Borussia Dortmund - Das ist die CL-Saison des BVB: Jetzt ist auch der Titel drin – ein Kommentar
Aktualisiert: 18.04.2024
11:07 Uhr
Andreas Reiners
Borussia Dortmund setzt die magischen CL-Nächte auch im Viertelfinale fort, zeigt in der Königsklasse weiter ein besonderes Gesicht. Jetzt ist auch der Titel möglich. Ein Kommentar.
Julian Brandt grinste. Dann musste er lachen. Und dann war er sprachlos.
Ja, diese Champions-League-Saison des BVB wird ein bisschen zum Running Gag. Denn die Diskrepanz zwischen Königsklasse und Bundesliga ist frappierend. Immer noch.
Während die Dortmunder in der Liga als Fünfter um das Ticket für die kommende Spielzeit bangen müssen, immer wieder stolpern, enttäuschen, Rückschläge hinnehmen müssen, konstant inkonstant sind, zelebrieren sie sich förmlich durch Europas Beletage.
Brandt war deshalb ehrlich, als nach dem 4:2 gegen Atletico Madrid und dem damit verbundenen Halbfinal-Einzug zum x-ten Mal die Frage kam, warum der BVB an den besonderen Tagen in der Champions League ein so anderes Gesicht zeigt als im Alltag der Bundesliga.
"Ich habe keine Antwort auf die Frage", sagte Brandt.
"Ich suche selbst. Manchmal sind die Sachen auch nicht zu erklären. Aber ich bin zumindest froh, dass es in der Champions-League-Saison so ist, dass wir unser gutes Gesicht zeigen", sagte der Mittelfeldmann, der gegen die Spanier sein erstes K.o.-Rundentor in der Champions League erzielt hatte.
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Diskrepanz zwischen Liga und CL groß
Brandt trifft es: Tatsächlich ist dieser Unterschied schwer nachzuvollziehen.
Zwei Siege gegen Newcastle, ein 3:1 bei der AC Mailand, ein 1:1 gegen PSG, ein 2:0 gegen die PSV Eindhoven, jetzt das 4:2 – die Dortmunder wissen, wie man die Feste zu feiern hat. Nur zwei Niederlagen – zum Auftakt in Paris und zuletzt in Madrid – setzte es in dieser Saison in der Champions League, und der BVB lässt sich seit der Gruppenphase von etwas tragen, das nicht so wirklich zu greifen ist.
Denn es ist nicht so, als spiele man die Gegner reihenweise an die Wand und aus dem Stadion, als brenne man ein Feuerwerk nach dem anderen ab. Vielmehr hat der BVB einen speziellen Spirit entwickelt, einen Lauf, einen Glauben daran, dass Großes möglich ist.
Als schaffe man es, sich für diese Abende zusammenzureißen, an einem Strang zu ziehen, auf den Punkt bereit und konzentriert zu sein. Als Mannschaft. Nicht ohne die bekannten Aussetzer einzustreuen. Dass das Stadion auch in diesem Wettbewerb noch ein paar Prozente mehr bringt als Samstags um 15:30 Uhr, ist ebenfalls nicht von der Hand zu weisen.
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BVB in der Champions League: Ein wilder Ritt
Atletico war nach dem 0:2 zur Pause angeschlagen, schlug per Doppelpack kurz nach dem Seitenwechsel brutal zurück, nur um dann per Doppelschlag selbst K.o. zu gehen.
Mentalität. Kampf. Lust. Leidenschaft. Emotionen. Die gelbe Wand. Eine Prise Magie. Ein wilder Ritt, wie schon die ganze Spielzeit, denn es ist die Champions-League-Saison des BVB.
"Diese Emotionen zu fühlen, die glücklichen Gesichter zu sehen nach einer durchwachsenen Saison, das macht extrem Spaß. Es macht süchtig, den Leuten ein gutes Gefühl zu geben", sagte Brandt.
Borussia Dortmund vs. Atletico Madrid: Die Noten aller Stars
Borussia Dortmund gegen Atletico Madrid - die Noten aller Spieler Borussia Dortmund geht im Rückspiel des Viertelfinals in der Champions League gegen Atletico Madrid durch ein Wellenbad der Gefühle. Beim 4:2 ragt ein Ex-Bayer heraus. Die ran-Noten.
Gregor Kobel (Borussia Dortmund) Bekommt nicht viel auf das Tor in den ersten 45 Minuten. Was kommt, fängt er sicher. Ist unter dem Strich gegen offensiv durchaus gefällige Gäste solide, kann an den Gegentoren nichts machen. ran-Note: 3
Julian Ryerson (Borussia Dortmund) Hält gegen unangenehme Spanier mit viel Mentalität dagegen, defensiv in Ordnung, dafür offensiv nicht ganz so zwingend, schaltet sich vergleichsweise selten vorne mit Flanken ein. ran-Note: 3
Mats Hummels (Borussia Dortmund) Hat durchaus seine Wackler, dafür aber auch seine elegante Außenrist-Vorlage auf Brandt, die der zum 1:0 vollendet. Insgesamt souveräner Auftritt in der Defensive. Bitter allerdings das Eigentor zum zwischenzeitlichen 1:2. ran-Note: 3
Nico Schlotterbeck (Borussia Dortmund) Giftig und konsequent in den Zweikämpfen, auf der Höhe und nicht aus der Ruhe zu bringen, auch gegen unbequeme Spanier nicht. Ist diesmal der Fels in der Brandung, grätscht jede Menge weg. ran-Note: 2
Ian Maatsen (Borussia Dortmund) Auf der linken Seite zunächst defensiv gefordert, dazu offensiv eher unauffällig. Stark dann aber sein Treffer zum 2:0 per Flachschuss. Bleibt danach aber im Spiel nach vorne zurückhaltend. Defensiv standfest. ran-Note: 3
Emre Can (Borussia Dortmund) Braucht ein bisschen, um sich in die Partie zu beißen. Hat im Spiel nach vorne gute Ideen, baut dafür in der Rückwärtsbewegung hin und wieder Nachlässigkeiten ein. Hält gut dagegen, als das gefordert ist. Verlässlich. ran-Note: 3
Marcel Sabitzer (Borussia Dortmund) Vernachlässigt die defensive Schaltzentrale in den ersten 30 Minuten das eine oder andere Mal, lässt so deutliche Lücken entstehen. Ist aber offensiv ganz stark unterwegs, bereitet zwei Tore vor und macht eine Hütte selbst. Und macht so an diesem Abend den Unterschied. ran-Note: 1
Julian Brandt (Borussia Dortmund) Starke erste Hälfte. Ist viel in Bewegung, immer anspielbar und gefährlich. Belohnt sich mit dem 1:0 durch seinen satten Schuss, bei dem er auch ein wenig das Glück des Tüchtigen hat. Auch in den zweiten 45 Minuten einer der Aktivposten. ran-Note: 2
Karim Adeyemi (Borussia Dortmund) Seine Schnelligkeit wird immer wieder gesucht. Ist gefährlich, wenn er tatsächlich ans Laufen kommt, hat gute Ideen. Lässt nach dem Seitenwechsel nach, kommt offensiv nicht mehr so zum Zug. Geht in der 66. Minute runter. ran-Note: 4
Jadon Sancho (Borussia Dortmund) Soll das BVB-Spiel gegen die Defensiv-Spezialisten aus Madrid kreativ ankurbeln, was ihm aber nicht allzu oft gelingt. Agiert oft glücklos, dribbelt sich fest, bleibt blass. Sucht auch in Halbzeit zwei die Eins-gegen-Eins-Duelle, kann sich aber kaum durchsetzen. Wird in der Schlussphase ausgewechselt. ran-Note: 4
Niclas Füllkrug (Borussia Dortmund) Zuletzt nicht in Form und auch gegen Atletico zunächst mit wenigen Szenen. Verlangsamt Konter hin und wieder sogar, wirkt verunsichert. Ist deshalb auch kaum ein Faktor. Bis zu seinem sehenswerten Kopfballtreffer zum 3:2. Echte Knipser-Manier. Verpasst dafür später das 5:2 aus guter Position. ran-Note: 3
Jan Oblak (Atletico Madrid) Muss in der ersten halben Stunde kaum eingreifen. Sieht beim 0:1 in der 34. Minute nicht gut aus, als er aus spitzem Winkel von Brandt getunnelt wird. Auch in der Folge mit der ein oder anderen suboptimalen Abwehr. Hätte früher womöglich das ein oder andere Gegentor gehalten. ran-Note: 4
Axel Witsel (Atletico Madrid) Gibt den rechten Mann in der Dreierkette, hat dort alle Hände voll zu tun. Nahezu alle BVB-Angriffe laufen über seine Seite. Klärt einige Male solide, ehe er beim 1:0 wie die gesamte Abwehrreihe zum Statisten wird. Macht durch einen Stellungsfehler die Lücke für Maatsen zum 2:0 für Dortmund auf. Auch danach ohne Sicherheit und Stabilität. ran-Note: 5
Jose Maria Gimenez (Atletico Madrid) Gewohnt aggressiv in Zweikämpfen, die er auch anfangs für sich entscheidet. Seine Pässe aber sind zu ungenau. Erlaubt sich zu viele leichte Fehler. Beim 1:0 zum Zuschauen verdammt. Verliert das Kopfballduell mit Füllkrug, der zum 3:2 trifft. ran-Note: 4
Mario Hermoso (Atletico Madrid) Taucht in der Anfangsphase fast ab. Einzelne Offensiv-Aktionen verlaufen im Sande oder leiten im schlechtesten Fall einen BVB-Konter ein. Beim ersten Gegentor wie Witsel und Gimenez nur Zuschauer. Zwingt Hummels per Kopfballvorlage zum unglücklichen Eigentor. Trotzdem kein gutes Spiel. ran-Note: 4
Nahuel Molina (Atletico Madrid) Der fleißigste Atletico-Profi mit den meisten Ballkontakten in der ersten Halbzeit. Das liegt aber auch daran, dass über seine rechte Seite die Gegentore fallen. Ist gegen den giftigen Adeyemi immer zweiter Sieger. Muss in der Pause für Barrios runter. ran-Note: 5
Cesar Azpilicueta (Atletico Madrid) Im Hinspiel noch Teil der Dreierkette, agiert er jetzt auf der rechten Außenbahn. Ist offensiv zu ungefährlich. Sieht gegen Sancho und Adeyemi häufig alt aus. Glänzt nur mit einer Grätsche in der Anfangsphase. Kassiert früh gelb, weshalb er in der Halbzeit ausgewechselt wird. ran-Note: 4
Marcos Llorente (Atletico Madrid) Keine gute erste Halbzeit. Leistet sich zu viele Fehlpässe, leitet damit auch Konter ein, die aber keine Konsequenzen haben. Auch in Zweikämpfen nicht so bissig. Setzt nur selten die offensiven Kollegen in Szene. ran-Note: 4
Koke (Atletico Madrid) Sehr aktiv im Mittelfeld, zweikampfstark und manchmal nur durch Foul zu stoppen. Effektives kommt in Hälfte eins nicht heraus. Kann Maatsen beim 2:0 nicht aufhalten. Nach der Pause mit viel Platz und einem absoluten Traumpass in die Spitze auf Correa, der aber verzieht. Kann Sabitzers Abschluss zum 4:2 nicht verhindern. ran-Note: 3
Rodrigo de Paul (Atletico Madrid) Testet Kobel gleich in der 6. Minute. Liefert sich immer wieder ein Duell mit Sancho. Beweist mehrmals ein gutes Auge und ein feines Füßchen bei seinen Hereingaben. Bereitet mit seiner Flanke das 2:2 durch Correa ein. Taucht danach aber ziemlich ab und macht kurz vor Schluss Platz für Saul. ran-Note: 3
Antoine Griezmann (Atletico Madrid) Braucht 20 Minuten bis er ins Spiel findet. Dann aber mit gewohnt gutem Stellungs- und Passspiel. Nutzt seinen Platz im Mittelfeld und setzt mit starken Pässen in die Spitze vereinzelt Nadelstiche. Vor dem Tor aber ungefährlich. ran-Note: 3
Alvaro Morata (Atletico Madrid) Ist viel unterwegs und bekommt gerade bei Kontern gute Möglichkeiten, die er nicht für sich nutzen kann. Stürmt in der 5. Minute nahezu allein auf Kobel zu, setzt den Ball aber daneben. Die vergebene Großchance ist sinnbildlich für sein kleines Formtief. Muss in der Halbzeit für Correa weichen. ran-Note: 4
Pablo Barrios (Atletico Madrid) Wird in der Halbzeit für den schwachen Molina eingewechselt. Gewinnt seine Zweikämpfe und bringt Schwung ins Spiel, kann aber die entscheidende Flanke zum 3:2 für Borussia Dortmund nicht verhindern. ran-Note: 3
Rodrigo Riquelme (Atletico Madrid) Kommt in der Halbzeit für Azpilicueta und macht auf dem Flügel nun richtig Wirbel. Entscheidet auch die Zweikämpfe für sich. Belebt das Atletico-Spiel sichtlich und hat großen Anteil an der Aufholjagd. ran-Note: 2
Angel Correa (Atletico Madrid) Kommt in der Halbzeit für den glücklosen Morata und setzt gleich Duftmarken. Hat in der 57. Minute nach Traumpass von Koke den Ausgleich bei einem Hundertprozenter auf dem Fuß und verzieht. Bejubelt aber wenig später durch starkes Nachsetzen seinen Treffer zum 2:2. ran-Note: 2
Saul Niguez (Atletico Madrid) Kommt in der 84. Minute für den müden de Paul. Kann das Ruder auch nicht mehr herumreißen. ran-Note: ohne Bewertung
Was die Dortmunder in Liga und Pokal längst verspielt haben, holen sie sich in 90 Minuten Königsklasse zurück. Eine Art regelmäßiger Versöhnung mit einer doch arg verkorksten Saison. Und als Erinnerung, was theoretisch möglich gewesen wäre. Schließlich ist ein Einzug in das Halbfinale längst kein Zufall mehr, sondern unter dem Strich hochverdient, wenn auch garniert mit ein wenig Losglück. Es ist aber ein Beweis dafür, dass die Qualität grundsätzlich da ist. Warum das nicht konstant über Wochen und Monate Spieltag für Spieltag in der Liga abrufbar ist, ist das Rätsel, das es für die kommende Saison zu lösen gilt.
Solange genießt der BVB das Hier und Jetzt.
"Wenn man überlegt, wie wir durch diese Gruppenphase durchmarschiert sind, wie wir die letzten Spiele angegangen sind, wie wir die Gegner geschlagen haben, dann zeigt das, dass die Mannschaft unglaublich viel Qualität hat", sagte Sportdirektor Sebastian Kehl: "Das zeigt auch, dass sie zusammengewachsen ist, dass sie reifer geworden ist und dass wir uns auch entwickelt haben." Man gehöre in diesen Wettbewerb, sagte er: "Wir wollen auch nächstes Jahr dabei sein."
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BVB: Im Halbfinale wartet PSG
Ein Weg: der Triumph in der aktuellen Saison.
Gegner im Halbfinale ist PSG, das man aus der Gruppenphase kennt. Im Finale könnte Gigant Manchester City warten. Oder die Königlichen von Real Madrid. Der FC Arsenal. Oder gar die Bayern, in London, als Neuauflage des Finales von 2013 womöglich. Doch das ist im Grunde völlig egal. Denn es ist die CL-Saison des BVB, der zu den besten vier Teams Europas gehört, und der Titel ist greifbar.
Auch wenn das nüchtern betrachtet vielleicht nicht ganz einfach zu erklären ist.