geglaubten Sieg - ins Wanken bringen? Wohl kaum. Es war ein Misstrauensvotum, was Tuchel seiner Bank stellte und am Ende versuchte, wieder einzukassieren.
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FC Bayern München: Es gibt wohl keine "Thomas-Müller-Spiele" mehr
Der größte Leidtragende des mit sich hadernden und "keine zündende Idee" habenden Tuchel war an diesem Abend wohl Thomas Müller. Während Choupo-Moting durchaus überzeugende durchspielte, saß die Bayern-Legende wie schon gegen Galatasaray im Hinspiel und gegen RB Leipzig 90 Minuten auf der Bank.
Müde gespielt von der DFB-Reise war er wohl kaum, immerhin spielte Müller lediglich gegen Österreich eine Halbzeit - und hatte im Gegensatz zu Min-jae Kim (90 Minute gegen Köln gespielt, vorher Spiele in Südkorea, China) keine allzu strapaziöse Reise in den Knochen (Berlin, Wien, München).
"Ich hab' die ganze Zeit überlegt, wie wir Thomas noch aufs Feld kriegen", erklärte Tuchel. Aber: Es sei "immer so knapp" gewesen und "ein seifiger Untergrund".
Diese Erklärung vereint das ganze Risikospiel von Tuchel. Ein Wink an alle Ersatzspieler: "Es ist knapp, wir sind gut drin, ich habe Angst, dass Ihr es nicht zu Ende bringt."
Und ein Wink an Müller, dass es eben offenbar keine "Thomas-Müller-Spiele" mehr gibt. Was das wohl mit seiner anstehenden Zukunftsentscheidung macht?
Es ist ein nur auf den ersten Blick einleuchtendes, aber auf den zweiten Blick risikobehaftetes Spiel, das Thomas Tuchel am Freitagabend spielte. Er war und ist sich dessen bewusst. Das Einzige, was ihn schützte, waren die drei Punkte. Doch trifft Köln aus dem Nichts zum Ausgleich in den Schlussminuten, würde die Diskussion eine andere sein.