Diese Baustellen muss Kompany angehen
FC Bayern München: Vincent Kompany muss schnell den Turnaround schaffen
- Aktualisiert: 19.02.2025
- 14:19 Uhr
- Martin Volkmar
Nach dem mühsamen und glücklichen Weiterkommen in der Champions League ist vor allem Vincent Kompany gefordert. Sonst droht ein böses Erwachen aus den Titelträumen.
Vom FC Bayern berichtet Martin Volkmar
Fast exakt 94 Minuten waren gespielt, das Ende der angezeigten Nachspielzeit also erreicht, als die Allianz Arena förmlich erbebte.
Alphonso Davies drückte den Ball mit letzter Energie zum 1:1-Ausgleich ins Netz von "Krake" Kasper Schmeichel - der FC Bayern hatte es gegen Celtic Glasgow in letzter Sekunde doch noch ins Champions-League-Achtelfinale geschafft.
Doch der tosende Jubel hing bei vielen auch mit der großen Erleichterung zusammen.
Über den gerade noch abgewendeten "Erfrierungstod" in der Münchner Eistruhe im Falle einer Verlängerung.
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Und über die gerade noch verhinderte Blamage gegen den Außenseiter aus Schottland, so dass die Fans weiter vom "Finale dahoam" träumen dürfen.
"Die Erleichterung über das Weiterkommen überwiegt", gab auch Manuel Neuer zu.
Das Wichtigste in Kürze
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Offensichtlich wurde allerdings auch, dass die Bayern ihr Momentum aus der Hinrunde verloren haben und in dieser Verfassung kaum die nächste Runde gegen Atletico Madrid oder Bayer Leverkusen überstehen dürften.
"Heute sind sie noch mit einem blauen Auge davongekommen, auch am Samstag", analysierte Ex-Nationalspieler Dietmar Hamann bei "Sky Austria":
"Das wird aber nicht lange gutgehen. Wenn sie so weitermachen, gehen sie sehenden Auges ins Achtelfinale und dann wird Schluss sein."
Die entscheidende Frage wird nun sein, welche Konsequenzen der FCB aus den beiden schwachen Auftritten gegen Leverkusen (0:0) und Celtic mit Blick auf die kommenden Wochen ziehen wird.
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"Wir werden hier nicht sitzen und sagen, wir sind in Topform und alles ist fantastisch. Das ist im Moment nicht so. Wir tun uns schwer", sagte Max Eberl.
"Aber wir sind eine Runde weiter, das ist das Wichtigste. Und wir haben Leverkusen in der Bundesliga auf Distanz gehalten. Das war das Zweitwichtigste."
Die offensichtliche Formdelle seit der Rückrunde lässt sich aber auch mit dem Verweis auf die Fakten nicht wegdiskutieren.
"Souverän ist anders", gab der von Kompany erst für die letzten Sekunden gebrachte Thomas Müller zu.
Unklar ist jedenfalls nach den jüngsten Entwicklungen, ob der zu Beginn als "Glücksfall" gefeierte Trainer die Probleme schnellstmöglich wieder in den Griff bekommt.
FC Bayern: Kompanys Rechtfertigungen
Seine Erklärungen hörten sich jedenfalls auffällig nach Rechtfertigungen an.
"Wir haben in sechs Tagen viel Energie gelassen. Aber wir sind acht Punkte in der Liga vorne und in der Champions League eine Runde weiter", erklärte der Chefcoach am Dienstagabend:
"Natürlich wollen wir immer, dass der Unterschied zum Gegner groß ist. Aber wenn nicht, muss man sich die Ergebnisse eben erarbeiten."
Das sind momentan Kompanys größte Baustellen, die der Belgier angehen muss:
Baustelle 1: Überlastung
Fast jeder Bayern-Akteur verwies auf die stressigen Reisen nach Glasgow und Leverkusen.
"Wenn man drei Spiele in sechs Tagen hat, gegen gute Gegner, zwei davon auswärts, dann ist das eine Belastung, der man Tribut zollt", meinte auch der angeschlagen ausgewechselte Harry Kane.
Doch abgesehen davon, dass sich die Münchner diese Strapazen durch die leichtfertig verspielte direkte Qualifikation fürs Achtelfinale selbst eingebrockt haben:
Ein internationales Topteam mit einem nach wie vor breiten und gut budgetierten Kader müsste die Doppelbelastung auffangen können.
Doch auf einige Leistungsträger wie Joshua Kimmich, der bislang jede (!) Pflichtspielminute auf dem Platz stand, kann und will Kompany nicht verzichten.
Weil er entweder Nachrückern wie den in der Winterpause verliehenen Youngstern Mathys Tel, Arijon Ibrahimovic und Adam Aznou oder Kane-Backup Gabriel Vidovic nicht vertraut.
Oder weil zahlreiche Ersatzleute wie Raphael Guerreiro, Sacha Boey, Josip Stanisic oder Serge Gnabry zu schwankende bis schlechte Leistungen zeigen, wenn sie gefordert sind.
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Baustelle 2: Defensive Patzer
Celtics Großchancen, die die Bayern jedes Mal durch unnötige Ballverluste in der Vorwärtsbewegung und schlechtes Zweikampfverhalten ermöglichten, standen exemplarisch für die nach wie vor wackelige Defensive.
Nicolas Kühns Führungstreffer (63.) gingen gleich drei Patzer voraus und auch beim 0:0 in Leverkusen ließ der FCB fünf Riesenmöglichkeiten zu.
Während die Stamm-Innenverteidigung mit Dayot Upamecano und Minjae Kim weiterhin immer für einen Aussetzer gut ist, sind die auf höchstem Niveau deutlich abfallenden Außenverteidiger die größte Problemzone.
Baustelle 3: Offensive Harmlosigkeit
Im Gegensatz zu den zahlreichen Kantersiegen in der Hinrunde ist im neuen Jahr der Wurm drin, meistens quälte sich der Rekordmeister zu knappen Siegen und zuletzt ging nach vorne fast gar nichts mehr.
"Sie haben statisch gespielt, keine Bewegung, keine Spielfreude, kein Spielwitz. Sie hatten zwar die ein oder andere Halbchance, aber man hatte nie das Gefühl, dass sie ein Tor machen", sagte Hamann.
Kane widersprach dem nicht. "Mit Ball war es etwas zu schlampig, zu viele Fehler, dafür wurden wir bestraft. Und ohne Ball hat die Intensität und das Gegenpressing etwas abgenommen", gab der Engländer zu:
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"Es ist nicht so, dass wir nicht wollen. Es ist manchmal ein Mix aus verschiedenen Dingen, wir müssen schnell die richtigen Lösungen finden."
Die fehlende Durchschlagskraft liegt vor allem daran, dass von den hoch bezahlten Verkaufskandidaten Leroy Sane, Kingsley Coman und Serge Gnabry insgesamt viel zu wenig kommt.
Und Jamal Musiala ist aktuell ebenfalls weit von seiner Topform des vergangenen Jahres entfernt, in den letzten beiden Partien gelang ihm fast nichts.
"Du darfst ihn natürlich nicht nur am heutigen Spiel messen, aber der hat die letzten Wochen und Monate nicht gut gespielt", meinte Hamann.
Baustelle 4: Kane-Abhängigkeit
Auch wenn der Torjäger zuletzt mehr vom Elfmeterpunkt als aus dem Spiel traf: Für Bayern ist er als einziger Mittelstürmer unersetzbar.
Nach seiner Auswechslung gegen Celtic war die Sturmspitze komplett verwaist, weil kein Spieler im Kader (abgesehen von Vidovic) das Format dafür hat - zumal Kompany Müller offenbar nicht als Alternative sieht.
"Du bezahlst diese Gehälter, hast aber niemanden, wenn die Nummer neun ausfällt. Das kann natürlich auch nicht sein", legte Hamann den Finger in die Wunde.
Daher sind die Sorgen groß, wie lange der an der Wade und offenbar auch am Knöchel angeschlagene Kane ausfallen wird.
Die Bayern gaben am Mittwoch lediglich bekannt, dass der Engländer wegen einer Einblutung in der Wade "in den kommenden Tagen kürzertreten" müsse.
Ein Einsatz am Sonntag gegen Frankfurt und auch am Freitag danach gegen Stuttgart ist also fraglich.
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Baustelle 5: Formkrise zur Unzeit
Ausgerechnet in den nun anstehenden wichtigsten Wochen der Saison hängen die Münchner im Leistungsloch und können fußballerisch nicht mehr überzeugen.
"Wir haben vorher schon gesagt, dass das wichtige Monate mit vielen Spielen im Januar und Februar werden", gestand Kompany, der daher spätestens bis zum Achtelfinale gegen Leverkusen oder Atletico den Turnaround schaffen muss.
Immerhin sahen zwei Routiniers auch Positives. Diesmal habe man trotz Rückstand nicht den Kopf verloren, meinte Kimmich: "Das war in der Vergangenheit schon wilder."
"Wir haben in dieser Saison lange Zeit super Fußball gespielt. Aber in den letzten sechs Tagen ging es einzig darum, Ergebnisse zu erzielen. Das haben wir geschafft", ergänzte Goretzka:
"Das sind die wichtigen Momente in einer Saison, wenn man nicht die Sterne vom Himmel spielt und trotzdem Ergebnisse liefert und durchkommt."
Ob das allerdings gegen wesentlich bessere Gegner reicht, daran sind die Zweifel deutlich gewachsen.