EM 2024
DFB-Team - Pascal Groß im Interview: "Wenn ich gebraucht werde, bin ich da"
- Aktualisiert: 06.06.2024
- 22:26 Uhr
- Martin Volkmar
Im Interview mit ran spricht Nationalspieler Pascal Groß über die EM-Chancen der deutschen Mannschaft, seine Rolle als Backup, das späte Debüt im DFB-Team und das angebliche Interesse aus Frankfurt und Dortmund.
Vom DFB-Team berichtet Martin Volkmar
Pascal Groß ist Hansi Flick zu ewigem Dank verpflichtet.
Nachdem der Mittelfeldspieler von Brighton & Hove Albion nach sechs Jahren in der Premier League schon nicht mehr damit gerechnet hat, verhalf der damalige Bundestrainer dem 32-Jährigen im vergangenen September zu seinem Debüt in der DFB-Auswahl.
Ein Spiel später musste Flick gehen, aber Groß blieb.
Und fährt nun als Backup im defensiven Mittelfeld zur Heim-Europameisterschaft in Deutschland.
Im Gespräch mit ran spürt man, wie stolz der gebürtige Mannheimer auf diesen Karrieresprung ist, der ihn in Zukunft vermutlich zurück in die Bundesliga führen wird.
Das Wichtigste zur EM
„Es ist ein absoluter Lebenstraum"
ran: Sie haben erst vor acht Monaten beim 1:4 gegen Japan ihr Debüt im DFB-Trikot gefeiert, standen dann wenige Tage später gegen Frankreich erstmals in der Startelf. Hatten Sie damals schon an eine Teilnahme an der EM im eigenen Land gedacht?
Pascal Groß: Nein, so habe ich nicht gedacht. Ich war erstmal unfassbar glücklich und stolz, dass ich mein Debüt in der Nationalmannschaft feiern konnte, weil das für mich immer ein absoluter Traum war.
ran: Und darüber hinaus?
Groß: Habe ich schon gewusst, dass es noch ein langer Weg ist bis zu der EM und in der Saison viel passieren kann. Man muss sein Niveau halten, man muss gesund bleiben. Da spielen einige Faktoren eine Rolle. Es kann so viel passieren, nach oben wie nach unten. Deshalb sollte man gar nicht so weit nach vorne denken und sich auf seine tägliche Arbeit konzentrieren. Von daher ist das jetzt der nächste Traum, dass ich hier dabei bin.
ran: Sie werden einen Tag nach dem EM-Auftaktspiel gegen Schottland 33 Jahre alt. Damit hatten Sie vermutlich selbst nicht mehr gerechnet, oder?
Groß: Für mich ist das ein absoluter Lebenstraum. Ich bin sehr stolz darauf und werde das auch in vollen Zügen genießen. Natürlich genießt man nur, wenn man dann auch Spiele gewinnt, das ist in unserem Geschäft so. Aber ich werde alles dafür tun, um meinen Teil dazu beizutragen, dass die Mannschaft erfolgreich ist.
ran: Sie spielen ja schon sehr lange in der Premier League, immerhin der stärksten Liga der Welt. Hatten Sie da in den Jahren zuvor das Gefühl, dass Sie trotzdem außerhalb des Radars des Bundestrainers sind und Ihre Leistung gar nicht gesehen wird?
Groß: Das kann vielleicht so gewesen sein, aber ich war da nie verbittert oder enttäuscht. Ich habe immer versucht, die Sachen zu beeinflussen, die in meiner Macht stehen. Ich kann nur probieren, so gut wie möglich zu spielen.
ran: Hatten Sie trotzdem auch mal ein Problem, sich zu motivieren?
Groß: Nein, überhaupt nicht. Es fällt mir leicht, alles zu geben, weil ich Fußball liebe. Das ist meine absolute Leidenschaft. Ich fahre jeden Tag gerne zum Training und ich glaube, da habe ich großes Glück. Deswegen bin ich immer positiv geblieben. Man ist natürlich realistisch und kann das einordnen, sodass die Hoffnung geringer wird. Aber dieser Funke hat mich immer extrem angetrieben, dass ich eines Tages für Deutschland spielen kann. Das war immer mein absolutes Highlight.
Externer Inhalt
EM-Kader: Nagelsmann hat wohl letzte Entscheidung getroffen
"Ich will jeden Tag dazulernen - und das kann ich hier auch noch umsonst"
ran: Ist es dann für Sie etwas Besonderes gewesen, plötzlich mit Weltmeistern zusammenzuspielen?
Groß: Das ist für mich absolut etwas Besonderes, weil ich auch Fußballfan bin. Toni Kroos, Thomas Müller, Manu Neuer – die sind alle Weltmeister und Champions-League-Sieger. Ich habe einen Riesenrespekt vor ihnen und kann trotz meines Alters noch viel mitnehmen. Das sind ja alles sehr gute Typen und Top-Athleten. Ich will jeden Tag dazulernen und das kann ich hier auch noch umsonst, das ist umso besser.
ran: Wissen Sie noch, wann und wo Sie die WM 2014 verfolgt haben?
Groß: Ja, ich habe jedes Spiel geguckt. Meistens in Mannheim beim Public Viewing, genauso wie 2006 bei der WM im eigenen Land. Da war ich 14, 15 und die Euphorie war unglaublich. Ich habe den Sommer unfassbar genossen und habe extrem positive Erinnerungen daran.
ran: Die meisten Spieler können sich noch an das Sommermärchen erinnern. Hoffen Sie darauf, dass Sie diesmal wieder das ganze Land mitnehmen können?
Groß: Mich motiviert einfach, Deutschland zu vertreten. Ich möchte die Leute glücklich und stolz machen. Eine EM im eigenen Land ist so etwas Großes. Deshalb ist es wichtig, dass ich mir dessen bewusst bin, es aber auch genieße und Spaß dabei habe. Wir müssen durch Erfolge ein Momentum aufzubauen. Dann kann und wird uns die unmittelbare Unterstützung der Fans hier im Land sicher einen großen Push geben.
ran: Was ist drin aus Ihrer Sicht?
Groß: Ich glaube, dass alles drin ist. In so einem Turnier entscheiden am Ende Kleinigkeiten. Deshalb denken aber wahrscheinlich die meisten Teilnehmer, dass alles drin ist.
ran: Was haben Sie für einen Eindruck von der Vorbereitung bisher?
Groß: Wir trainieren sehr gut. Jetzt sind die beiden Tonis zurück (Kroos und Rüdiger, Anm. d. Red.), die werden die Mannschaft nochmal auf ein anderes Level heben. Außerdem haben wir eine starke Bank und einen guten Spirit in der Mannschaft. Gegen die Ukraine haben wir ein gutes Spiel gemacht. Im Turnier müssen wir natürlich die Chancen nutzen. Das ist extrem wichtig, denn so können wir auch dem Gegner den Glauben nehmen und halten sie nicht am Leben.
ran: Sie sind im defensiven Mittelfeld Backup von Robert Andrich. Wie gehen Sie mit dieser Rolle um?
Groß: Ich glaube, dass ich damit gut umgehe. Ich bin schon immer Mannschaftsspieler gewesen. Ich werde hart trainieren und wenn ich gebraucht werde, bin ich da. Es wird ja hoffentlich ein langes Turnier für uns, da kann viel passieren und deshalb müssen wir das Trainingsniveau hochhalten. Damit auch die Jungs, die weniger spielen, dann auf den Punkt topvorbereitet sind.
EM 2024: Die Top-Stars aller 24 Teilnehmer-Teams in Deutschland
Rückkehr in die Bundesliga? ""Bin grundsätzlich offen"
ran: Wie hat sie der Wechsel nach England sportlich und auch menschlich weitergebracht? Das war am Anfang sicher eine Herausforderung, oder?
Groß: Ja. Aber man entwickelt sich als Mensch ja weiter. Im Ausland sind manche Aufgaben, die einem vielleicht in Deutschland leichtfallen, ganz alltägliche Dinge, echte Herausforderungen. Zum Beispiel die Abrechnung der Stromkosten auf englisch. Oder wenn man zum ersten Mal in einen Kreisverkehr fährt und erstmal überlegen muss, ob man nach rechts oder nach links abbiegen muss. Das kriegt man irgendwann schon hin, aber es ist eine ziemliche Umstellung.
ran: Und sportlich?
Groß: Die Premier League ist eine coole Liga, der mir extrem viel Spaß macht. Aber sie ist auch sehr intensiv. Wir haben keine Winterpause, wir spielen Weihnachten und Neujahr und es gibt kaum leichte Spiele. Und ich glaube, ich passe mit meiner Spielweise auch gut dahin und bin in Brighton sehr beliebt. Aber ich habe jetzt sieben Jahre in England gespielt. Irgendwann wird der Schritt wieder nach Hause gehen.
ran: Angeblich sollen Eintracht Frankfurt und Borussia Dortmund an Ihnen interessiert sein. Wie gehen Sie damit um? Sie können die EM ja nutzen, um auf sich aufmerksam zu machen…
Groß: Das ist nicht meine Motivation, dass die EM eine große Bühne ist, auf der ich mich zeigen kann. Sondern meine einzige Motivation ist, Deutschland zu vertreten und eine gute EM zu spielen. Ich habe mich dazu auch schon mehrfach geäußert. Ich bin grundsätzlich offen, nach Deutschland zurückzukehren. Es muss natürlich alles passen. Aber jetzt ist mein voller Fokus hier. Ich habe lange dafür kämpfen müssen, bei der Nationalmannschaft dabei zu sein, deswegen will ich jetzt keine Energie mit irgendwas anderem verschwenden. Was nach der EM passiert, werden wir dann sehen.