Thomas Müller nach positivem Corona-Test wieder in München
Nach positivem Corona-Test: Thomas Müller und die irre Odyssee zurück nach München
- Aktualisiert: 13.02.2021
- 10:32 Uhr
- ran.de/Tim Brack
Der positive Corona-Test von Thomas Müller lässt den Katar-Trip des FC Bayern München in ein schlechtes Licht rücken. Seine Rückreise ist streng getaktet und doch fühlen sich die Kritiker bestärkt. Ein Münchener Start-up-Unternehmen unterstützt mit seinem Konzept bereits die NFL und die NBA und könnte auch der Fußball-Bundesliga helfen.
München – Die Aufgabe, Thomas Müller zu isolieren, überforderte schon manchen Weltklasse-Verteidiger. Ein Raumdeuter lässt sich eben nicht so mir nichts dir nichts einfangen. Nachdem Müller bei der Klub-WM in Katar einen positiven Corona-Test fabriziert hat, musste er aber zwingend isoliert werden. Die Rückreise nach Deutschland sollte trotzdem möglich gemacht werden für den 31-Jährigen.
Dafür ist eine eigene Blase nötig, eine Thomas-Müller-Blase sozusagen, in der nur Thomas Müller lebt und niemanden sonst anstecken kann. Für die Rückholaktion des Vereins-Schatzes soll der FC Bayern sogar ein Sanitätsflugzeug organisiert haben. Kein Kontakt zu den Piloten. Kein Kontakt zum Personal. Keine Gefahr.
Wie der genaue Ablauf aussah, nachdem der Flieger deutschen Boden berührt, darüber geben die sich Gesundheitsämter von München bis Miesbach (zuständig für Müllers Wohnort) auf Anfrage zugeknöpft mit Verweis auf Persönlichkeitsrechte. Aber irgendwie hat der FC Bayern den Müller-Thomas schon sicher nach Hause gebracht in die Quarantäne. Ohne jemanden anzustecken – so ist jedenfalls die Hoffnung. Am späten Freitagabend ist Müller in München gelandet - empfangen von der Zoll-Polizei, Flughafen-Personal und einem medizinischen Team.
Der Fall Müller ist für den FC Bayern das Worst-Case-Szenario dieser Katar-Reise. Vor einem Trip in das Emirat warnen nicht nur Menschenrechtler, sondern auch das Robert-Koch-Institut. Schon seit vergangenem Sommer ist Katar als Risikogebiet gekennzeichnet. Für die Münchner stand dennoch außer Frage, die Reise anzutreten zur sportlich wenig ansprechenden Klub-WM im politisch noch weniger ansprechenden Gastgeberland.
Sechster Titel und ein Infizierter
Immerhin brachte der Ausflug neben einigen Reisestrapazen auch den sechsten Titel und die Vollendung einer durchdachten Social-Media-Kampagne. Doch eben auch einen infizierten Spieler und damit einhergehend die Frage nach einer Sonderbehandlung.
Nachdem das Coronavirus bei Thomas Müller entdeckt worden war, wurden seine Mitspieler allesamt getestet. Es gab keinen weiteren positiven Befund und so durften die anderen Spieler im Finale antreten. Und auch nach ihrer Ankunft in München müssen sie nicht in Quarantäne, wie das nach der Einreise aus einem Risikogebiet sonst vorgesehen ist. Stattdessen besucht am Montag Aufsteiger Bielefeld den Bayern-Haushalt in der Münchner Arena.
Nun werden die Bayern-Profis engmaschig getestet, eine Sonderbehandlung lässt sich damit womöglich sogar vertreten. Doch andere Sportarten, die über ähnliche Hygienekonzepte verfügen, sehen den Fußball bevorzugt. "Ich erwarte durch die Gesundheitsämter eine Gleichbehandlung aller Berufssportler", sagte Handball-Ligachef Frank Bohmann dem "sid". Auch Stefan Holz, Bohmanns Basketball-Pendant, sieht die Situation kritisch. "Vielleicht ist da bei einem Gesundheitsamt die Beißhemmung eine andere. Da hängt mehr dran. Da kommen 150 TV-Leute, bei uns eine Handvoll."
Der Ärger ist verständlich: In der Fußball-Bundesliga wurde trotz einiger Corona-Fälle noch kein Spiel verlegt, in anderen Sportarten häufen sich Absagen oder Verschiebungen. Manche Teams wie der THW Kiel bangen schon, ob sie alle Partien nachholen können. Überspitzt gesagt: Der Fußball jettet ohne Konsequenzen durch die Weltgeschichte und wenn es Einreiseverbote gibt, trifft man sich eben im Hotspot an der nächsten Ecke, um ein Spiel auszutragen.
Andere Sportligen setzen auf noch ausgefeiltere Konzepte
Dabei seien die Hygienekonzepte der anderen Ballsportarten nicht schlechter, erklärte Sportmediziner Wilhelm Bloch von der Sporthochschule Köln dem "sid": "Die Konzepte sind zum Teil noch ausgefeilter, weil sie teilweise nach den Konzepten der DFL kamen."
Letztlich seien die lokalen Gesundheitsämter zuständig. Diese sind bei einer infizierten Person für die Einstufung der potentiellen Kontaktpersonen verantwortlich. "Informationen zu Kontakten während der letzten Tage im Umfeld von Training und Wettkampf sind hilfreich (z. B. Videoaufzeichnungen)", heißt es im DFL-Hygienekonzept. Im privaten Umfeld wird empfohlen, als Gedächtnisstütze für die Kontaktnachverfolgung im Infektionsfall die eigenen Kontaktpersonen zu notieren und deren Gesundheitszustand.
Das zuständige Gesundheitsamt muss also einschätzen, ob Müller lang genug Kontakt mit Team-Kollegen hatte. Stand der Stürmer in Katar länger am Pool neben einem Mitspieler? War er da schon ansteckend? Ist das Virus bei einem Mitspieler vielleicht noch nicht aktiv genug gewesen, um vom PCR-Test entdeckt zu werden?
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Münchener Start-up könnte zur Lösung beitragen
Um eine genauere Kontaktverfolgung möglich zu machen, setzte die NFL in der vergangenen Saison und im Super Bowl die Technik des Münchner Start-up "Kinexon" ein. Die Firma ist nach eigenen Aussagen bei rund einem Drittel der Fußball-Bundesligisten auch für die Ermittlung von Leistungsdaten verantwortlich – ihr traditionelles Geschäft.
"Kinexon war bereits vor Corona ein etablierter Sports Analytics-Anbieter im Profisport", sagt Mitgründer Maximilian Schmidt auf Nachfrage von ran.de: "Wir waren bzw. sind daher ohnehin in ständigem Austausch mit den Franchise- und Ligavertretern."
Als die Pandemie losrollte, funktionierte "Kinexon" seine Technik um, damit sie nicht mehr den Standort von Personen überprüft, sondern misst, wie weit zwei Personen voneinander entfernt stehen. Im Juni 2020 erarbeitete die NBA gerade ihr "Bubble-Konzept" für den restlichen Saisonverlauf - Kinexon überzeugte sowohl die NBA, als auch später die NFL.
15 Gramm schwere Tracker senden Warnsignale
In der NFL erhielt jeder Sportler, Betreuer oder Trainer dafür einen Tracker an einem Armband, das lediglich 15 Gramm wiegt. Diese kleinen Geräte, auch "SafeTag" genannt, erfassen die Entfernung zueinander. Wenn zwei Spieler sich näher als 1,5 Meter kommen, warnt ein Signal. Am Ende eines Arbeitstags wird der Tracker an einer Station geladen. Dort werden auch die Daten ausgelesen, mit denen man im Infektionsfall bestimmen kann, wer ein gefährdeter Kontakt ist.
"Natürlich lässt sich nicht perfekt analysieren, wie viele Ansteckungen man verhindern konnte", sagt Schmidt und erklärt: "Die nächstliegende Frage ist daher: Können wir die grundsätzliche Strategie (Risikobegegnungen verhindern, infektionsgefährdete Personen schnell isolieren und testen) unterstützen?"
Das System von Kinexon kann dies und schaffte es in der NFL, nach eigener Aussage, in mehreren Fällen eine weitere Ausbreitung zu verhindern.
In der Fußball-Bundesliga vertraut man derweil auf das Hygienekonzept der DFL. "Dass es bisher keine massenhaften Infektionen in den Vereinen gab, spricht mit Sicherheit für das Hygienekonzept", sagt Schmidt.
Dennoch gab es immer wieder Infektionen bei den Teams, Schmidt: "Jeder positiv-getestete Spieler fehlt den Mannschaften für ein paar Wochen. Mit einer digitalen Kontaktnachverfolgung kann man auf jeden Fall helfen, kritische Kontakte schnellstmöglich zu isolieren und verhindern, dass man mehrere Spieler infiziert und damit für ein paar Spiele verliert."
Die Technik von Kinexon könnte sicher dabei helfen, Risiken weiter zu minimieren. Mehr Sicherheit wäre dann gleichbedeutend mit mehr Vertrauen und mehr Freiheiten. Allerdings müsste sichergestellt sein, dass ein solcher Tracker auch den Raumdeuter Thomas Müller nicht aus den Augen verliert.
Tim Brack
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