Frischer Wind in der Nationalmannschaft
DFB-Team: So können die Neuen Julian Nagelsmann helfen
- Veröffentlicht: 06.10.2023
- 22:49 Uhr
- Justin Kraft
Julian Nagelsmann stellt das DFB-Team neu auf. Der Bundestrainer hatte für seinen Kader einige Überraschungen parat – und erhofft sich von den Debütanten und Rückkehrern einiges.
Als Julian Nagelsmann als Nachfolger von Hansi Flick vorgestellt wurde, gelang es ihm nahezu auf Anhieb, eine kleine Aufbruchstimmung zu erzeugen. Ein Hauch von frischem Wind wehte durch den Saal, ein bisschen Vorfreude und Spannung darauf, was der 36-Jährige plant, waren spürbar.
Von Euphorie konnte noch keine Rede sein. Schließlich war allen bewusst, dass das nur eine Pressekonferenz war. Doch Nagelsmann legt nun Anfang Oktober nach – und zwar mit seinem Kader für die USA-Reise.
Mit Kevin Schade, Felix Nmecha, Karim Adeyemi, Emre Can und Nico Schlotterbeck hat er fünf Spieler aussortiert, die Flick zuletzt nominiert hatte. Mit Serge Gnabry und Benjamin Henrichs fehlen zwei weitere verletzungsbedingt.
Im Gegenzug verhilft Nagelsmann Robert Andrich, Chris Führich und Kevin Behrens zum Kaderdebüt. Mit Mats Hummels und Leon Goretzka kehren zudem zwei erfahrene Spieler zurück.
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Was hat der Bundestrainer vor? Und wie können die Neuen und die Rückkehrer dabei helfen, den DFB wieder in die Spur zu bringen? ran macht den Check.
Mats Hummels: Kann er die Abwehr stabilisieren?
Nagelsmann forderte von seinen Teams in der Vergangenheit immer einen flachen und vertikalen Spielaufbau. Dass Mats Hummels da gut ins Profil passt, ist wenig überraschend. Aussortiert wurde der BVB-Führungsspieler aber nicht, weil sein Passspiel schlechter geworden wäre.
Vielmehr ist es so, dass der 34-Jährige nochmal an Tempo verloren hat und sich die Fehler häuften. In dieser Saison ist der Innenverteidiger in einer durchwachsenen BVB-Mannschaft aber noch einer der Besten. In der Champions League gewann er jüngst gegen die AC Mailand zahlreiche wichtige Zweikämpfe.
Verdient ist die Nominierung allemal. Doch selbst in der bisher überwiegend guten Saison ist Hummels nicht fehlerfrei. Im Auswärtsspiel bei der TSG Hoffenheim verschuldete er beispielsweise einen Elfmeter. Trotzdem: Viel Auswahl hat Nagelsmann nicht und der Umbruch in der Innenverteidigung wirkte beim DFB oftmals erzwungen und nicht qualitativ begründbar.
Die Hoffnung ist, dass er dem Team Stabilität und Halt geben kann. Zur Wahrheit gehört aber dazu, dass ihm genau das beim BVB auch nicht immer gelungen ist. Dass Hummels zurück ist, ist dennoch nur logisch.
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Robert Andrich: Der "Zerstörer" mit gewissen Vorzügen
Zumal Hummels mit einem Debütanten sehr gut harmonieren könnte. Ein Problem der DFB-Elf war in der jüngeren Vergangenheit, dass das Zentrum sehr instabil war. Behäbiger Spielaufbau, fehlende Zweikampfstärke – vielleicht ist Robert Andrich hier ein weiteres wichtiges Puzzleteil.
Denn wie auch beim FC Bayern hat Joshua Kimmich das Problem, dass er vieles allein machen muss. Im Spielaufbau wie auch gegen den Ball. Während Hummels Spielstärke mitbringt, ist Andrich ein gnadenloser Zweikämpfer, den viele Expertinnen und Experten schon zu Union-Zeiten für die Nationalmannschaft empfohlen hatten.
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Bei Leverkusen hat sich der Mittelfeldspieler nochmal weiterentwickelt, ist vor allem mit dem Ball am Fuß etwas stärker geworden. Ein Spielgestalter wird zwar nicht mehr aus ihm, doch in Kombination mit Physis und effizienter Arbeit gegen den Ball kann er unter Nagelsmann eine gute Rolle spielen.
Andrich sei eine Art "Zerstörer", der ein anderes Profil ins Team bringe, erklärte der Trainer auf der Pressekonferenz am Freitag. Doch unter Xabi Alonso entwickelte er sich zunehmend zu einem Zerstörer mit gewissen weiteren Vorzügen – beispielsweise im Passspiel.
Leon Goretzka: Zweite Chance unter altem Bekannten?
Wenn Andrich überhaupt zum Einsatz kommt. Denn mit Leon Goretzka kehrt ein alter Bekannter zurück ins DFB-Team – und dazu einer, der zu Nagelsmann immer einen guten Draht hatte. Als der Trainer den FC Bayern verlassen musste, zählte Goretzka zu jenen, die sich sehr positiv über ihn äußerten.
Trotzdem wird auch Nagelsmann nicht entgangen sein, dass das Zusammenspiel zwischen Kimmich und Goretzka nicht optimal läuft – vor allem in der defensiven Absicherung. Die Qualität des Rückkehrers steht dennoch außer Frage. Gerade in der Offensive, wo Deutschland zuletzt die Dynamik abhandenkam, kann der 28-Jährige Leben reinbringen.
Und defensiv? Vielleicht denkt Nagelsmann über eine Dreierkette nach. Das würde auch dabei helfen, das fehlende Tempo von Mats Hummels ein wenig zu verstecken. Bei den Bayern gelang es dem Trainer nicht so richtig, ein System mit drei Innenverteidigern zu etablieren. Doch der Kader des DFB gibt das durchaus her. Vielleicht erlebt das Duo Goretzka/Kimmich dann sein großes Comeback.
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Chris Führich: Dynamik für das statische DFB-Team
Chris Führich ist ein weiterer Debütant im DFB-Kader. Der 25-Jährige habe ein "sehr gutes Momentum" und sei ein "exzellenter Eins-gegen-eins-Spieler", betonte Nagelsmann. Es sei ohnehin "wichtig, Spieler, die gerade auf dem Peak sind, einzuladen und ihnen die Chance zu geben".
In der Bundesliga zählt Führich tatsächlich zu den besten Dribblern. 4,11-mal geht er derzeit pro 90 Minuten ins Dribbling, 2,32 gewinnt er davon (56,5 Prozent). Mit insgesamt 13 gewonnenen Eins-gegen-eins-Situationen steht er auf dem fünften Platz in der Liga. Nur Leroy Sané (32), Alphonso Davies (22), Victor Boniface (19) und Florian Wirtz (14) stehen vor ihm.
Das Thema Straßenfußballer kommt in Deutschland immer wieder auf. Führich ist nicht nur formstark, sondern auch einer, der besondere Momente kreieren kann. Auch beim DFB? Das muss sich noch zeigen. Dass Nagelsmann aber ungeahntes Potenzial bei Spielern entfachen kann, zeigte er vor allem seinerzeit bei der TSG Hoffenheim.
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Kevin Behrens: Der neue Sandro Wagner?
Dort machte er einst Sandro Wagner zum Nationalspieler. Wagner, zuvor eher nicht als feiner Techniker bekannt, entwickelte sich unter Nagelsmann zum perfekten Wandspieler, der Bälle festmachen und verteilen konnte. Einige Jahre später kann er als Co-Trainer seines ehemaligen Chefs dazu beitragen, dass Kevin Behrens vielleicht eine ähnliche Entwicklung nimmt.
"Wenn wir viele Flanken haben und noch ein Tor brauchen, ist er präsent in der Box und einer, der viele Gegenspieler bindet", rechtfertigte Nagelsmann die Nominierung des Union-Stürmers. Zuletzt war Niclas Füllkrug die große Hoffnung für die vakante Neunerposition. Doch in Dortmund verlor der ein Stück weit das Momentum.
Obwohl er mit sieben Toren in neun Partien eine überragende Torquote für Deutschland hat, fehlte Füllkrug immer ein wenig die Einbindung. Ob das mit Behrens besser läuft? Fraglich.
Vermutlich war das auch ein Thema der Spielausrichtung und der taktischen Vorgaben. Nagelsmann hat nun aber zumindest zwei Alternativen, die dafür sorgen können, dass die schnellen und quirligen Angreifer in der Offensive ihre Räume bekommen. Nicht so schlecht.