DFB-Team: Florian Wirtz' 8-Sekunden-Tor ist viel mehr als ein Rekord
Florian Wirtz trägt sich mit seinem 8-Sekunden-Tor von Lyon in die Geschichtsbücher des deutschen Fußballs ein. Doch der Knallstart gegen Frankreich ist viel mehr als ein "plumper" Rekord-Treffer.
Vom DFB-Team berichtet Tobias Hlusiak
Es war schon erstaunlich, wie schnell man die Luft aus eine vollbesetzten Stadion lassen kann.
Florian Wirtz tat dies am Samstagabend nach exakt acht Sekunden. So lange hatte es gedauert, bis das Leverkusener Wunderkind beim ersten Länderspiel des Jahres 2024 im Groupama Stadium zu Lyon ins französische Tor getroffen hatte.
Im Nullkommanix war es mucksmäuschenstill und die Richtung für das Spiel vorgegeben.
Nach Wirtz' erstem Länderspieltor - dem schnellsten der deutschen Länderspielgeschichte - feierte noch Kai Havertz (48.) einen Treffer. Zum 15. Mal in seiner DFB-Karriere. Am Ende stand es 2:0 (1:0) für Deutschland.
"Ich glaube, es hat keiner wirklich realisiert und nicht direkt verstanden, was da los war", meinte Wirtz nach der Partie im "ZDF" noch ziemlich perplex. "Wir waren alle sehr überrascht. Dann war da aber trotzdem sehr große Freude, weil man besser nicht in ein Spiel reinstarten kann."
Tatsache!
Dabei rührte die eigene Überraschung vornehmlich daher, wie gut der vorher ausgeheckte Plan aufgegangen war. Denn der sehenswerte Überrumplungsangriff war exakt so einstudiert gewesen und stammte aus der Feder von Standardtrainer Mads Buttgereit.
"Das war geplant, ja", bestätigte auch Toni Kroos nach der Partie. "Die Standardtrainer hatten ja auch genug Zeit, sich in den vier Monaten etwas auszudenken."
Seit dem letzten Länderspiel - der desaströsen 0:2-Schmach in Österreich - ist tatsächlich eine Menge Zeit vergangen. Das Trainerteam scheint sie aber gut genutzt zu haben.
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Frankreich vs. Deutschland: Einzelkritiken und Noten beider Teams
Frankreich vs. Deutschland: Noten und Einzelkritiken beider Teams Deutschland schlägt Frankreich auswärts mit 2:0 und kann dabei vor allem im zweiten Durchgang überzeugen. Die Noten und Einzelkritiken beider Teams.
Frankreich: Brice Samba Erlebt einen insgesamt seltsamen Abend. Nach acht Sekunden klingelt es erstmals in seinem Tor. Zwar steht Samba nicht gut, doch ausrichten können hätte er vermutlich eh nichts. Danach wird er lange gar nicht gefordert. Pariert im zweiten Durchgang dreimal gut. ran-Note: 3.
Benjamin Pavard Wie Kounde hat auch der ehemalige FCB-Profi große Schwierigkeiten mit der Beweglichkeit der deutschen Offensive. Lässt sich mehrfach aus seiner Position ziehen und sieht in den Zweikämpfen oft nicht gut aus. ran-Note: 4
Dayot Upamecano Im Zweikampf ist der Bayern-Profi stärker als Pavard, aber auch er wackelt hin und wieder, hat Schwierigkeiten, seine Position gegen die dynamische deutsche Offensive zu finden. ran-Note: 3
Lucas Hernandez Lässt defensiv gar nichts anbrennen und sorgt dafür, dass Deutschland auf seiner Seite kaum gefährlich wird. Mit dem Ball ist er sehr solide, offensiv tritt er kaum in Erscheinung – auch weil er es mit Mbappe vor sich nicht wirklich muss. ran-Note: 2
Warren Zaire-Emery Ein sehr wechselhafter Auftritt. Mal defensiv der entscheidende Faktor, um deutsche Angriffe zu unterbinden, mal deutlich zu spät und so eher eine Schwachstelle im taktischen Gebilde. Mit dem Ball mit dem einen oder anderen Impuls im Spiel nach vorn. ran-Note: 3
Aurelien Tchouameni Guter Auftritt des Profis von Real Madrid. Gewinnt defensiv fast alle seine Zweikämpfe und kann das Spiel offensiv immer wieder antreiben. ran-Note: 2
Adrien Rabiot Fällt vor allem defensiv auf, weil er das deutsche Spiel immer wieder ins Stocken bringen kann. Ist im Ballvortrag aber häufig eher ein Hindernis als eine große Hilfe. Versteckt sich zudem eher, als sich aktiv anzubieten. ran-Note: 4
Ousmane Dembele Macht mit Mittelstädt zeitweise, was er will. Vor allem in der ersten Halbzeit und zu Beginn des zweiten Durchgangs ist er kaum zu stoppen und sorgt immer wieder für Gefahr. Allerdings fehlt es ihm deutlich an Präzision und so bleiben seine Offensivaktionen meist ohne Punch. Taucht im Verlauf des zweiten Durchgangs dann ab. ran-Note: 4
Marcus Thuram Hat bis zu seiner Auswechslung nur 21 Ballkontakte und wird auch kaum ins Offensivspiel eingebunden. Meist Zuschauer, wenn Mbappe oder Dembele ihre Läufe machen. Kommt auf nur einen ungefährlichen Abschluss. ran-Note: 5
Kylian Mbappe Hat mit Kimmich und den anderen deutschen Defensivspielern weniger Probleme als mit seinen Mitspielern. Während er zaubert, schauen die meist nur zu. Hat gegen ter Stegen eine gute Chance aus spitzem Winkel, scheitert aber an dessen Reflex. ran-Note: 3
Jonathan Clauss In der 61. Minute für Kounde eingewechselt. Spielt etwas stabiler als Kounde, ohne aber wirklich Highlights setzen zu können. ran-Note: 4
Theo Hernandez Kam in der 61. Minute für seinen Bruder. Nicht ganz so zweikampfstark, aber auch alles andere als ein defensiver Schwachpunkt. Offensiv dafür etwas aktiver als sein Vorgänger. ran-Note: 3
Olivier Giroud Für Thuram eingewechselt (61.). Von viel Applaus begleitet, ist sein Auftritt aber ähnlich unauffällig wie der seines Vorgängers. Immerhin eine Chance kurz vor Schluss. ran-Note: 4.
Deutschland: Marc-Andre ter Stegen Macht dann mit einem Weltklassereflex die erste hochprozentige Mbappe-Chance (25.) zunichte. Zehn Minuten später mit einer gefährlichen Klärungsaktion in die Mitte, die aber ohne Folgen bleibt. Insgesamt weniger gefordert, als von vielen erwartet. Dann aber zur Stelle. ran-Note: 2
Joshua Kimmich Hat auf seiner rechten Abwehrseite alle Hände voll zu tun mit Superstar Mbappe, der ihm in Sachen Geschwindigkeit deutlich überlegen ist. Der Bayern-Star verteidigt es aber klug. Kimmich kommt hier und da sogar dazu, sich vorne mit einzuschalten. Starker Steckpass zu Musiala (31.), beim eigenen Abschluss (37.) zu überhastet. In der zweiten Hälfte sehr stabil. ran-Note: 2
Antonio Rüdiger Auffälligste Szene kurz vor dem Ende, als er spektakulär das Eigentor von Mittelstädt verhindert. Bis dahin eindeutiger Boss der Defensivreihe. Klar im Spielaufbau und gewohnt rigoros im Zweikampf. Starkes Länderspiel des 31-Jährigen. ran-Note: 2
Jonathan Tah Umsichtiger Auftritt des Leverkuseners, der sich an der Seite von Rüdiger sichtlich wohl fühlt. Hier und da könnte er im Zweikampf aber sauberer agieren. Kurz vor Schluss windet sich Giroud um den Innenverteidiger herum und verfehlt das Tor nur knapp. ran-Note: 3
Maximilian Mittelstädt Kombiniert nach vorne gefällig mit. In der Rückwärtsbewegung fehlt ihm gegen den pfeilschnellen Dembele hier und da Geschwindigkeit. Über seine Seite entstehen die ersten Chancen der Franzosen. In der Folge deutlich stabiler. Trifft kurz vor dem Ende fast zum 3:0 und hat dann Glück, dass seine Slapstick-Rettungsaktion (89.) nicht zum 2:1 führt. ran-Note: 3
Robert Andrich Im Spielaufbau konstant mit einbezogen. Versteht sich hier gut mit seinem Leverkusener-Vereinskollegen Jonathan Tah. Rettet in der 35. Minute in höchster Not vor dem einschussbereiten Rabiot. Auch sonst fast immer Herr der Lage und hellwach, wenn die Franzosen mal Lust auf Offensive haben. Ein starkes Länderspiel und ein echtes Argument für einen EM-Stammplatz. ran-Note: 2
Toni Kroos Der Rückkehrer hat richtig Bock. Sein 107. Länderspiel beginnt er mit einem Knall und legt das Blitz-Tor von Wirtz auf. Auch danach unumstrittener Herrscher im Spiel. Jeder Ball geht zu ihm, erst dann startet der Angriff. Auch gegen den Ball stark. Bester Mann, weil immer und überall Herr der Lage. Bei der Auswechslung (90.) gibt’s Applaus - auch von den Franzosen. ran-Note: 1
Jamal Musiala In der ersten Halbzeit noch etwas unauffällig. Nach dem Seitenwechsel dann viel besser im Spiel. Umkurvt Samba und legt sehenswert für Havertz‘ Treffer auf. Arbeitet bis zu seiner Auswechslung nach 80 Minuten auch stark im Gegenpressing mit. Harmoniert dazu herausragend mit Wirtz. Das macht Lust auf mehr. ran-Note: 2
Ilkay Gündogan Fällt im Vergleich zu seinen "Zauberer"-Kollegen Musiala und Wirtz etwas ab, kommt aber auf der offensiveren Position, die sich der Bundestrainer zugedacht hat, deutlich besser zurecht. Um der unangefochtene Stabilisator für die beiden Jungstars zu sein, geht ihm an diesem Abend in Lyon ein wenig die Ballsicherheit ab. ran-Note: 3
Florian Wirtz Überragendes Spiel des Leverkuseners, der sich in der Offensive völlig frei bewegen darf – und dies auch tut. Nach acht Sekunden nagelt er den Ball zum schnellsten Tor der DFB-Geschichte ins Netz. Vor dem 2:0 zerschneidet sein Traumpass auf Musiala die französische Defensive. Konserviert seine Topform aus dem Verein. Stets anspielbar und voller Spielfreude. ran-Note: 1
Kai Havertz Erster gefährlicher Abschluss kurz nach Wiederanpfiff, den er leicht verzieht. Zwei Minuten später ist er dann zur Stelle und erzielt aus kurzer Distanz sein 15. Länderspieltor. Immer anspielbar und guter Fixpunkt im deutschen Angriff. Macht die Bälle fest, wenn es nötig ist. Dürfte sich in der ersten Elf festgespielt haben. ran-Note: 2
Thomas Müller Kommt in der 72. Minute für Gündogan ins Spiel und geht hinter die Spitze. Dort sofort mittendrin und mit einem gefährlichen Abschluss (81.) ran-Note: 3
Deniz Undav Kommt in der 80. Minute ins Spiel und erzielt wenige Sekunden später um ein Haar sein erstes Tor im DFB-Dress. Frankreichs Keeper Samba macht ihm aber einen Strich durch die Rechnung. Keine Bewertung.
Niclas Füllkrug Auch der Dortmunder darf zehn Minuten mitmachen und bekommt seine Abschlusschance. Kurioserweise bei seinem Kopfball aus aussichtsreicher Position von Teamkollege Rüdiger behindert. Keine Bewertung.
Waldemar Anton Kommt in der Schlussminute zu seinem Debüt und ersetzt den überragenden Kroos. Keine Bewertung.
Kroos' Regentschaft schon nach Sekunden messbar
Und so waren einige der ergriffenen Maßnahmen schon in den ersten acht Sekunden des Prestigeduells gegen Frankreich zu sehen.
Zum Beispiel die besondere Rolle von Toni Kroos.
Der Rückkehrer war - drei Jahre nach seinem letzten Länderspiel - der unumstritten beste Mann auf dem Platz. Als der 34-Jährige eine Minute vor Schluss den Platz verließ, klatschten sogar die französischen Fans im weiten Rund Beifall. Eine Ehre, die nicht vielen Gastspielern zu Teil wird.
Kroos hatte zuvor 143 Ballkontakte, eine Passquote von 95 Prozent, jede Menge defensives Herzblut samt Zweikampfquote von 75 Prozent und die Vorlage zu Wirtz' Blitztor hingelegt.
Wie ein Quarterback bekam er den Ball direkt beim Anstoß, orientierte sich nach hinten, nur um sich blitzschnell zu drehen und einen punktgenauen Pass zum 20-Jährigen zu schlagen, der so freigespielt aus gut 20 Metern Torentfernung keine große Mühe mehr hatte, wenngleich der Treffer absolut sehenswert war.
Kroos soll seine Nebenleute besser machen. Besonders Wirtz und Jamal Musiala. Ein Vorhaben, das zumindest in Lyon vorzüglich aufging.
DFB: Musiala adelt Kroos: "Mit Toni kann ich richtig gut zocken"
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Völler sieht "bestes Spiel seit Jahren"
Auch der Münchner war am sehenswerten Führungstreffer beteiligt.
Musiala riss - genau wie Sturmspitze Kai Havertz - durch einen perfekt choreografierten Laufweg das Loch in der Mitte der französischen Defensive, in das der Torschütze stieß.
Eigentlich - so bestätigte Kroos hinterher - hätte Wirtz sogar auf Musiala durchstecken sollen, bzw. können. Dass Wirtz selbst abzog, war am Ende eine gute Entscheidungsfindung, wurde aber auch dadurch bedingt, dass Musiala gegen Lucas Hernandez kurz zu Boden gegangen war.
Beflügelt durch diesen gelungenen Auftakt schwangen sich die deutschen Offensivakteure zur einer ganz starken Leistung auf, beherrschten den großen EM-Favoriten Frankreich fast über die gesamte Spielzeit hinweg.
"Es war mit Sicherheit das Beste, was wir in den letzten Jahren gespielt haben. Das hat richtig gutgetan", schwärmte DFB-Sportdirektor Rudi Völler nach Schlusspfiff.
DFB-Elf: Ensteht nun EM-Euphorie?
Und so könnte der Wirtz-Hammer von Lyon zu einem Startschuss für einen tollen deutschen EM-Sommer werden. Vielleicht sogar zu einer Initialzündung für die so viel beschworene Euphorie.
"Ich glaube, mit so einem Spiel kann das gelingen", meinte Völler, der beim Sieg über eine 1b-Elf der Franzosen im vergangenen Oktober selbst als Übergangsteamchef an der Seitenlinie gestanden hatte.
Wichtig wird nun sein, nachzulegen und den starken Eindruck zu bestätigen.
Die Chance dazu bietet sich schon am Dienstag. In Frankfurt wartet dann der nächste Prestigegner auf Nagelsmanns Elf: Die Niederlande.
Fraglich ist nur, ob sich Oranje ebenfalls von einer Anstoßvariante überraschen lässt...