Champions League
FC Bayern vs. Bayer Leverkusen: Der neue deutsche Clasico nimmt immer mehr Konturen an - ein Kommentar
- Veröffentlicht: 21.02.2025
- 16:24 Uhr
- Chris Lugert
Über Jahre trugen der FC Bayern und Borussia Dortmund den deutschen Clasico gegeneinander aus. Doch die Rivalität mit Bayer Leverkusen läuft dem BVB allmählich den Rang ab. Ein Kommentar.
Von Chris Lugert
Zumindest rein quantitativ ist die Sache klar. Bayern München gegen Bayer Leverkusen - das ist der neue deutsche Clasico. Oder Klassiker. Oder wie auch immer gewiefte Marketingstrategen es nennen wollen.
Nach den beiden Spielen im Achtelfinale der Champions League im März werden sich die beiden Teams in der laufenden Saison bereits fünfmal getroffen haben. So etwas gab es selbst auf dem Höhepunkt der Rivalität zwischen den Bayern und Borussia Dortmund Anfang und Mitte des vergangenen Jahrzehnts nur einmal.
In der Saison 2012/13 gab es nach dem Supercup zu Saisonbeginn noch die beiden Bundesligaduelle, außerdem das Aufeinandertreffen im Pokal-Viertelfinale und als krönenden Abschluss der Saison schließlich das Champions-League-Finale.
Wenn sich Mannschaften derart oft gegenüberstehen, bildet sich automatisch eine gewisse Rivalität. Ist die Bedeutung der Spiele dann noch außergewöhnlich hoch, kann daraus ein historisches Duell werden, das Generationen überdauert.
Denn das zeichnete die Bayern und den BVB über viele Jahre aus. Beide Klubs verbindet nicht nur eine lange gemeinsame Historie, sondern sie wetteiferten in teils emotionsgeladenen Spielen um Ruhm, Glanz und Titel.
Das Wichtigste in Kürze
Der BVB forderte in den 1990er-Jahren die Vormachtstellung der Bayern im deutschen Fußball heraus, wurde 1995 und 1996 Meister und gewann ein Jahr später ausgerechnet in München die Champions League. Wiederum eine Saison danach warf der BVB die Bayern sogar im direkten Duell im Viertelfinale aus der Königsklasse.
Leverkusen stößt in BVB-Lücke
Die Misswirtschaft der BVB-Bosse rund um die Jahrtausendwende und die daraus resultierende Beinahe-Insolvenz des Klubs ließ diese Rivalität etwas einschlafen, ehe die Ära um Jürgen Klopp sie zu neuem Leben erweckte. Plötzlich waren die Dortmunder wieder kurz davor, Bayern abzulösen.
Doch wie vor gut 25 Jahren ist der BVB aktuell erneut abgetaucht, echtes Clasico-Feeling kommt nicht mehr auf, wenn sich Dortmund und Bayern gegenüberstehen. Ja, man will gewinnen - aber sportlich relevant sind die Partien aktuell selten. Zudem war der BVB in jüngster Vergangenheit allzu oft völlig chancenlos.
In diese Lücke stößt Leverkusen jetzt mit aller brachialer Gewalt rein. Allein die Tatsache, als erster deutscher Klub ungeschlagen Meister geworden zu sein, war ein Statement. Selbst wenn es den Bayern irgendwann auch gelingen sollte - Leverkusen hat es zuerst geschafft. Das kann ihnen niemand mehr nehmen.
Seit der vergangenen Saison nimmt die Werkself jene Rolle ein, die früher der BVB innehatte. Sie rütteln am Thron der Bayern, nerven sie mit teils völlig unbekümmerten und sogar dominanten Auftritten und gewinnen die Titel, die der Branchenprimus aus München für sich beansprucht.
Natürlich wird es jetzt den Einwand geben: Aber das ist doch erst ein Jahr, das hat doch nichts mit gewachsener Rivalität zu tun! Diejenigen seien an die Saison 1999/2000 und das irre Saisonfinale erinnert, als die Bayern am letzten Spieltag Leverkusen die Schale noch entrissen. Oder an die legendäre Rivalität zwischen Uli Hoeneß und Christoph Daum, die Letzteren sogar das Amt des Bundestrainers kostete.
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Auch Bayern und Leverkusen hatten in der Vergangenheit schon legendäre Momente, die aber eher vereinzelt statt gesammelt auftraten und deshalb heute unterschätzt werden. Nicht umsonst kauften die Münchner rund um die Jahrtausendwende gefühlt den halben Leverkusener Kader leer.
Was der Hauptgrund dafür war, dass es Bayer trotz Unterstützung des Chemie-Giganten nie gelang, Bayern dauerhaft herauszufordern. Doch genau das scheint sich jetzt zu ändern.
Leverkusen will Bayern dauerhaft ärgern
Leverkusen ist gekommen, um zu bleiben. Seit Xabi Alonso Trainer am Rhein ist, konnten die Bayern kein Pflichtspiel gegen den Kontrahenten mehr gewinnen. Gleich das erste Duell mit dem Spanier erschütterte die Bayern-Welt derart, dass danach Julian Nagelsmann in einer Hauruckaktion gefeuert wurde. Diese Entscheidung hallt bis heute nach.
Natürlich hängt Leverkusen aktuell vor allem an zwei Personalien: Alonso - und Florian Wirtz. Sollten beide irgendwann gehen, könnte es mit der jüngst entstandenen Rivalität auch ganz schnell wieder zu Ende gehen. So wie es beim BVB einst nach Ottmar Hitzfeld und Klopp auch war.
Doch der Klub wirkt inzwischen so stark in allen Bereichen, dass selbst diese beiden Figuren ersetzt werden könnten. Leverkusen ist auf einer neuen Ebene angekommen und will dauerhaft um Titel mitspielen. Und dafür müssen sie zwangsläufig an den Bayern vorbei. Weitere Duelle sind vorprogrammiert.
So wie jetzt auch in der Champions League. Erstmals überhaupt stehen sich die beiden Klubs in der Königsklasse gegenüber. In diesem Jahr findet das Finale in München statt, zusätzliche Brisanz erhält das Duell durch die jüngste spielerische Demonstration der Stärke, die Leverkusen gegen Bayern auf den Platz brachte.
Man stelle sich vor, Bayer wirft die Münchner aus der Champions League und zerstört deren Traum vom "Finale dahoam". Es wäre ein Erdbeben im deutschen Fußball. Spätestens dann wäre das Duell dieser beiden Mannschaften nicht nur aufgrund der Anzahl der Spiele, sondern auch emotional der neue deutsche Clasico.