Underdog-Siege, Emotionen und mehr
DFB-Pokal 2023: Fußball in seiner reinsten Form - eine Liebeserklärung
- Veröffentlicht: 02.11.2023
- 14:20 Uhr
- Kai Esser
Die zweite Runde des DFB-Pokals in der Saison 2023/24 bot alles: Überraschungssiege, Elfmeterkrimis, volle Stadien und vor allem: Fußball in seiner reinsten Form. Eine Liebeserklärung an die beste Wettbewerbsform Deutschlands.
Von Kai Esser
Es ist eine Phrase, die eigentlich drei Euro kostet: "Im Pokal kann alles passieren". Oder auch: "Der Pokal hat seine eigenen Gesetze".
Es gab Zeiten, da waren diese Sätze tatsächlich nur Phrasen, nichtssagend. Klar, der Pokal hatte immer schon seine eigenen Gesetze und manchmal verlor der Zweitligist auch gegen den Regionalligisten, aber am Ende stand zumeist der FC Bayern im Finale und holte den Pokal auch in aller Regelmäßigkeit.
Doch in dieser Saison sind die Pokalgesetze so aktiv und so gültig wie fast noch nie - und sie erinnern uns daran, warum wir alle Fußball so lieben.
Alle, die am Fußball beteiligt sind, seien es Spieler, Offizielle, Schiedsrichter und auch Journalisten, haben irgendwann mal als Fans dieses Sports angefangen.
Ein Sport, der so begeisternd ist. Nicht nur, weil das Gefühl eines Torjubels nicht zu beschreiben ist, sondern auch, weil jedes Team bei jedem Spiel eine Chance auf den Sieg hat, sei sie noch so klein.
Das Wichtigste zum Pokal
Diese Chancengleichheit wird nirgendwo besser manifestiert als im DFB-Pokal. Wenn ab der 2. Runde überall das Flutlicht angeht, dann kribbelt es. Es erinnert an die Tage, als man sich in das Spiel verliebt hat. Nach sterilen Jahren mit Pandemie und einer gekauften Katar-WM war diese Pokalrunde genau das, was Fans brauchten, um den Glauben an ihr Spiel nicht zu verlieren oder vielleicht sogar wiederzufinden.
Dass (noch) kein Video Assistant Referee in der 2. Runde eingesetzt wird, ist nur die Kirsche auf der Torte der Fußball-Romantik. Ein VAR-Chaos wie am Bundesliga-Spieltag zuvor zwischen Eintracht Frankfurt und Borussia Dortmund gab es nicht, weil es schlichtweg nicht möglich war.
Ekstase in Saarbrücken, Gänsehaut in Kaiserslautern - das ist Pokal!
Man stelle sich nur mal vor, der Siegtreffer des 1. FC Saarbrücken gegen den FC Bayern München in der Nachspielzeit wäre vom Videobeweis überprüft und womöglich sogar einkassiert worden. Es hätte den Abend kaputt gemacht, außer vielleicht für die mitgereisten Bayern-Fans.
So konnten die Spieler und Fans des FCS gemeinsam ausgelassen jubeln. "Der Wille hat uns auf jeden Fall zum Sieg getragen. Man kann nur mit solchen Emotionen und Willenskraft solche Spiele auch ziehen", erzählte Torschütze Patrick Sontheimer später bei "t-online".
Ja, der Treffer zum 2:0 für Borussia Mönchengladbach gegen den 1. FC Heidenheim entstand aus einer Abseitsposition. Ja, die Bayern hätten nach dem Tor von Saarbrückens Marcel Gaus wahrscheinlich einen Elfmeter bekommen müssen. Ja und? "So ist Fußball", würde der geneigte Traditionalist sagen. Und so ist es ja auch. Am Tag nach den Pokalspielen spricht keiner mehr über diese beiden, sehr schwer zu sehenden, Fehlentscheidungen.
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FC Bayern München - Nach Saarbrücken-Knockout: Die größten Pokal-Blamagen des FCB
Doch nicht nur im Saarland wirkte die Magie des Pokalwettbewerbs. Tags zuvor bezwang der 1. FC Kaiserslautern den 1. FC Köln am heimischen Betzenberg dramatisch mit 3:2. Tradition pur auf beiden Seiten, 50.000 positiv Verrückte im Stadion und eine elektrisierende Atmosphäre über fast 100 Minuten. Ist es nicht das, was diesen Wettbewerb und am Ende diesen ganzen Sport ausmacht?
DFB-Pokal: Der Aufstand der Kleinen
Im Achtelfinale stehen also 16 Vereine, nur sechs davon kommen aus der Bundesliga. Acht spielen in der 2. Liga und mit Saarbrücken und dem FC 08 Homburg sind auch zwei Vereine im Amateurtopf.
Zuletzt vor 31 Jahren waren so wenige Erstligisten im Topf - das zeigt die Bedeutsamkeit der diesjährigen zweiten Runde. Gleich fünf Vereine setzten sich gegen höherklassige Gegner durch.
Dieser Umstand beweist, dass in diesen Duellen nicht nur individuelle Qualität gefragt ist. Natürlich ist auch noch die B-Elf des FC Bayern deutlich stärker als die Erste des FC Saarbrücken. Aber angetrieben von den eigenen Fans, angetrieben von einem möglichen Erfolg, an den man sich noch Jahrzehnte erinnern wird, wirkten die Saarländer in der Schlussphase gar frischer als die Münchner. "Die Fans wissen glaube ich manchmal gar nicht, was für einen Einfluss sie haben können", sagte Christoph Kramer zuletzt im Podcast "Copa TS".
Wer die Trophäe nun gewinnt, scheint so offen wie lange nicht. Und wer weiß, vielleicht tritt ein Verein ja sogar in die Fußstapfen des MSV Duisburg, Alemannia Aachen oder Union Berlin und kommt als unterklassiger Klub ins Finale nach Berlin.
Denn, wenn uns diese Pokalrunde an eines erinnert hat, dann daran, dass der Pokal nun mal seine eigenen Gesetze hat.