Wie gewonnen, so zerronnen?
VfB Stuttgart - Rätselraten nach Mega-Klatsche in Belgrad: Wie gut ist der Vize-Meister wirklich?
- Aktualisiert: 28.11.2024
- 15:13 Uhr
- Dominik Hager
Der VfB Stuttgart hinterlässt nach einer erschreckenden Performance in Belgrad absolutes Rätselraten. Kommt das Team doch weniger gut mit der Dreifach-Belastung klar als ursprünglich gedacht? Fehler in der Kaderplanung und eine Verletzungsmisere könnten dazu führen, dass der aufsteigende VfB-Stern schon bald wieder verblasst.
Eigentlich schien beim VfB Stuttgart bis zum Mittwochnachmittag alles so einigermaßen im Lot zu sein. Neben Rang neun in der Bundesliga und dem Achtelfinal-Einzug im DFB-Pokal, gestaltete sich auch die Ausgangslage in der Champions League nicht so schlecht. Zwar konnte der VfB nicht an die Leistungen aus der Vorsaison anknüpfen, jedoch war das auch nicht wirklich zu erwarten.
Die 1:5-Pleite in Belgrad lässt den VfB Stuttgart nun aber in einem anderen Licht erscheinen. Dies betrifft nicht nur den Fakt, dass der Einzug in die CL-Playoffs in weitere Ferne gerückt ist. Viel schlimmer ist die Tatsache, wie sich die Schwaben beim Auswärtstrip nach Serbien verkauft haben. Die Partie war ohne Frage die mit Abstand schwächste unter der Regie von Sebastian Hoeneß.
Die vielen Verletzungen, die Dreifachbelastung und die gestiegenen Erwartungen haben eindeutig ihren Tribut gefordert. Weder der spielerische Aspekt noch der Einsatz haben am Mittwochabend auch nur ansatzweise gestimmt.
Folgerichtig stellt sich nun natürlich die Frage, ob der VfB nicht ein wenig überschätzt wurde und der Pfeil schneller wieder nach unten zeigen könnte, als dies dem Verein lieb sein dürfte. Viele tun sich schwer, einen Verein zu kritisieren, der im Vorjahr überragend abgeliefert hat und in dieser Saison ein wenig vom Pech verfolgt zu sein scheint. Dennoch deutet vieles darauf hin, dass im Sommer die eine oder andere Sache nicht richtig gemacht wurde - und noch Konsequenzen haben könnte.
Anton und Ito unzureichend ersetzt: Fehlendes Tempo im Zentrum
Die Kaderplanung von Fabian Wohlgemuth und Co. lässt definitiv einige Fragen offen. Diese betreffen insbesondere die Innenverteidigung, wo Hiroki Ito und Waldemar Anton nur unzureichend ersetzt worden sind. Als Ersatz kamen Amten al-Dakhil, der verletzungsbedingt noch nicht mitmischen konnte, sowie Jeff Chabot. Der Ex-Kölner ist stark im Zweikampf und gut in der Luft, dafür allerdings im Aufbauspiel limitiert und relativ langsam. Mit diesen Eigenschaften passt er eigentlich überhaupt nicht in die Hoeneß-Philosophie.
Das Wichtigste in Kürze
Anthony Rouault ist zwar stärker im Spielaufbau, dafür aber athletisch auf keinem überzeugenden Niveau, was sich sowohl auf die Geschwindigkeit als auch auf die Zweikampfhärte bezieht. Ito und Anton haben nicht nur ein besseres, sondern auch ein viel stimmigeres Duo abgegeben. Derzeit fehlt die Fantasie, dass die Stuttgarter mit diesem Innenverteidiger-Gespann wirklich sportlich erfolgreich sein können.
Die fehlende Athletik in der Innenverteidigung ist auch deshalb problematisch, weil auch das Mittelfeld mit Angelo Stiller und Atakan Karazor nicht unbedingt über viel Tempo verfügt. Mit einem solchen Quartett in der Zentrale ist ein Team einfach anfällig für Konter, was man nicht nur in Belgrad, sondern auch in der Bundesliga gesehen hat.
Nicht umsonst stellen die Schwaben nur die zwölftbeste Defensive im deutschen Oberhaus. Problematisch ist zudem, dass für Stiller und Karazor trotz Dreifach-Belastung keine Alternative da zu sein scheint. Zwar hat der VfB Yannik Keitel vom SC Freiburg verpflichtet, diesen aber fast noch gar nicht eingesetzt. Gleiches gilt im Übrigen auch für Frans Krätzig.
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Verletzungspech in der Offensive: Leihgeschäft geht gnadenlos nach hinten los
Den ganz großen Erfolg hat auch die Kaderplanung in der Offensive noch nicht mit sich gebracht. Zwar wurde Deniz Undav gehalten und Serhou Guirassy durch Ermedin Demirovic, El-Bilal Touré und Nick Woltemade ersetzt, jedoch sind auch hier Schwächen zu erkennen. Der teure Preis für Demirovic hat sich bislang nicht bezahlt gemacht. Zwar hat der Bosnier eine ordentliche Quote, wirkt aber oft wie ein Fremdkörper.
Zudem hat sich der Klub das Leben mit der unnötigen Leihe von Silas Katompa Mvumpa an einen CL-Konkurrenten selbst schwer gemacht. Den Verantwortlichen hätte klar sein müssen, dass der 26-Jährige mit seiner Athletik und Torgefahr ein wichtiger Joker sein kann. In der Vorsaison verzeichnete Silas 13 Scorer-Punkte in nicht mal 1000 Pflichtspielminuten. Am Mittwoch traf er für Belgrad zum Ausgleich, während sich der VfB auf der rechten Seite mit Pascal Stenzel und Josha Vagnoman abmühte, weil es an offensiven Alternativen mangelte.
Natürlich ist es Pech, dass sich mit Touré und Undav zwei Angreifer verletzt haben und noch dazu Jamie Leweling ausfällt, jedoch ist das eben keine Erklärung für alles. Der VfB hat in Sachen Kaderplanung im Sommer gewiss nicht den besten Job gemacht und muss die Suppe jetzt auslöffeln. Angesichts der Dreifach-Belastung ist davon auszugehen, dass sich die Probleme bis zum Winter eher dramatisieren und die Niederlage gegen Belgrad nur der Anfang gewesen sein könnte.
Wurden manche VfB-Akteure überschätzt? Weitere Verluste drohen
Immer offensichtlicher ist auch, dass der eine oder andere Kicker angesichts der starken Vorsaison ein wenig überschätzt worden ist. Karazor, Führich und Rouault scheinen hier naheliegende Kandidaten zu sein. Nach dem Höhenflug aus dem Vorjahr, scheint für viele der harte Boden der Realität erreicht worden zu sein.
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Problematisch ist zudem, dass die Abgänge von Anton, Ito und Guirassy, die nicht ansatzweise kompensiert werden konnten, wohl nur der Anfang ist. Nationalkeeper Alexander Nübel ist nur geliehen und könnte schon im Sommer zurück zum FC Bayern wechseln. Enzo Millot hat laut Sky eine Ausstiegsklausel in Höhe von 18 bis 20 Millionen Euro und könnte damit ähnlich wie Guirassy unter Wert wechseln.
Ebenso soll es für Jamie Leweling, der einer der wenigen Stuttgarter ist, die sich im Vergleich zur Vorsaison steigern konnten, eine Klausel im Bereich von 20 Millionen Euro geben. Mit El-Bilal Touré und Fabian Rieder sind zudem weitere Spieler nur ausgeliehen. Es wäre folgerichtig schon naheliegend, dass die Stuttgarter weiter an Qualität verlieren.
Ob diese verlorene Qualität durch Transfers oder eigene Nachwuchs-Kicker aufgefangen werden kann, sei mal dahingestellt. Von unten drängt derzeit nur Innenverteidiger Anrie Chase in die Startelf, die anderen Youngster scheinen hingegen recht weit davon entfernt zu sein.
Unter anderem beim furiosen Sieg gegen Dortmund oder den Partien gegen Leverkusen hat man gesehen, dass noch immer viel Gutes in der Mannschaft steckt. Letztlich stellt sich aber dennoch die Frage, ob aus der Gala-Saison 2023/24 am Ende mehr bleibt als vereinzelte Lichtblicke. Abhängen dürfte das insbesondere von Sebastian Hoeneß, dem Vater des Stuttgarter Höhenfluges. Die Zukunft des Coaches ist aber langfristig ähnlich unsicher wie die des gesamten Vereins.