Bayern-Youngster für Turnier berufen
DFB-Kader bei der EM: Pavlovic-Nominierung ist mutig und richtig - ein Kommentar
- Aktualisiert: 15.05.2024
- 12:53 Uhr
- Chris Lugert
Aleksandar Pavlovic steht im Kader für die Heim-EM. Bundestrainer Julian Nagelsmann setzt mit der Nominierung des Bayern-Youngsters ein nachvollziehbares Zeichen. Ein Kommentar.
Von Chris Lugert
Die scheibchenweise Verkündung des deutschen EM-Kaders bekam am Montag ein drittes und das bislang überraschendste Kapitel. Bayerns Aleksandar Pavlovic, bislang mit genau null Einsätzen für das DFB-Team, steht im vorläufigen EM-Aufgebot.
Waren die Nominierungen von Jonathan Tah und Manuel Neuer Selbstläufer und das Comeback von Nico Schlotterbeck nach den starken Leistungen der vergangenen Wochen in der Champions League zumindest weitestgehend erwartet worden, ist Pavlovics Berufung spektakulärer.
Ja, der 20-Jährige wurde von Bundestrainer Julian Nagelsmann bereits im März berufen, musste dann aber erkrankt absagen. Allerdings war zu dieser Zeit auch ein etwas größerer Hype um den Youngster entstanden. Und es gab eine Vakanz.
Eine Vakanz, die auch auf eine bis dato schwache Saison von Leon Goretzka zurückzuführen war. Der Routinier steigerte sich bei den Bayern zuletzt jedoch deutlich, auch in neuer, defensiverer Rolle. Und doch dürfte ausgerechnet der 29-Jährige der Leidtragende sein, dem das EM-Ticket verwehrt bleibt. Zugunsten seines Münchner Teamkollegen.
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Endgültige Klarheit darüber gibt es womöglich erst am Donnerstag, der unorthodoxen Salami-Taktik des DFB sei Dank. Theoretisch könnten natürlich - wenn auch unwahrscheinlich - beide im Kader stehen. Und ebenfalls theoretisch weiß keiner, ob Nagelsmann direkt seine 26 EM-Fahrer nominiert - oder einen größeren, vorläufigen Kader, aus dem Pavlovic noch herausfallen könnte.
Das Wichtigste in Kürze
Allerdings ist davon nicht auszugehen, denn warum sollte sich der DFB die Mühe machen, medienwirksam den einzelnen Namen eines Wackelkandidaten zu veröffentlichen? Dass Pavlovic explizit am Montagabend verkündet wurde, bedeutet, dass er mitfährt - so oder so.
Pavlovic hat sich beim FC Bayern stark entwickelt
Und dafür gibt es gute Gründe. Sportlich gehörte Pavlovic in den vergangenen Wochen wieder zum unumstrittenen Stammpersonal bei den Bayern und bekam von Trainer Thomas Tuchel auch im Halbfinal-Rückspiel in der Champions League bei Real Madrid das Vertrauen - anstelle von Goretzka, der 90 Minuten die Bank drückte.
Eine mutige Entscheidung, die allerdings auch einem Ritterschlag für den gebürtigen Münchner gleichkam. Und Pavlovic enttäuschte nicht, für sein erstes Mal in einem solch wichtigen Spiel und dann auch gleich im Bernabeu lieferte er eine reife Leistung ab.
Ohnehin gehört Pavlovic laut Statistik in Sachen Passgenauigkeit in allen möglichen Situationen bereits zur Bundesliga-Spitze - wenn auch bei vergleichsweise wenig Einsätzen. Zudem machte er in seiner ersten kompletten Saison als fester Bestandteil bei den Profis nie den Eindruck zu großen Respekts, sondern fügte sich perfekt in seine Rolle ein. Eine Eigenschaft, die bei einem Turnier essenziell für den Erfolg ist.
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Für Pavlovic ist die EM-Nominierung vermutlich der größte Moment seines bisherigen Sportlerlebens, er wird mit einem Dauerlächeln durch die bestenfalls gut zwei Monate zwischen Trainingslager in Blankenhain und EM-Finale gehen - selbst dann, wenn er keine Minute spielen sollte. Und dass er viel spielen wird, darf bezweifelt werden. Im Mittelfeld ist die Konkurrenz extrem groß. Aber wenn er spielt, ist es ein Highlight für ihn - entsprechende Motivation inklusive.
Nagelsmann bei der EM: Stimmung geht über Erfahrung
Bei einem Goretzka wäre die Situation eine andere. Zwar erklärte er vor einigen Wochen, für jede Rolle bereit zu sein, die Nagelsmann für ihn vorgesehen habe. Aber ob sich ein gestandener Profi des FC Bayern mit WM- und EM-Erfahrung wirklich klaglos beim Heimturnier auf die Bank setzen würde? Hier geht Stimmung im Team über Erfahrung.
Apropos Erfahrung: Die Teilnahme an einem großen Turnier ist für junge Spieler stets ein großer Schritt in der Entwicklung. Für die Zukunft nach der EM, wenn etwa Toni Kroos aller Voraussicht nach seine DFB-Karriere abermals beenden wird, ist Pavlovic ohnehin ein fester Bestandteil. Warum ihn dann nicht direkt Turnierluft schnuppern lassen?
Die Berufung von Pavlovic untermauert Nagelsmanns bereits im März angedeuteten Spagat - oder war es eine Drohung an die Etablierten? -, einerseits nach Leistung zu nominieren, andererseits aber auch die richtigen Rollenspieler zu finden. Bei einem Turnier wird selten die Nation mit den besten Einzelspielern triumphieren, sondern das beste Team, die beste Einheit.
Nagelsmann hätte den einfachen Weg gehen können, auf Länderspiele, Marktwert und gewonnene Titel blicken können. Dann wäre Goretzka die richtige Wahl gewesen und Pavlovic hätte zu Hause bleiben müssen. Doch der Bundestrainer entscheidet mutiger und weitsichtiger. Bleibt zu hoffen, dass diese richtige Vorgehensweise auch belohnt wird.