Champions League
Schachtar Donezk ist bereits jetzt Champions-League-Sieger der Herzen - ein Kommentar
- Aktualisiert: 08.11.2023
- 10:22 Uhr
- Oliver Jensen
Schachtar Donezk hat sich mit dem 1:0 gegen den FC Barcelona nicht nur drei Punkte gesichert, sondern auch ein wichtiges Zeichen gesetzt und viele Herzen gewonnen.
aus Hamburg berichtet Oliver Jensen
Die Stimmung im Volksparkstadion war zunächst eher verhalten. 49.147 Zuschauer sorgten zwar für gut gefüllte Ränge, aber nicht unbedingt für eine tolle Atmosphäre. Eher regungslos verfolgten die überwiegend deutschen Zuschauer die Partie.
Dies änderte sich schlagartig, als Danylo Sikan in der 40. Minute Schachtar Donezk gegen den FC Barcelona in Führung brachte.
Plötzlich wurde dem Publikum bewusst, was hier passiert: Eine Mannschaft aus dem Kriegsgebiet Ukraine, wo man praktisch jeden Augenblick mit dem Einschlag von Raketen rechnen muss, bezwingt den spanischen Meister.
Als das Spiel sich dem Ende zuneigte, nur noch wenige Minuten Spielzeit auf der Uhr waren, kam Gänsehaut-Stimmung auf. "Ole, ole", sangen die Zuschauer genauso lautstark wie bei den Heimspielen des Hamburger SV.
Die Spieler und Trainer haben sich dies verdient: Berücksichtigt man die Bedingungen, unter denen sie den FC Barcelona bezwangen, sind sie bereits jetzt der Champions-League-Sieger der Herzen.
Das Wichtigste in Kürze
Ein Verein ohne Heimat
Die Mannschaft ist praktisch heimatlos. Wegen russischer Aggressionen können sie bereits seit dem Jahre 2014 nicht mehr in Donezk spielen. Sie trainieren mal ein paar Tage in Kiew, dann mal wieder ein paar Tage in Lwiw.
Die Familien der Spieler und Mitarbeiter leben in verschiedenen Städten bzw. vielfach auch im Ausland. Einige Freunde und Angehörige kämpfen an der Front. Der Bruder von Torwart Dmytro Riznyk, der Barcelona mit starken Reflexen regelrecht zur Verzweiflung brachte, ist im Krieg gefallen.
Selbst auf dem Fußballplatz ist niemand sicher. Die Spiele der ukrainischen Liga, die ohne Publikum ausgetragen werden, müssen teilweise wegen Raketen-Alarm unterbrochen werden.
Externer Inhalt
Zehn Stunden Anreise - und die Sorgen kommen mit
Einen funktionierenden Flugverkehr gibt es in der Ukraine nicht. Die Anreise von Lwiw nach Hamburg, wo die Heimspiele der Champions League ausgetragen werden, dauert zehn Stunden. Zum Vergleich: Die Flugzeit aus Barcelona beträgt zweieinhalb Stunden.
Die Angst um die Liebsten in der Heimat reist mit. Auch wenn die Spieler in einem Hamburger Hotel übernachten, bekommen sie auf ihrem Handy Push-Nachrichten, wenn es in der Ukraine Raketen-Alarm gibt.
Es ist gut möglich, dass auch vor oder nach dem Spiel gegen Barcelona solche schrecklichen Handy-Meldungen aufploppten. Dennoch gelang es den Spielern von Donezk, eine Mannschaft voller Welt-Stars zu besiegen.
Und was noch wichtiger ist: Sie haben bewiesen, dass sie sich nicht von den russischen Aggressionen aufhalten lassen. Sie werden zwar wohl nicht die Champions League gewinnen. Doch das Zeichen, das sie gesetzt haben, könnte vielleicht noch wichtiger sein.