Deutschland besiegt USA 3:1
DFB-Team beim Nagelsmann-Debüt: Neuer Coach, alter Abwehrchef, grandioser Kapitän
- Veröffentlicht: 15.10.2023
- 11:43 Uhr
- Heiko Oldörp
Das Debüt von Bundestrainer Julian Nagelsmann gelingt trotz eines kleinen Schönheitsfehlers. Doch welche Erkenntnisse bringt der Sieg über die USA?
Aus Hartford berichtet Heiko Oldörp
Die Premiere von Nationaltrainer Julian Nagelsmann überzeugend gewonnen, Euphorie entfacht, die Lust auf mehr geweckt. So lässt sich der 3:1-Sieg der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft am Samstag in Hartford gegen die USA zusammenfassen.
ran liefert fünf Erkenntnisse des Spiels.
Nagelsmann bringt nicht nur kleidungstechnisch Schwung rein
Julian Nagelsmann packt an: Welch eine Kleiderwahl. Welch ein Anblick. Was für eine Aussage. Im offenen Holzfällerhemd verfolgte Julian Nagelsmann an der Seitenlinie das erste Länderspiel seiner Nationalmannschaft.
Gibt es eine passendere Symbolik dafür, dass da jemand richtig anpacken will? Fehlten nur noch hochgekrempelte Ärmel und ein bisschen Ölschmiere auf der Stirn.
Nagelsmann bekam reichlich Komplimente für sein Outfit. Es sei "eine gute Idee unseres Ausstatters" gewesen, betonte der 36-Jährige. Am Freitag hatte er auf der Pressekonferenz noch hervorgehoben, für den zum Spiel angekündigten Regen gar keine passende Jacke dabei zu haben. Innerhalb von 24 Stunden war das Problem dann gelöst.
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Auch auf dem Rasen war plötzlich vieles anders. Die deutsche Mannschaft sprühte nach nur vier Trainingseinheiten unter Nagelsmann vor Elan, Spielwitz und Einsatzwillen.
Sie dominierte vor allem im zweiten Durchgang klar, erzielte durch Ilkay Gündogan (39. Minute), Niclas Füllkrug (58.) und Jamal Musiala (61.) drei sehenswert herausgespielte Tore - und hätte bei konsequenterer Chancenverwertung noch weitaus deutlicher gewinnen können.
Fußballerisch sei die Leistung insgesamt "sehr, sehr gut" gewesen, meinte Nagelsmann. Beim "hohen Pressing" könne sein Team noch zulegen - und das werde es auch. Aber es sei ja ohnehin klar gewesen, fügte er an, dass bei seiner Premiere nicht gleich alles funktionieren würde.
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Gündogan: Oh Captain! My Captain!
69 Länderspiele hatte Gündogan bislang absolviert. So richtig in Erinnerung ist kaum eins geblieben. Sein 70. Einsatz im DFB-Trikot hingegen war einer für die Fußball-Lehrvideos. Gündogan trug nicht nur die Kapitänsbinde, er war auch eindeutig der Anführer des Teams.
"Ilkay hat ein überragendes Spiel gemacht auf seiner Position, hat jeden Ball gewollt", sagte Nagelsmann. Defensiv ließ Gündogan nichts zu, machte die Räume dicht, schloss Lücken, forderte immer wieder den Ball.
Und der 32-jährige vom FC Barcelona brachte sich auch ungewohnt oft in der Offensive mit ein, erzielte so sein 18. Länderspieltor und hätte bei drei Gelegenheiten zu Beginn der zweiten Halbzeit sogar noch häufiger treffen können.
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In der Vergangenheit wurde Gündogan oft dafür kritisiert, dass er zwar im Verein, vor allem bei Manchester City, großartig spiele, diese Leistungen jedoch nie im Nationaltrikot abrufen könne. Mit seinem Auftritt in Hartford hat der Mittelfeldmann nun das Gegenteil bewiesen. Gündogan agierte besonnen und ruhig am Ball, mit guter Übersicht, war stets anspielbar.
Man muss bekanntlich nicht immer laut sein, um bei den Mitspielern Gehör zu finden. Gündogan ist das perfekte Beispiel dafür. Er wird nie ein Schreihals auf dem Platz sein - und auch keiner, der in der Kabine mitreißende Reden hält. Aber der Kapitän hat gegen die USA durch seine Leistung gezeigt, dass er eine unverzichtbare Säule dieses Team sein kann.
"Ilkay ist ein sehr cleverer Mann, ein Beobachter, der sehr viel wahr nimmt und dann auch kanalisiert", sagt Nagelsmann, der Gündogan’s Auftreten im Team als "sehr subtil und intelligent" beschreibt.
Mittelfeld-Duo Musiala/Wirtz macht Spaß
Wenn Musiala und Florian Wirtz an den Ball kommen, geht’s ab. Dann wird’s schnell und gefährlich. Das Zusammenspiel der beiden 20-Jährigen war in Hartford mitunter eine Hommage an schnellen, direkten Offensiv-Fußball.
Genau diese Spielweise schwebt Julian Nagelsmann vor. Das 2:1 durch Füllkrug war ein Paradebeispiel. Musiala leitete eine Hereingabe am Strafraum auf Wirtz weiter, der wiederum sofort Füllkrug im 16er bediente. Der Rest war für den Dortmunder Stürmer Formsache.
Er liebe es, mit "Flo" zusammenzuspielen, sagte Musiala, "wir suchen uns beide auf dem Platz."
In den vergangenen Tagen wurde Nagelsmann immer mal wieder auf eine mögliche EM-Elf angesprochen. Acht Monate vor Turnierbeginn will und kann er sich natürlich noch nicht endgültig festlegen.
Doch eines machte der Bundestrainer bereits klar: "Jamal Musiala spielt eine zentrale Rolle." Sollte Wirtz so weiterspielen wie in Hartford, und, im Gegensatz zur WM, als er mit Kreuzbandriss ausfiel, von Verletzungen verschont bleiben, führt auch am Leverkusener kein Weg vorbei.
Musiala über die Golden-Boys-Freundschaft zu Flo Wirtz
Hummels noch nicht der souveräne Abwehrchef
Er ist wieder da, aber Mats Hummels’ Comeback im Nationaltrikot nach 837 Tagen hatte noch ein paar Dellen. Der Verteidiger, der im Dezember 35 Jahre wird und somit aktuell der älteste Nationalspieler ist, nahm umgehend wieder seinen Platz in der Innenverteidigung ein, aber der Abwehrchef, der er einst war, ist er noch nicht wieder.
Hummels war häufig in den Spielaufbau beteiligt, tauchte in der 13. Minute sogar vor US-Torwart Matt Turner auf.
Auf der Gegenseite griff Hummels in der 28. Minute, ebenso wie seine Nebenleute Jonathan Tah und Antonio Rüdiger, bei einem Sololauf von Christian Pulisic nicht energisch genug ein, so dass der US-Kapitän die Szene mit einem Traumtor zum 1:0 abschließen konnte.
Groß ist durchaus eine Alternative zu Kimmich
Joshua Kimmich fehlte aufgrund einer Erkältung, doch Pascal Groß vertrat ihn exzellent - und empfahl sich als Alternative für den Bayern-Profi. Der 32-jährige Mannheimer von Brighton & Hove Albion aus der Premier League bildete zusammen mit Gündogan nicht nur ein hervorragend harmonierendes Duo im defensiven Mittelfeld, sondern hatte mit einem Pfostenschuss in der elften Minute auch die erste deutsche Torchance.
"Er ist ein Spieler, der sich unfassbar viel mit Fußball beschäftigt", sagt Nagelsmann und begann umgehend, die Qualitäten des Mittelfeldmannes aufzuzählen. "Sehr schlau im Raum, sehr schlau im Binden von Gegenspielern auf seiner Position, hat ein gutes Gegenpressing und kann vor allem verschiedenste Positionen spielen."
Als Groß für den September-Lehrgang nominiert wurde, galt dies noch als große Überraschung. In nur drei Länderspielen hat er jedoch gezeigt, dass er mehr sein kann, als nur ein Ersatzmann. Dass Groß in Deutschland kaum bekannt ist, liegt daran, dass er seit 2017 in England spielt und somit daheim "seit Jahren unter dem Radar" fliege, so Nagelsmann.
Der Bundestrainer mag an Groß nicht nur seine guten Trainingsleistungen, sondern auch "das Leuchten in den Augen." Man sehe, sagt Nagelsmann, dass die Nationalmannschaft für ihn "nach wie vor etwas Besonderes" sei, "der brennt."