EM 2024
DFB-Team nach 1:1 gegen Schweiz Gruppensieger: Viele Schwächen - aber eine große Qualität
- Veröffentlicht: 24.06.2024
- 00:03 Uhr
- Martin Volkmar
Niclas Füllkrug köpft die DFB-Elf in der Nachspielzeit doch noch zum Gruppensieg. Dennoch wurden viele Probleme deutlich, die in der K.-o.-Runde abgestellt werden müssen. Ein Kommentar.
Aus Frankfurt vom DFB-Team berichtet Martin Volkmar
Der 23. Juni ist offenbar kein besonders guter Tag für den deutschen Fußball.
Vor genau 20 Jahren scheiterte die DFB-Auswahl kläglich bei der EM in Portugal und schied nach einem 1:2 gegen eine tschechische B-Elf in der Vorrunde aus.
Dass der aktuellen Nationalmannschaft dieses vor wenigen Monaten keineswegs unrealistische Horror-Szenario bei der Heim-Europameisterschaft nicht mehr droht, stand schon vor dem letzten Gruppenspiel fest.
Doch am Sonntag sah es bis zur Nachspielzeit so aus, als ob die zuvor so zuversichtlichen Deutschen die erste Niederlage gegen die Schweiz bei einem großen Turnier seit 86 (!) Jahren kassieren würden - dem 2:4 bei der WM 1938.
Dann kam die Nachspielzeit und der eingewechselte Niclas Füllkrug traf per Kopf zum nicht mehr erwarteten 1:1-Endstand - womit in letzter Minute der Gruppensieg doch noch perfekt gemacht wurde.
EIn Sieg der Moral - unter einer Bedingung
Ein Sieg für die Moral der unermüdlich kämpfenden Mannschaft von Julian Nagelsmann, die einen positiven Effekt für den weiteren Wettbewerb haben könnte.
Allerdings nur dann, wenn die DFB-Elf in der K.-o.-Runde den überwiegenden Teil der gegen die Schweiz deutlich gewordenen Defizite nicht wiederholt.
Das Wichtigste zur EM
Mit einer erneut defensiv so fehlerbehafteten und offensiv so harm- und ideenlosen Vorstellung wie gegen die in der Weltrangliste sogar drei Ränge schlechter platzierten Schweizer bleibt auch ein frühes Aus im Achtelfinale im Bereich des Möglichen.
Denn gegen den alles andere als übermächtigen Kontrahenten waren zu viele Nationalspieler weit von der auf diesem Niveau nötigen Topform entfernt, um ihrer Favoritenrolle gerecht zu werden.
Vor allem Jonathan Tah erwischte einen schwarzen Abend, kam beim 0:1 durch Ndoye zu spät und holte sich durch einen übermotivierten Einsatz in der gegnerischen Hälfte eine unnötige Sperre fürs Achtelfinale ab.
Auch die Außenverteidiger Maximilian Mittelstädt und mit Abstrichen Joshua Kimmich zeigten hinten wie vorne einen schwachen Auftritt. Und selbst Toni Kroos machte für seine Verhältnisse ungewohnt viele Fehler.
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DFB-Offensive außer Form
Das alles wäre möglicherweise zu kompensieren gewesen, wenn die Offensive ihren Namen verdient gehabt hätte.
Doch selbst aus besten Abschlusssituationen schafften es weder Ilkay Gündogan noch Florian Wirtz, Jamal Musiala oder der als Sturmspitze ungefährliche Kai Havertz, in der regulären Spielzeit einen Ball platziert aufs Tor zu bringen - auch Kroos und Antonio Rüdiger zielten aus bester Position am Gehäuse von Yann Sommer vorbei.
Auf diesem absoluten Topniveau kann man sich aber weder eine halbe Mannschaft unter Form noch eine solch schlechte Chancenverwertung erlauben.
Daran änderten zunächst die fünf Wechsel von Nagelsmann zwischen der 60. und 75. Minute mit der Hereinnahme von drei weiteren Stürmern ebenfalls nichts, ehe Füllkrug dann doch einmal nach Flanke von David Raum goldrichtig stand.
Dass zwei Einwechselspieler die drohende Niederlage verhinderten, zeigt immerhin, dass tatsächlich von der Bank noch Spiel entscheidende Impulse kommen können, wenn die nominelle Stammelf nicht liefert.
Vielleicht sollte Nagelsmann allerdings nächstes Mal früher reagieren, wenn sein Plan A mit schnellem Kurzpassspiel nicht funktioniert.
Schließlich kam in Füllkrug der einzige bei hohen Bällen gefährliche Angreifer erst 15 Minuten vor Schluss - immerhin gerade noch rechtzeitig, um einen herben Stimmungseinbruch in Deutschland zu verhindern.