Fußball-EM
EM 2024: Alvaro Morata - Spaniens größtes Sorgenkind ist der Kapitän
- Aktualisiert: 12.07.2024
- 23:58 Uhr
- Dominik Hager/Martin Jahns
Während Spanien bei der EM mit überzeugenden Leistungen ins Finale stürmt, steckt ausgerechnet Kapitän Alvaro Morata in der Sinnkrise. Die Debatte um den 31-Jährigen eskalierte rund um das Halbfinale. Zu allem Überfluss bereitet nun auch noch eine Ordner-Grätsche Sorgen.
Von Dominik Hager und Martin Jahns
Es gibt wohl keinen Tag, der die Karriere von Alvaro Morata besser umschreibt als der 6. Juli 2021. Spanien und Italien stehen sich gegenüber und kämpfen um den Einzug ins EM-Finale. Für den spanischen Angreifer ist es ein ganz besonderes Spiel. Immerhin ist seine Frau Italienerin und außerdem absolviert er gerade sein zweites Italien-Intermezzo bei Juventus Turin.
Nach seinem wichtigen Ausgleichstreffer in der 80. Minute deutet alles darauf hin, als könnte der große Tag von Morata endlich gekommen sein - bis dem Angreifer im Elfmeterschießen die Nerven versagen und Jorginho Italien ins Finale befördert. Spanien hingegen versinkt im Tal der Tränen - und kaum einer erinnert sich mehr an Moratas wichtige Tore gegen Polen und Kroatien, die Spanien überhaupt erst den Halbfinal-Einzug ermöglichten.
Morata wurde zum Buhmann der Nation und erntete Hass-Nachrichten in den sozialen Netzwerken, die seine Frau Alice Campello, eine italienische Influencerin, öffentlich machte. Bereits vor dem Halbfinal-Spiel hatten User Morata und dessen Familie mit schockierenden Kommentaren angegriffen. "Einige Leute haben gesagt, sie wünschen meinen Kindern den Tod. Ich musste mein Telefon weglegen", verriet er.
Natürlich ist Morata mit seinem Schicksal nicht ganz alleine. Denken wir nur an Arjen Robben, der auf Vereinsebene beim FC Bayern München zum Sündenbock gemacht wurde, nachdem er im Finale Dahoam 2012 und kurz zuvor in der Bundesliga gegen Dortmund jeweils einen wichtigen Elfmeter vergab.
Der weitere Verlauf der Geschichte dürfte bekannt sein. Robben arbeitete härter denn je und wurde ein Jahr später als gefeierter Mr. Wembley “wiedergeboren“.
Das Wichtigste in Kürze
Ähnlich wie der legendäre niederländische Außenstürmer hat auch Morata die vielen bösen Töne in Motivation ummünzen und sich in der spanischen Nationalmannschaft an die Spitze der Hierarchie arbeiten können. Morata erzielte bei der WM 2022 in Katar drei Treffer in vier Spielen und führt die "Furia Roja" seit dem Jahr 2023 als Kapitän an.
Vielversprechend verlief auch sein erster Auftritt bei der EM 2024, bei dem er Spanien beim 3:0-Sieg gegen Kroatien mit seinem 36. Länderspieltreffer in Führung schoss. Beim 2:1 im Halbfinale gegen Frankreich bereitete Morata einen Treffer vor. Und: Als Kapitän der "Furia Roja" hat Morata eine perfekte Bilanz: Alle 15 Spiele, in denen er als Spielführer in der Startelf stand, hat Spanien gewonnen.
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Vom Buhmann zum Helden: Morata auf Robbens Spuren?
Und trotzdem ist der Angreifer vor dem Finale gegen England am Sonntag (ab 21 Uhr im Liveticker) noch weit davon entfernt, ähnlich wie Robben den Sprung vom Buhmann zum Helden zu vollziehen. Zu tief ist die Kluft zwischen ihm und einigen spanischen Fans.
Immer wieder beschwert sich Morata über die fehlende Rückendeckung aus seinem Heimatland. "Ich spiele besser in der Nationalmannschaft, wenn es nicht in Spanien ist", erklärte Morata kürzlich im Interview mit dem Radiosender "Cadena Ser". Tatsächlich erzielte der viertbeste Schütze der spanischen Fußballgeschichte sieben seiner vergangenen zehn Tore auswärts.
Der Ärger um seine Person belastet jedoch nicht nur ihn selbst, sondern auch seine Familie. "Meine fünfjährigen Zwillinge Alessandro und Leonardo verstehen nicht, warum es Leute gibt, die so viel Wut auf ihren Vater haben", berichtete er enttäuscht.
Ausgerechnet während der eigentlich so erfolgreichen EM eskalierte nun der Zoff. In einem Interview mit "El Mundo" liebäugelte Morata mit einem Rücktritt nach der EM, auch wegen des Umgangs von Fans und Reportern mit ihm. Das Online-Portal "El Confidencial" reagierte darauf mit einem Artikel unter der Überschrift "Morata, ein Kapitän, der Spanien beschämt".
Ehefrau schießt gegen spanische Presse zurück
Moratas Ehefrau platzte daraufhin der Kragen. In einer Instagram-Story ließ die 29-Jährige ordentlich Dampf ab. Sie warf spanischen Medien vor, Hass gegen ihren Mann zu schüren und forderte einen anderen Umgangston.
"Es verblüfft mich, dass ihr euch damit beschäftigt, einen Spieler eurer Nationalelf zu versenken, anstatt ihn zu unterstützen", monierte Campello: "Was denkt ihr, wie eine Person das Maximum für ihr Land geben soll, wenn nicht an sie geglaubt wird? Was wollt ihr erreichen? Noch mehr Hass erzeugen? Glückwunsch!"
Auch Spaniens Nationaltrainer Luis de la Fuente rügte die Berichterstattung über seinen Kapitän. "Der Umgang mit Alvaro ist total unfair. Er ist in allen Belangen ein Vorbild. Ich stehe sowohl als Fußballer als auch als Mensch zu ihm. Er hat unsere volle Unterstützung", so der 63-Jährige.
Die Spanier werden Morata wohl erst als ihren Kapitän akzeptieren, wenn es für einen ganz großen Wurf wie den EM-Titel reicht. Immerhin sind die Fußstapfen von ehemaligen spanischen Leadern wie Iker Casillas und Sergio Ramos gewaltig.
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Nächster Ärger durch Ordner-Grätsche
Doch als ob Morata nicht ohnehin genug Ärger außerhalb des Platzes hätte, sorgte dann auch noch eine kuriose Szene nach Schlusspfiff des Halbfinals für neuen Ärger. Als das Team sich gerade für ein Sieger-Mannschaftsfoto aufgestellt hatte, stürmte ein Flitzer auf den Platz, um Selfies mit den Spielern zu schießen.
Ein Ordner der Münchner Allianz Arena wollte den ungebeten Gast abfangen, rutschte dabei allerdings aus und schlitterte mit den Füßen voraus in den nichtsahnenden Morata. Der 31-Jährige humpelte sichtlich genervt mit schmerzverzerrtem Gesicht vom Platz.
Immerhin in diesem Fall war Morata am Morgen nach dem Spiel zum Scherzen aufgelegt. "Eine Gelbe Karte für den Ordner und das war's", sagte er zur "Marca". Einem Finaleinsatz stehe nach der ungewollten Grätsche nichts im Wege.
Morata auf dem Weg zum großen Coup - und dann zurück nach Italien?
Morata kann bereits auf eine bewegende Karriere zurückblicken, lief für Top-Klubs wie Real Madrid, Atletico Madrid, Juventus Turin und den FC Chelsea auf. Zwar gewann er mit Real zweimal die Champions League, übte dabei aber maximal eine Nebenrolle aus. Die großen Erfolge der spanischen Nationalmannschaft zwischen 2008 und 2012 waren vor seinem Debüt.
Was dem fußballerisch brillanten, im Abschluss aber oft zu nervösen Stürmer noch fehlt, wäre ganz klar, sein Team als Leader zu einem großen Titel zu führen. Am Sonntag kann er das verwirklichen, woran er 2021 noch so knapp gescheitert war.
Und danach könnte er seine Karriere möglicherweise in Italien weiter fortsetzen. Laut Medienberichten soll die AC Mailand Morata im Blick haben, der demnach für eine Ausstiegsklausel von nur 13 Millionen Euro aus seinem Vertrag bei Atletico herausgekauft werden kann.