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Sportdirektor von Bayer 04 Leverkusen im Interview

Simon Rolfes exklusiv: "Müssen die Qualität junger Spieler wieder steigern"

  • Aktualisiert: 28.11.2020
  • 16:44 Uhr
  • ran.de/Andreas Kötter
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© 2019 Getty Images

Obwohl mit Kai Havertz und Kevin Volland die erfolgreichsten Torschützen abgegeben wurden, ist Bayer 04 Leverkusen hervorragend in die Saison gestartet. Im Interview mit ran.de spricht Sportdirektor Simon Rolfes über die Weiterentwicklung seiner Mannschaft, über die Situation der deutschen Nationalmannschaft und über die Probleme im deutschen Nachwuchsbereich.

ran.de: Herr Rolfes, in der Bundesliga nach acht Spieltagen noch ungeschlagen, in der Europa League so gut wie eine Runde weiter – verblüffend, wenn man bedenkt, dass Bayer 04 Leverkusen mit Kevin Volland und Kai Havertz die erfolgreichsten Torschützen verloren hat…

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Simon Rolfes: Wir haben im Sommer für die Position von Kai bewusst niemanden verpflichtet, weil wir jungen Spielern wie Florian Wirtz und Nadiem Amiri die Chance geben wollen, in solche Rollen hineinzuwachsen. Es war ein schwieriger Sommer mit Europa League-Final-Turnier, sehr kurzem Urlaub und entsprechend kurzer Vorbereitung, und anfangs mussten wir uns hinein kämpfen in die neue Saison. Dann aber haben wir uns individuell und auch als Mannschaft Schritt für Schritt weiterentwickelt und damit eine gute Ausgangsbasis für die kommenden Wochen.

ran.de: Hat das Team jetzt die ideale Balance gefunden zwischen attraktivem Offensivfußball und der notwendigen defensiven Stabilität, die in der Vorsaison bisweilen noch fehlte?

Rolfes: Ja. Wir sind dieser Balance tatsächlich deutlich näher gekommen. Natürlich gab es noch unterschiedliche Spiele, wie das 6:2 gegen Nizza hier, wo offensiv fast alles funktioniert hat, und das 0:0 gegen Wolfsburg dort, das etwas zäh, dafür aber defensiv sehr gut war. Insgesamt aber ist es uns gelungen, diese Balance immer besser auch innerhalb eines Spiels zu finden. Was die Reife der Spielanlage betrifft, haben wir einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht.

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Bayern-Schwäche? "Wäre ein absolut menschlicher Zug"

ran.de: Trainer Peter Bosz ist ein Verfechter des schönes Offensivfußballs und passt deshalb gut zu Bayer 04. Fällt es Bosz heute leichter, auch mal defensiver zu denken, wenn nötig?

Rolfes: Diese Weiterentwicklung ist das Verdienst des gesamten Staffs und damit natürlich auch Peters Verdienst. Aber auch die Co-Trainer und die Analysten, die zuarbeiten, haben großen Anteil an der Weiterentwicklung der Mannschaft. Gute Leute um sich zu haben, das hilft selbst dem Besten noch dabei, sich weiterzuentwickeln.

ran.de: Aktuell liegt Ihr Team nur einen Punkt hinter dem FC Bayern, der nicht mehr unverwundbar scheint. Könnte diese Saison die werden, auf die man beim BVB, bei RB Leipzig und auch bei Bayer 04 schon lange wartet?

Rolfes: Ganz ehrlich, das ist mir keinen einzigen Gedanken wert. Für uns geht es darum, das Maximum herauszuholen. Und das bedeutet erst einmal Champions-League-Plätze. Angesichts der vielen Spiele und des engen Terminkalenders gilt in dieser Saison noch mehr als sonst, dass man die Gabe braucht, sich immer hundertprozentig auf die nächste Aufgabe fokussieren zu können. Der kurze Blick, der ist entscheidend. Was dann später vielleicht noch möglich sein könnte, das wird man sehen.

ran.de: Aus Ihrer eigenen Erfahrung als Spieler: Lässt man nach einer überragenden Saison, wie sie die Bayern gespielt haben, im Folgejahr mental automatisch etwas nach?

Rolfes: Wenn, dann wäre das ein absolut menschlicher Zug. Aber selbst, wenn das bei den Bayern so sein sollte, hilft ihnen immer noch die extrem hohe fußballerische Qualität in der Mannschaft. Eine Mannschaft, die es nicht nur gewohnt ist zu gewinnen, sondern auch gewinnen zu müssen. 

ran.de: Der FC Bayern bleibt Ihr Favorit auf den Titel?

Rolfes: Absolut. Der Top-Favorit!

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Rolfes zum DFB-Team: "Sorgen mache ich mir keine"

ran.de: Die hohe Belastung durch den engen Terminkalender und die vielen Länderspiele haben Sie bereits angesprochen. Sehen Sie aus dieser Situation überhaupt irgendeinen Ausweg für die Vereine?

Rolfes: Meine Hoffnung fokussiert sich auf eine 'normale', eine Nach-der-Pandemie-Saison. Länderspiel-Wochen mit drei Spielen wird es dann ja wohl nicht mehr geben, sodass sich der Spiel-Kalender entzerren sollte. Ich verstehe die Verbandsinteressen, und wir versuchen ja diesen Interessen gerecht zu werden. Trotzdem muss die Priorität immer bei der Liga liegen. Die Liga und der Verein sind die fußballerische Heimat der Spieler. Da appelliere ich an das Verständnis der Verbände.

ran.de: Stichwort Verständnis: Trifft Bayer 04 mit der Bitte nach der Verlegung des kommenden DFB-Pokalspiels auf Verständnis beim DFB, der dem FC Bayern wohl schon entgegengekommen ist?

Rolfes: Wir sind in Gesprächen, in dieser Sache gibt es noch nichts Neues zu vermelden. Aber wir setzen ganz klar darauf, dass auch beim DFB der Fair-play-Gedanke entscheidend ist.

ran.de: Lassen Sie uns noch über die Nationalmannschaft sprechen: Machen Sie sich Sorgen um der Deutschen einst liebstes Kind?

Rolfes: Sorgen mache ich mir keine, weil ich glaube, dass wir nach wie vor eine sehr hohe individuelle Qualität bei den Spielern haben, von denen viele im allerbesten Fußballer-Alter sind. Allerdings: Individuelle Klasse ist das eine, als Team zu funktionieren aber etwas ganz anderes. Mit Ausnahme von 2018 ist es immer gelungen, dann, wenn ein großes Turnier näher rückte, ein Team zu formen und den entsprechenden Spirit zu erzeugen, siehe Campo Bahia, 2014 in Brasilien. Und das erwarte ich jetzt auch für die kommenden Monate.

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Fußballnachwuchs: "Müssen größte Anstrengungen unternehmen"

ran.de: Teambildung ist Trainersache…

Rolfes: Natürlich gehört der Trainer als Führungsperson zur Mannschaft …

ran.de: Philipp Lahm glaubt, dass Bundestrainer Jogi Löw seine Ansprache an die aktuelle Spielergeneration anpassen muss.

Rolfes: Ich war zuletzt bei den Ansprachen des Bundestrainers nicht mehr dabei. (lacht) Deshalb erlaube ich mir nicht, das zu beurteilen. Die Gier, Großartiges leisten zu wollen, die muss einfach vorhanden sein, und dabei sind alle gefordert. Helfen kann sicherlich, dass jetzt erst einmal keine Länderspiele stattfinden. Man sieht sich wahrscheinlich vier Monate lang nicht und hat im März die Chance, auf den Reset-Knopf zu drücken. 

ran.de: Sie bescheinigen der aktuellen Nationalspieler-Generation große Qualität. Wer aber kommt nach? Hat U21-Trainer Stefan Kuntz recht, wenn er sagt, beim Nachwuchs sei man "sowas von abgeschlagen"?

Rolfes: Ja. Wir müssen wirklich größte Anstrengungen unternehmen, um die Qualität der jungen Spieler wieder zu steigern. In der Vergangenheit hat die Bundesliga gezeigt, dass sie mit der Art, wie hier Fußball gespielt wird, sehr interessant ist für junge Talente, und dass sie diese Talente, oft auch aus dem Ausland, weiterentwickeln kann. Schaut man sich heute aber die Performance der Jugend-Nationalmannschaften an - und ich meine nicht nur die Spiel-Resultate –, dann muss man sich hinterfragen. Haben wir die richtigen Spieler ausgewählt? Haben wir keine besseren? Und wenn ja, warum haben wir keine besseren? Das sind Fragen, die wir uns in den kommenden Jahren stellen und beantworten müssen, um wieder eine Generation mit Weltklasse-Format entwickeln zu können.

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ran.de: Bayer 04 hat mit den eingangs schon genannten Florian Wirtz einen Spieler, dem eine solche Entwicklung zuzutrauen ist…

Rolfes: Florian ist in der Tat ein großes Talent, und es freut mich sehr, dass wir es geschafft haben, ihn so schnell zu integrieren. Schließlich war er gerade einmal 16, als er erstmals mit den Profis trainiert hat. Er taugt als Beispiel dafür, dass Bayer 04 Leverkusen hochinteressant ist für junge, talentierte Spieler. Hier bekommen sie das Vertrauen, dass sie brauchen, hier wird ein Fußball gespielt, der technisch guten Talenten liegt, und hier können sie sich in einem familiären Umfeld weiterentwickeln. Kai Havertz, Julian Brandt, Florian Wirtz – alle haben ihr Debüt schon mit 17 Jahren bei uns gegeben. Das sind herausragende Beispiele für den guten Nährboden, den wir jungen Talenten bieten können.

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