vor süd-duell in der bundesliga
VfB Stuttgart - Atakan Karazor warnt FC Bayern: "Wir haben einen Zwei-Meter-Messi-Musiala"
- Veröffentlicht: 27.02.2025
- 23:11 Uhr
Stuttgarts Kapitän Atakan Karazor spricht bei ran über den Südgipfel gegen Bayern München, die Zukunft von Erfolgscoach Sebastian Hoeneß und "Zauberer" Nick Woltemade.
Das Interview führte Philipp Kessler
Beim Interview mit Atakan Karazor wird schnell klar: Der 28 Jahre alte Mittelfeldspieler lebt – und liebt – den VfB Stuttgart.
An der Wand hängt ein Trikot aus der aktuellen Champions-League-Saison und ein Jubelfoto seiner Mannschaft.
Selbst an der Kopfstütze seines Schreibtischsessels ist das Vereinslogo eingestickt.
"Den habe ich von meinen Jungs aus der eSports-Abteilung geschenkt bekommen. Sie haben mir letztens einen Gamingstuhl überreicht", verrät der VfB-Spielführer.
Im ausführlichen Gespräch mit ran äußert sich Karazor unter anderem über Senkrechtstarter Nick Woltemade, VfB-Trainer Sebastian Hoeneß, Kumpel Deniz Undav und natürlich das Duell gegen den FC Bayern (ab 20:30 Uhr im ran-Liveticker)
Das Wichtigste in Kürze
ran: Herr Karazor, die Bayern haben in dieser Saison viele überragende Spiele gezeigt, aber auch immer wieder Aussetzer dabei. Welches Münchner Gesicht erwarten Sie am Freitag?
Atakan Karazor: Ich habe den Eindruck, dass die Bayern in dieser Saison eher konstant sind. Ich sehe sie sogar ziemlich stark - vor allem im Gegensatz zur Vorsaison. Die Bayern zeigen unter Vincent Kompany ein ganz anderes Gesicht. Ich finde, man muss die gesamte Anzahl der Spiele betrachten. Es kommen viele Partien auf die Mannschaft zu. Dass das ein oder andere Spiel mal nicht so gut ist, muss man den Spielern auch nachsehen können. Aber 4:0 zuletzt gegen Frankfurt - das ist schon eine Ansage! Ich erwarte ein Bayern, das wie gewohnt offensiv Druck auf uns ausüben möchte. Unser Ziel wird es sein, diesem Druck in unserem Stadion so gut wie möglich zu entgehen, das Spiel der Bayern zu brechen und der Partie unseren eigenen Stempel aufzudrücken.
Karazor hat gute Erinnerungen an die vergangene Saison
ran: In der Hinrunde ist der VfB mit 0:4 in München untergegangen…
Karazor: In der Allianz Arena war mein bestes Ergebnis mit dem VfB bis jetzt ein Unentschieden. Wir hatten letzte Saison ja eine ähnliche Konstellation. Im Hinspiel hatten wir verloren, im Rückspiel haben wir bei uns zuhause einen Sieg gegen die Bayern geholt. Deswegen schaue ich gar nicht allzu sehr auf die letzte Begegnung. Jetzt im Rückspiel kann alles wieder anders aussehen. Wir müssen schauen, dass wir unser Spiel durchziehen. In der Allianz Arena haben wir es nicht hinbekommen. Da haben uns die Münchner ehrlicherweise erdrückt mit ihrem Pressing.
ran: Wie gefährlich wird Stuttgarts "Zwei-Meter-Messi", Nick Woltemade, für die Bayern?
Karazor: Wird er mittlerweile so genannt? Geil! Ganz ehrlich: Ich würde von mir selbst behaupten, dass ich einen guten Fußballer relativ schnell erkenne. Bei Nick hatte ich das direkt in der ersten Trainingswoche. Er ist ein Spieler, der zwei Meter groß ist. Er hat eine Technik wie Messi… (lacht) Er ist einfach ein toller Typ! Mir war relativ schnell klar, dass er eine gute Saison bei uns spielen kann. Das macht er auch gerade. So einen Spieler müssen wir gut behüten. Er fühlt sich wohl in der Mannschaft. Das Wichtige für uns als Mannschaft ist, Nick immer wieder gut in Szene zu setzen - ob es mal im Zwischenraum ist oder vorne in der Box. Nick schafft es aber auch selbst, sich immer wieder in Szene zu setzen. Wir wissen, was wir an ihm haben: Wir haben einen Zwei-Meter-Messi-Musiala (lacht)! Wir wünschen uns, dass er das auch am Freitag wieder zeigt.
ran: Hat er innerhalb der Mannschaft einen anderen Spitznamen als "Zwei-Meter-Messi"?
Karazor: Wenn Sie wüssten, welche Spitznamen er hat… (lacht) Nick ist ja ein witziger Typ und ein super feiner Kerl. Er ist erst vor kurzem gerade mal 23 Jahre geworden. Wenn man mit ihm spricht, hat man aber das Gefühl, er wäre 27 oder 28 Jahre alt, weil er so eine Souveränität ausstrahlt. Das sieht man auch auf dem Platz. Nick macht gerade einfach Spaß. Er kann Bälle festmachen, aber gleichzeitig auch wie ein 1,60-Meter-Dribbler zaubern. Das ist schon sehr stark.
ran: Bei den Münchnern zeigte sich gegen Frankfurt zuletzt sogar der Ex-Stuttgarter Hiroki Ito treffsicher. Überrascht?
Karazor: Ach, Hiro… Sehr schade für ihn, dass er sich direkt am Anfang beim FC Bayern verletzt hat. Hiro ist der ungewöhnlichste Japaner, den ich je kennengelernt habe. Ich habe ja mit einigen zusammengespielt, unter anderem Wataru Endo, Genki Haraguchi oder Anrie Chase. Diese drei Spieler kommen über ihren Ehrgeiz und absoluten Willen. Und Hiroki ist einfach das komplette Gegenteil! (lacht) Aber das ist auch etwas, was ihn ausmacht. Hiro kommt eher über seine Gelassenheit. Das sorgt dafür, dass das, was er im Spiel macht, sehr einfach aussieht. Das macht er alles mit seiner Qualität, seinem Talent und seinem starken linken Fuß. Ich freue mich für ihn persönlich, dass er gegen Frankfurt getroffen hat. Aber am Freitag müssen wir zusehen, dass wir auch Hiroki in Bedrängnis bringen können.
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Karazor: "Auch diese starken Bayern kann man fordern"
ran: Welche Schwachstelle sehen Sie bei Bayern?
Karazor: Beim 0:0 in Leverkusen hat man gesehen, dass man auch diese starken Bayern fordern kann. Diesen Druck, den sie bei einem auslösen möchten, den muss man versuchen, bei ihnen zu erreichen. Es geht darum, dass man vorne ins Pressing geht, dass man ihnen das Gefühl gibt, wenig Zeit und Raum zu haben. Wir müssen zusehen, dass wir den Bayern in unserem Stadion das Gefühl geben, dass sie einen kleinen Radius haben, in dem sie arbeiten können.
ran: Nach einer überragenden Vorsaison und der Vizemeisterschaft hat Stuttgart in dieser Spielzeit Probleme, liegt aktuell auf Platz sieben der Bundesliga. Warum?
Karazor: Wir haben mit der Teilnahme an der Champions League etwas geschaffen, das wir seit Jahren hier nicht hatten. Wir hatten eine Konstellation, die wir so als Mannschaft nicht kannten. Kein Spieler außer Dan-Axel Zagadou hatte mal solche intensive Wochen in seiner Karriere. Das war für uns alle etwas Neues. Es war nicht einfach, da reinzufinden. Wir hatten wenige lange Trainingswochen. Nach dem Champions-League-Aus kommen wir langsam wieder in unseren gewohnten Rhythmus. Ich merke, dass es Woche für Woche besser wird. Ich spüre eine gute Energie in der Mannschaft. Wir sind zwar aktuell auf Platz sieben - aber die Punktabstände in der Tabelle sind sehr gering.
ran: War die Champions-League-Teilnahme also mehr Fluch als Segen?
Karazor: Das war natürlich ein Segen! Das war etwas Krasses! Jeder Fußballer will einmal in der Champions League spielen. Und wir haben das erlebt. Die ganze Region hat davon profitiert - auch wenn wir unglücklich nach der Ligaphase ausgeschieden sind. Es war von Anfang an abzusehen, dass es herausfordernd für uns wird und dass es sein kann, dass unsere Leistungen auch mal ein wenig schwanken können. Trotzdem finde ich, dass wir als Mannschaft die Belastung so gut abgefangen haben. Ich würde niemals sagen, dass die Champions League ein Fluch war. Dieser Anreiz, auch nächste Saison wieder in der Champions League zu spielen, ist definitiv da.
Champions-League-Hymne? "Meine Lieblingsmusik"
ran: Wie war es für Sie, das erste Mal auf dem Rasen die Champions-League-Hymne zu hören?
Karazor: Das war meine Lieblingsmusik. Das erste Mal war auch noch im Bernabeu gegen Real Madrid. Früher habe ich geglaubt, man hört die Hymne auf dem Platz am lautesten. Dabei ist die Musik auf dem Rasen so leise. Trotzdem war es ein absoluter Gänsehaut-Moment.
ran: Sie haben erst im vergangenen Sommer Ihren Vertrag beim VfB Stuttgart langfristig verlängert. Warum? Sie hatten ja auch Angebote aus England zum Beispiel.
Karazor: Nach meiner Vertragsverlängerung wurde ich zum Kapitän ernannt. Das hat auch die Beziehung zwischen mir und dem Verein widergespiegelt. Als Außenstehender würde ich das als charmant bezeichnen: Ich verlängere meinen Vertrag, gebe eine Liebeserklärung ab und werde dann zum Kapitän einer so geilen Mannschaft ernannt. Ich verbinde einfach sehr viel mit dem VfB und den Jungs im Team.
ran: Kann man sich bei Ihnen darauf verlassen, dass Sie bei diesen Bekenntnissen so lange wie möglich beim Verein bleiben und nicht im kommenden Sommer abhauen?
Karazor: Ich mache auf jeden Fall kein Geheimnis daraus, dass ich den Verein liebe. Ich weiß, was ich diesem Klub zu verdanken habe. Ich bin ein sehr dankbarer Mensch. Diese Dankbarkeit versuche ich, so lange es geht zurückzugeben. So lange alles passt - hinter und vor den Kulissen -, kann ich mir natürlich vorstellen, sehr lange beim VfB zu bleiben.
ran: Als Kapitän kennen Sie Ihre Teamkollegen bestens. Deniz Undav kam mit der Mülltüte als Taschen-Ersatz zur deutschen Nationalmannschaft. Er betont stets seine Bodenständigkeit. Dann wiederum sieht man ein Foto, das seinen neuen Rolls-Royce zeigt. Wie passt das zusammen?
Karazor: Ich kann Ihnen eines garantieren: Ich habe noch nie einen so authentischen Fußballer wie Deniz gesehen. Ich sage das nicht nur, weil er mein Homie ist. Deniz ist immer geradeaus. Er weiß im Endeffekt selbst, warum er sich eine teure Uhr holt oder warum er mit einem Müllsack zum Treffen kommt. Aber jeder, der ihn kennt, weiß, dass der Junge sein Herz am rechten Fleck und auch etwas im Kopf hat. Mir ist der Mensch einfach wichtig. Wenn die Leistung auf dem Platz dazu noch stimmt, ist es umso schöner. Und wenn er sich etwas gönnen möchte, finde ich das auch in Ordnung.
Karazor: "Hoeneß lässt sich nicht beirren"
ran: Trainer Sebastian Hoeneß schätzen Sie auch sehr. Nun gibt es wieder intensivere Leipzig-Gerüchte um ihn. Was zeichnet ihn aus und wie hart würde die Mannschaft sein Abgang treffen?
Karazor: Als Kapitän bin ich natürlich viel in Kontakt mit dem Coach. Er ist sehr gelassen, der Trainer ist einer, der weiß, worauf es ankommt. Er lässt sich nicht beirren. Er ist einer, der zielstrebig arbeitet. Das sieht man ganz klar. Er ist immer bodenständig. So würde ich den Trainer beschreiben. Man kann im Fußball nie mit Sicherheit sagen, was passiert. Aber als Kapitän und Stimme der Mannschaft kann ich sagen, dass wir uns alle wünschen, dass der Trainer noch lange bei uns bleibt. Er weiß ja auch, was er an uns hat. Ich bin der Meinung, dass wir als Mannschaft vieles von dem gut umsetzen, was er verlangt. Er gibt uns die nötigen Dinge, die wir brauchen, um so zu performen.
ran: Was sind Ihre großen Karriereziele?
Karazor: Mein großes Ziel ist es, so oft wie möglich auf der ganz großen Bühne zu stehen. Damit meine ich nicht nur die Champions League, sondern auch die Bundesliga. Ein richtig geiles Spiel war auch der Supercup zu Saisonbeginn. Solche Partien machen einfach Spaß. Die sind der Grund, warum man anfängt mit Fußball. Mittlerweile bin ich fast süchtig danach, auf der größtmöglichen Bühne zu spielen.
ran: Abschließend noch zu Ihrer Gaming-Leidenschaft: Das Rating der eigenen Person bei FIFA ist immer spannend für Fußball-Profis. Wie zufrieden sind Sie damit?
Karazor: Ich glaube, ich habe auf dem Spiel ein 75er-Rating aktuell. Ich habe das Gefühl, dass ich ein bisschen schlechter wegkomme als in Realität. Ich will mich gar nicht beklagen. Aber trotz allem würde ich mir wünschen, dass auch von mir mal eine geile Karte rauskommt. Die sollte auf jeden Fall ein bisschen mehr als Tempo 48 haben. Das ist echt hart, Alter. Man kann ja gar nicht mit diesem Karazor spielen… Wenn den Gerard Piqué auf einmal überholt, dann weiß man, was los ist. (lacht) Das ist aber Jammern auf hohem Niveau. Selbst, wenn ich Bronze-Spieler wäre, würde ich trotzdem immer FIFA spielen.