Nationalmannschaft vor der USA-Reise
DFB-Team: Drei Fragen, die Julian Nagelsmann schnell klären muss
- Aktualisiert: 10.10.2023
- 16:57 Uhr
- Justin Kraft
Julian Nagelsmann steht beim DFB vor einer großen Herausforderung. Auf der USA-Reise wird der neue Bundestrainer drei Fragen schnellstmöglich beantworten müssen.
Zwei von drei wichtigen Schritten hat Julian Nagelsmann als Bundestrainer bereits gemacht. Den ersten absolvierte er direkt bei seiner Vorstellung. Nicht nur medial, sondern auch bei den Fans hinterließ er einen bleibenden Eindruck.
Als die Kadernominierung für die USA-Reise anstand, ging der 36-Jährige den zweiten Schritt: Er brachte mit drei Debütanten frischen Wind rein und belohnte damit Spieler, die zuletzt sehr formstark waren.
Häufig wurde in den vergangenen Monaten kritisiert, dass gute Leistungen im Klub zu wenig wert wären. Außerdem brachte er mit Leon Goretzka und Mats Hummels zwei erfahrene Spieler zurück, deren Nichtnominierung unter Hansi Flick vielerorts nicht verstanden wurde.
Den dritten und wichtigsten Schritt muss Nagelsmann aber noch gehen. Nur wenn er mit dem DFB-Team erfolgreich ist, wird die leichte Anfangseuphorie etwas wert sein.
Das Wichtigste zum DFB-Team in Kürze
Dafür wird der ehemalige Bayern-Coach drei Fragen beantworten müssen, über die Flick gestolpert ist.
DFB-Team, Nagelsmann und die System-Frage
Mal Viererkette, mal Dreierkette – so richtig entscheiden konnte sich Flick nicht. Lange setzte er auf das über Jahre bewährte 4-2-3-1, doch als die Ergebnisse schlechter wurden, wechselte er hin und her.
Nagelsmann hat Erfahrungen mit verschiedenen Systemen gesammelt, kann die Vor- und Nachteile vermutlich im Schlaf analysieren. Fachlich gilt er als einer der besten Trainer Deutschlands.
Allerdings wird er als Nationaltrainer weniger Möglichkeiten haben, verschiedene Formationen und Abläufe einzustudieren. Er selbst sprach bei seiner Vorstellung davon, dass er die Komplexität reduzieren müsse.
In der Defensive hat er personell keinen großen Spielraum. Viele Innenverteidiger und wenige Außenverteidiger im Kader könnten dafür sprechen, dass er es zunächst mit einer Dreierkette versucht.
Nagelsmann gelang in Hoffenheim einst ein beeindruckender Turnaround mit einem Team, das stark verunsichert war. Da will er auch diesmal wieder ansetzen.
"Wir hatten damals eine Herangehensweise, die nicht typisch war für den Abstiegskampf", erklärte er auf seiner ersten DFB-PK das Vorgehen bei seiner ersten Profistation. Dreierkette wird gedanklich in Deutschland häufig mit einer defensiven Ausrichtung verbunden. Nagelsmann lieferte einst den Gegenbeweis.
Es dauerte nicht lange, ehe Hoffenheim attraktiven und erfolgreichen Fußball spielte. Auch beim DFB will er das nun erreichen. Nur in welcher Formation?
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DFB-Team: Wer sind die Achsenspieler von Julian Nagelsmann?
Ein Problem war zuletzt auch, dass es in der Nationalmannschaft bisher keine klare Achse an Führungsspielern gab. Nur war das ein Trainer- oder ein Spielerproblem? Flick rotierte viel, ließ immer mal wieder Spieler fallen, die er zuvor aufbauen wollte.
Bekommt Nagelsmann hier mehr Konstanz rein? Die Rückkehr von Hummels könnte ein Indiz dafür sein, dass er dem Team Stabilität durch Erfahrung geben möchte.
Dass Nagelsmann gut mit Joshua Kimmich auskommt, ist indes kein Geheimnis. Gerade weil das innige Verhältnis zwischen den beiden ein Kritikpunkt in München war, war es klug vom Bundestrainer, Ilkay Gündogan als Kapitän zu behalten.
Diese drei Spieler könnten einen großen Teil der Verantwortung übernehmen. Und was wird aus Thomas Müller? Zuletzt zeigte sich der Bayern-Profi wieder formstärker, doch die Konkurrenz in der Offensive ist groß.
Fragen über Fragen, die in den USA geklärt werden müssen. Findet Nagelsmann keine funktionierende Achse, droht ihm dasselbe Schicksal wie Flick.
Kader des DFB für die USA-Reise: Nagelsmann sorgt für zahlreiche Überraschungen
DFB-Team: Was ist mit der Neuner-Debatte?
Niclas Füllkrug, Kevin Behrens, Kai Havertz und eben Müller – das sind die vier Spieler, die vom DFB unter Angriff gelistet wurden. Es ist bereits eine Besonderheit, dass der Verband seine Stürmer wieder gesondert auflistet. In der Vergangenheit wurden diese einfach mit den Mittelfeldspielern vermischt.
Ein erster Hinweis darauf, wie Nagelsmann die Neuner-Debatte lösen möchte? Beim FC Bayern München setzte er nach dem Abgang von Robert Lewandowski zunächst auf ein flexibles System ohne echten Mittelstürmer. Als die Ergebnisse ausblieben, kehrte mit Eric Maxim Choupo-Moting ein solcher zurück und schlug bis zu seinen Verletzungsproblemen voll ein. Und beim DFB?
Flick etablierte zuletzt Füllkrug als Neuner. Der Neuzugang von Borussia Dortmund traf in neun Länderspielen immerhin siebenmal und avancierte zum Hoffnungsträger und emotionaler Leader. Bei seinem neuen Klub kam Füllkrug nun auch besser in Form. Eine Vorlage beim 4:2-Sieg in Freiburg, jeweils ein Treffer gegen Hoffenheim (3:1) und Union Berlin (4:2) – eine Empfehlung für die Nationalmannschaft?
Nagelsmann ist dahingehend schwer auszurechnen. In Hoffenheim machte er Sandro Wagner zum Schlüsselspieler im Angriff. Sein jetziger Co-Trainer war der Dreh- und Angelpunkt einer ansonsten sehr flexibel aufgestellten Offensive.
In Leipzig ließ der Trainer oft mit zwei Spitzen spielen: Yussuf Poulsen, der die Bälle festmachen sollte und Timo Werner, der mit seinen Läufen hinter die Spitze von der Präsenz seines Nebenmannes profitieren sollte.
Bei den Bayern hatte Nagelsmann zunächst Lewandowski und war anschließend auf der Suche nach einer funktionierenden Lösung. Auch beim DFB wird er eher improvisieren müssen. Dass er viele Alternativen in seinem Kader hat, spricht dafür, dass er im Angriff einiges ausprobieren wird.
Am Samstag wird es gegen die USA auf viele der offenen Fragen erste Antworten geben. Ist Nagelsmann bereit für den dritten Schritt? Es könnte der größte in seiner bisherigen Karriere sein.