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Ehemaliger Technischer Direktor des FC Bayern im Interview

Michael Reschke exklusiv: "Nagelsmann ist das sinnvollste Investment im Profifußball seit Jahren"

  • Aktualisiert: 01.05.2021
  • 15:29 Uhr
  • ran.de / Dominik Hechler
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© imago

Er arbeitete als Manager, Technischer Direktor und Sportvorstand bei Bayer Leverkusen, dem FC Bayern, dem VfB Stuttgart und zuletzt dem FC Schalke 04. Jetzt ist Michael Reschke in einer Spieleragentur tätig. Im exklusiven Interview mit "ran.de" spricht der ehemalige Technische Direktor des FC Bayern über den Nagelsmann-Wechsel an die Säbener Straße und analysiert die verzwickte Lage auf dem Transfermarkt in Corona-Zeiten.

ran.de: Michael Reschke, das Trainerkarussell in der Bundesliga hat in den vergangenen Wochen mächtig Fahrt aufgenommen. Marco Rose geht für fünf Millionen Euro von Gladbach zum BVB, Adi Hütter verlässt Frankfurt für 7,5 Millionen Euro und schließt sich dafür der Borussia vom Niederrhein an und jetzt wechselt auch noch Julian Nagelsmann für unglaubliche 25 Millionen Euro für den scheidenden Hansi Flick von RB Leipzig zum FC Bayern. Wie haben Sie diese Trainer-Rochade und vor allem die dazugehörigen enormen Transfersummen in den vergangenen Wochen erlebt? 

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Michael Reschke: "Eine logische Entwicklung, die sich in den vergangenen Jahren schon angedeutet hat. Der Trainer ist schlicht und ergreifend der wichtigste Mitarbeiter für den optimalen Erfolg jedes Klubs. Für die Verantwortlichen gilt es, den bestmöglichen Experten zu verpflichten. Es ist somit Aufgabe und Pflicht, alles daran zu setzen, die Ideallösung zu realisieren und umzusetzen. Die völlig logische Konsequenz: Trainer besitzen einen Markt- und Transferwert." 

ran.de: Sie haben selbst von 2014 bis 2017 als Technischer Direktor beim FC Bayern gearbeitet und kennen somit die Strukturen beim deutschen Rekordmeister. Inwiefern passt Julian Nagelsmann aus Ihrer Sicht an die Säbener Straße? 

Reschke: "Zunächst einmal ein Kompliment an den FC Bayern. Hansi Flick war als Trainer beim FCB top, hat perfekt zu dieser Mannschaft gepasst und man hat gemeinsam außergewöhnliche Erfolge gefeiert. Seinem Wunsch nach Vertragsauflösung nachzukommen und dann eine sinnvolle Nachfolgelösung zu finden, war natürlich eine riesige Herausforderung. Und dies ist in Rekordzeit gelungen. Julian Nagelsmann ist für den FC Bayern München der ideale Trainer in der jetzigen Situation. Er ist von der sportlichen Kompetenz, seiner taktischen Raffinesse gepaart mit seiner Überzeugungskraft, seinem Intellekt und seiner Empathie ein Ausnahmetrainer und eine absolute Top-Lösung." 

ran.de: Es soll zu Ihrer Zeit bei den Bayern ja schon einmal Interesse an Nagelsmann gegeben haben … 

Reschke: "Ja, das stimmt. 2015 wechselte Heiko Vogel als U19-Trainer zur U23 und wir haben wir einen neuen Coach für die A-Junioren des FC Bayern gesucht. Heiko selbst hatte die Idee, Julian Nagelsmann anzusprechen und ihn an die Säbener Straße zu holen. Ich hatte bis dato auch schon einige Spiele der Hoffenheimer A-Junioren gesehen, die Nagelsmann zur damaligen Zeit betreute. Die stimmige taktische Flexibilität seines Teams und die Art und Weise, wie Julian von außen gecoacht hat, haben mir extrem gut gefallen. Darüber hinaus hatten wir zuverlässige Informationen, dass er ein hochtalentierter, junger Trainer ist. Uli Hoeneß und ich wollten Julian einfach kennenlernen, da wir beide zu dieser Zeit auch sehr in den Nachwuchsbereich involviert waren. Also haben wir einen gemeinsamen Termin in meinem Büro vereinbart und haben ein langes, intensives Gespräch geführt. Julian hat Uli und mich bei diesem Gespräch wirklich nachhaltig beeindruckt. Man spürte sofort, dass dieser junge Trainer etwas Besonderes hat. Sein natürliches Selbstbewusstsein basierte auf überzeugender Kompetenz. Interessant war auch seine Beurteilung der Gesamtsituation beim FC Bayern von der Jugend bis zur Profimannschaft. Da kamen von ihm immer ganz klare Aussagen und Vorstellungen. Dementsprechend waren Uli und ich uns auch sofort einig, dass wir alles versuchen würden, Julian als U19-Trainer zum FC Bayern zu holen." 

ran.de: Dabei war Nagelsmann zum damaligen Zeitpunkt gerade einmal 27 Jahre alt. 

Reschke: "Klar, das ist auf der einen Seite sicherlich ungewöhnlich, aber wiederum auch nicht gänzlich untypisch. Ich bin beispielsweise selbst auch sehr früh Trainer geworden. Und eine kleine nette Anekdote: Ich bin als 28 Jahre alter Trainer mit der A-Jugend von Bayer Leverkusen Deutscher A-Jugendmeister geworden und war damit jahrelang in Deutschland der jüngste Trainer, dem das gelungen ist. Dann kam Julian Nagelsmann und hat es mit 27 Jahren geschafft. Somit hat er mir den Rekord quasi weggenommen. Eigentlich hätte ich also sauer auf ihn sein müssen (lacht). Es ist eben so, dass es auch schon in diesem jungen Alter außergewöhnliche Trainertalente geben kann. Natürlich hat auch Julian noch eine gewisse jugendliche Euphorie ausgestrahlt und versprüht, aber eben auch schon über ein enorm fundiertes Fachwissen verfügt. Das haben seine Teams mit ihrer überzeugenden Spielweise bewiesen." 

ran.de: Und warum ist ein Transfer damals gescheitert? 

Reschke: "Für Uli Hoeneß war nach dem damaligen Gespräch klar, dass Julian unsere Wunschlösung für die U19 des FC Bayern ist. Aber Julian hatte halt noch ein Jahr Vertrag in Hoffenheim und für Uli war klar, dass der Wechsel nur dann über die Bühne gehen kann, wenn sein Freund Dietmar Hopp diesem Transfer auch zustimmen würde. Also hat Uli noch am gleichen Tag des Nagelsmann-Gesprächs Dietmar Hopp angerufen, um Klarheit zu schaffen. Hopp hat aber keinen Zweifel daran gelassen, dass Julian keine Freigabe bekommen würde, da man in Hoffenheim selbst noch einiges mit ihm vor hätte. Und dies, obwohl Hopp von Julians hoher Affinität zum FC Bayern wusste. Hopp erklärte Uli damals sogar schon das klare TSG-Ziel, den Vertrag mit Nagelsmann langfristig zu verlängern. Für Uli war klar, dass es dies zu respektieren galt. Dies war übrigens auch für Julian klar. Somit war das Thema also erledigt. Rückblickend kann man sicherlich sagen, dass es für Julians persönliche Entwicklung die richtige Fügung war. Ein halbes Jahr später ist er in Hoffenheim Bundesligatrainer geworden und seine Karriere hat damit so richtig Schwung aufgenommen. Julian hat in den vergangenen Jahren sowohl in Hoffenheim, als auch in Leipzig auf nationaler und internationaler Ebene nachhaltig seine Klasse unter Beweis gestellt. Als möglicher U19-Trainer beim FC Bayern wäre der Weg ins Bundesliga-Rampenlicht für ihn sicherlich deutlich schwieriger geworden." 

ran.de: Was macht Nagelsmann als Trainer aus? 

Reschke: "Das ist ganz einfach: Julian macht Spieler und Mannschaften besser. Mehr kannst du von einem Trainer nicht erwarten. Ich weiß noch, als Serge Gnabry von seiner Leihe nach Hoffenheim zum FC Bayern zurück kam und von der Arbeit mit Julian geschwärmt hat. Julian hat Serge taktisch und technisch nachhaltig verbessert. Seine Laufwege und sein Spielverhalten wurden besser und gezielt geschult. Und dies wurde von Nagelsmann jeden Tag aufs Neue durch hoch anspruchsvolle und effektive Trainingsformen erreicht. Das ist schon außergewöhnlich und vergleichbar mit der Arbeit, wie ich sie von Pep Guardiola beim FCB erlebt habe." 

ran.de: Der aktuelle Bayern-Trainer Hansi Flick hat in der Vergangenheit ja immer wieder moniert, in der Zusammenarbeit mit Sportvorstand Hasan Salihamidzic zu wenig Mitspracherecht bei Transfers zu haben. Wie haben Sie die Abläufe bei Spielerverpflichtungen damals zu Ihrer Zeit in München erlebt? 

Reschke: "Zunächst einmal etwas zum Trainerjob im Allgemeinen: Die Spannungsfelder, in denen die Trainer agieren müssen, angefangen von eigenen Herausforderungen, den Erwartungen ihrer Spieler, der Klubverantwortlichen, der Fans und dann auch noch der Medien, sind in den vergangenen Jahren unglaublich gewachsen. Wenn ein Trainer dann mit seinem Team auch noch international spielt, hat der ein Paket zu schultern, das im gesamten Aufgaben-Komplex eigentlich ein Wahnsinn ist. Dass ein Trainer von sich selbst dann noch erwartet oder es vom Klub sogar erwartet wird, dass er darüber hinaus auch noch in der Transferpolitik der führende Mann sein soll, ist für meine Begriffe ein totaler Irrglaube. Ein Trainer kann überhaupt nicht in der Lage sein, so gezielt und so bewusst einen kompletten Spielermarkt mit seinen Alternativen und den wirtschaftlichen Zusammenhängen beurteilen, wie etwa ein Sportdirektor mit seinem Scouting-Team. Somit ist es völlig logisch, wenn der Verein, der ja auch die wirtschaftliche Verantwortung inne hat, die letzte Entscheidung bei Transfers trifft. Das ist aus meiner Sicht völlig klar und normal. Beim FC Bayern war es zu meiner Zeit immer so, dass wir basierend auf den Scouting-Informationen die Kaderplanung in einer Runde mit Karl-Heinz Rummenigge, Uli Hoeneß, Jan-Christian Dreeßen, Matthias Sammer, oftmals auch dem Trainer, der zumindest immer informiert gewesen ist, und mir diskutiert und dann eine gemeinsame Entscheidung getroffen haben. Hasan Salihamidzic, der ja übrigens auch wesentlicher Bestandteil der jüngsten Erfolgsgeschichte des FC Bayern München ist, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit nie eine Einzelentscheidung getroffen. Die wichtigen Entscheidungen werden bei Bayern erfahrungsgemäß immer im Team besprochen und dann auch getroffen. Wie genau die Gewichtung bei den Entscheidungsfindungen nun gewesen sein mag, weiß ich natürlich auch nicht. Aber nehmen wir mal das Beispiel Alphonso Davies. Bei diesem Spieler hat vor allem das Scouting-Team um Chefscout Marco Neppe eine hervorragende Vorarbeit geleistet. Wie soll da auch ein Cheftrainer, damals war das ja noch Niko Kovac, so einen Spieler mit seinem Potenzial und seiner Perspektive überhaupt beurteilen können? Das geht doch zeitlich gar nicht. Hinzu kommt, dass ein Trainer verständlicherweise ja auch erst einmal an den kurzfristigen Erfolg denkt. Ein Klub muss allerdings auch die mittel- und langfristige Perspektive im Auge haben und es ist die Verantwortung eines Vereins, aus Überzeugung, gegebenenfalls auch einmal gegen eine Trainer-Meinung auf solch' ein Talent zu setzen. Ich empfinde das als völlig normal. Und ich bin auch der Meinung, dass die Trainer gut beraten sind, ihren Klubs zu vertrauen." 

ran.de: Inwiefern wird sich Nagelsmann mit seinen erst 33 Jahren in der Zusammenarbeit mit Salihamidzic, Kahn und auch Rummenigge noch unterordnen müssen?  

Reschke: "Wie viel Ablöse haben die Bayern an Leipzig überwiesen? Genau, sehr viel Geld. Und das haben sie bestimmt nicht gemacht, um ihn jetzt dominieren zu wollen. Der FC Bayern hat diese Ablösesumme für Julian Nagelsmann bezahlt, weil man der festen Überzeugung ist, dass er in der aktuellen Situation der ideale Coach für den Klub ist. Ich bin überzeugt davon, dass Julian bei den Bayern eine Ära prägen wird. Da geht es dann nicht um unterordnen, sondern um miteinander arbeiten. Und ich bin überzeugt davon, dass dies den Bayern-Verantwortlichen gemeinsam mit Nagelsmann auf höchstem Niveau gelingen wird." 

ran.de: Was sagt es über die aktuelle Situation beim FC Bayern aus, wenn ein Ex-Spieler und jetziger Co-Trainer wie Miroslav Klose öffentlich die Kommunikation innerhalb des Vereins kritisiert und sinngemäß sagt, dass er "seinen Verein" im Moment nicht mehr wiedererkenne? Und kann die Nagelsmann-Verpflichtung vielleicht zu einer Art "Re-Start" führen? 

Reschke: "Die Stimmung an der Säbener Straße ist ja nur deswegen so durchwachsen, weil gefühlt jede Woche eine Bilanz gezogen wird. Wenn man sich aber anschaut, was der FC Bayern in den vergangenen 18 Monaten alles erreicht hat, dann muss es definitiv keinen Neustart geben. Die Spieler bleiben ja größtenteils auch in der kommenden Saison die gleichen, es wird bei Bayern ja zu keiner Revolution kommen. Die herausragende Entwicklung wird unter Nagelsmann extrem erfolgreich fortgesetzt. Dass Bayern am Ende dieser Saison vielleicht mal 'nur' Deutscher Meister und ausnahmsweise mal nicht auch noch Pokalsieger wird und nicht ins Champions-League-Finale kommt, ist doch gerade in einer Corona-Saison kein Beinbruch. Das ist für alle eine ganz spezielle Situation und da hätte jedem auch klar sein müssen, dass es zu solchen Entwicklungen kommen kann. Ich kann diese Aufgeregtheit somit ehrlich gesagt nicht verstehen. Dass es intern möglicherweise Strömungen gegeben hat, die für starke Irritationen gesorgt haben, das mag wohl sein. Aber das kann und will ich nicht beurteilen. Dafür bin ich mittlerweile nicht mehr nah genug dran." 

ran.de: Der FC Bayern hat bereits vor einigen Wochen den Transfer von Dayot Upamecano von RB Leipzig für 42,5 Millionen Euro Ablöse klar gemacht und jetzt eben auch noch die Verpflichtung von Nagelsmann als neuen Coach für 25 Millionen Euro. Wie passen solche Summer in die aktuelle Corona-Zeit? 

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Reschke: "Ich habe Bayern München in meiner Zeit als einen Klub kennengelernt, in dem zwar sehr viel Geld bewegt, aber auch wirtschaftlich extrem gewissenhaft gedacht und gearbeitet wird. Die Nagelsmann-Verpflichtung ist, auch wenn dabei eine sehr hohe Ablösesumme fällig wird, für mich eine der sinnvollsten Investments der vergangenen Jahre im Profifußball. Davon bin ich total überzeugt. Oliver Mintzlaff hat RB Leipzig in eine sehr gute Ausgangsposition manövriert: Es war clever genug, Julian frühzeitig zu verpflichten und mit einem langfristigen Vertrag auszustatten. Deshalb profitiert RB jetzt ja auch von der Entscheidung. Wenn ich jetzt beim FC Bayern ein Verantwortlicher gewesen wäre, hätte ich eher auf einen Top-Spieler, also einen Top-Transfer, verzichtet als auf die Verpflichtung von Julian Nagelsmann. Ohne Wenn und Aber." 

ran.de: Können Sie verstehen, dass viele Menschen in der Gesellschaft solche Summen gerade jetzt in der Corona-Zeit kaum mehr nachvollziehen können? 

Reschke: "Klar - das muss man ja verstehen. Und es ist logisch, dass es zu Unverständnis und Irritationen kommt. Wenn ich jetzt auf der einen Seite die Ablösesumme für Nagelsmann verteidige und dann aber dieses Investment mit Schicksalen vieler Menschen in Verbindung bringe, die teilweise an Dramatik ja nicht zu überbieten sind, dann ist das natürlich ein Spagat, den man kaum bewältigen kann. Aber im Profifußball ist diese finanzielle Wucht immer noch ein Teil dieses Business'. Gewiss sind Investitionen deutlich reduzierter, aber eben auch in hohem Maße möglich. Wir erleben aber auch, was für ein Aufschrei durch Deutschland geht, wenn der FC Bayern wegen der Auswärtstor-Regel gegen Paris St. Germain nicht das Halbfinale in der Champions League erreicht. Dann herrscht Panikmache und die Suche nach den Schuldigen. Das ist halt alles völlig irrational. Und Bayern dreht halt am großen Rad. Also muss man investieren, weil durch Erfolge wachsen wieder die Einnahmen. Also investiert der Klub jetzt in einen Top-Trainer und erwartet im Kreislauf "Investition - Erfolg - Mehreinnahmen" richtig zu liegen. Das diese Kombination, diese hohen Transfersummen, für den 'normal arbeitenden Menschen', in der aktuellen Situation vor allem das medizinische Personal, komplett irrational und kaum zu verstehen sind, ist logisch, aber dies wird sich in absehbarer Zeit nicht ändern. Da werden wir die Uhren im Profifußball nicht entscheidend zurückstellen können. Da gibt es aus meiner Sicht auch keine einzige, richtige Wahrheit. Dieses Geschäft ist irrational. Genauso wie andere große Teile des Showbusiness. Brot und Spiele." 

ran.de: Sie sind jetzt selbst in einer Spieleragentur tätig. Inwiefern merken Sie, dass die Vereine durch Corona finanziell vielleicht ein bisschen zurückhaltender geworden sind – oder ist das gar nicht der Fall? 

Reschke: "Das ist sogar sehr deutlich der Fall. Ich bin auch überzeugt davon, dass man in München über diese Ablösesumme für Julian Nagelsmann viel hin und her diskutiert hat. Aber am Ende des Tages haben sie eben die Entscheidung für Julian getroffen und die ist wie bereits gesagt aus meiner Sicht auch komplett richtig. Insgesamt betrachtet wird der komplette Transfermarkt in dieser Corona-Pandemie aber deutlich schwieriger werden. Wenn man mit Vereinsverantwortlichen spricht und sich die wirtschaftlichen Entwicklungen in den Klubs anschaut, dann wird deutlich, dass eigentlich alle mit großen Problemen zu kämpfen haben." 

ran.de: Haben Sie das Gefühl, dass auch die Spieler und Berater diese Situation begriffen haben? 

Reschke: "Da musst du ja mit dem Dampfhammer gepudert sein, wenn du diese Situation nicht erkannt hast. Wer es bis jetzt noch nicht kapiert hat, dem ist sowieso nicht mehr zu helfen. Es ist doch ganz banal: Wenn bei dir als guter Bundesligaspieler früher der Vertrag ausgelaufen ist, dann warst du ablösefrei und konntest auf einen verbesserten Vertrag hoffen. Heute ist es so, dass du vielleicht sogar arbeitslos bleibst oder deutliche Abstriche hinnehmen musst. Die Vereine reduzieren ihre Spielerkader und damit auch ihre Gehaltsvolumina. Das ist das Gebot der Stunde, weil allen durch Corona natürlich eine Menge Einnahmen weggebrochen sind. Das ist ja auch ein völlig normaler Kreislauf." 

ran.de: Was sagt es über einen Spieler wie Joshua Kimmich aus, wenn er sich von seinem Berater getrennt hat und sich nun selbst vertritt und seine Verträge selbst aushandelt? 

Reschke: "Zunächst einmal glaube ich, dass Joshua sehr dankbar für die langjährige Arbeit und Unterstützung von seinem ehemaligen Berater-Duo Uli Ferber und Jannis Koukoutriagis war. Wir hatten beim FC Bayern damals immer ein sehr gutes Verhältnis. Joshua ist halt als Spieler und auch als Mensch sehr speziell in der Auseinandersetzung mit allem. Mit dem Fußball, mit dem Leben und halt auch mit seiner eigenen Vertragssituation. Für mich passt das zu Jo, weil er ist, wie er ist. Er ist ein besonderer Mensch und ein Stück weit auch ungewöhnlich, was seine Auseinandersetzung mit sozialen Problematiken, dem Leistungsgedanken und auch vielen anderen Thematiken betrifft. Und er hat jetzt eben diese Entscheidung getroffen. Das ist ja auch in Ordnung, aber für mich nicht sinnbildlich. Ich sehe es eher als individuelle Kimmich-Entscheidung. Es wird keine Welle auslösen." 

ran.de: Sie waren zuletzt in der Bundesliga beim FC Schalke 04 beschäftigt. Wie haben Sie den Niedergang der "Königsblauen" in dieser Saison erlebt? 

Reschke: "Das ist eine extrem belastende Gesamtsituation. Wenn man den Verein, sein Umfeld und diese Hingabe der Fans – und damit meine ich nicht die Krawallmacher der vergangenen Wochen – betrachtet, also diese außergewöhnliche emotionale Bindung vieler Menschen mit Schalke, und dann erlebt, was da passiert ist, dann macht einen das sehr traurig. Die Vielzahl an Negativmeldungen sind erschütternd und tun sehr weh. Ich wünsche dem Klub die Rückkehr in die Bundesliga und vertraue dabei sehr auf Peter Knäbel, der einen sehr guten Job machen wird."

Das Interview führte: Dominik Hechler 

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