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EM 2024 - Southgate redet die Krise schön: Dieses England gibt Rätsel auf – ein Kommentar
- Aktualisiert: 26.06.2024
- 11:32 Uhr
- Andreas Reiners
England gilt als heißer Mitfavorit – und rumpelt sich ins EM-Achtelfinale. Die "Three Lions" sind ein Mysterium. Und Gareth Southgate macht es mit seiner Schönrednerei nur noch schlimmer. Ein Kommentar.
Aus Köln berichtet Andreas Reiners
Und am Ende gab dann auch noch Gareth Southgate Rätsel auf. Überraschte. Verblüffte.
Denn sein Auftritt auf der Pressekonferenz war dann doch ein wenig mysteriös. Denn ja, es ist verständlich, dass er sich als Nationaltrainer vor seine Mannschaft stellt. Und dass er bei seiner Mannschaft vielleicht sogar Nuancen erkennt, die man als positiv verkaufen kann.
Und ja, die "Three Lions" haben sich als Gruppensieger für das EM-Achtelfinale qualifiziert. Und ja, das "Wie" mag am Ende keine große Rolle mehr spielen, wenn es in der K.o.-Runde zählt. Dann ist die Vorrunde weit weg, längst erledigt.
Das Problem: Das "Wie" zieht sich als ebenso miese wie auch beängstigende Konstante durch die Auftritte der englischen Nationalmannschaft bei diesem Turnier.
Das Wichtigste in Kürze
England: Es wird nur ein Bruchteil abgerufen
Diese Mannschaft ist ein Mysterium, denn der Kader ist der teuerste bei dieser EM, er ist gespickt mit Topstars und Mega-Talenten, mit jeder Menge Potenzial. Doch im Vergleich dazu ruft das Team nur einen Bruchteil davon ab.
Gegen Slowenien wollte man zum Abschluss ein Statement setzen, wie es Mittelfeldmann Anthony Gordon nach dem Spiel bestätigte. Der Konkurrenz mal zeigen, was so geht, die Muskeln ein wenig spielen lassen. Das gelang nicht ansatzweise. Stattdessen war es mal wieder blutleer, planlos, ideenlos, mutlos.
Verwirrend.
Jude Bellingham spielt so, als hätte es die Saison mit Real Madrid nicht gegeben. Die Bayern-Fans erkennen Harry Kane nicht wieder. Und Phil Foden, laut Pep Guardiola der "Spieler des Jahres" in England, ist alles, nur nicht "on Fire", wie ihn die Fans besingen.
Nur um ein paar Beispiele zu nennen. Doch vor diesem England, vor dem Turnier immerhin einer der heißesten Titelkandidaten, hat so niemand Angst.
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England: Die Kritik an Southgate wächst
Dass Southgate mit dem Spiel seiner Mannschaft dann "sehr zufrieden" war, "mehr Qualität am Ball" sah, "einige Verbesserungen" und "gute Aktionen vorne", werden sehr viele Fans, Medien und Experten in der Heimat wieder anders sehen. Weil sich die Mannschaft in der Realität nur darin treu bleibt, hinter den Erwartungen zurückzubleiben.
Southgate räumte ein, dass das richtige Momentum fehlte, der richtige Laufweg, die finale Aktion, doch er ist sich sicher, "dass die Tore kommen werden". Und Außenverteidiger Kieran Trippier betonte einfach immer wieder, dass man es als Gruppensieger in das Achtelfinale geschafft habe. Als würde das die Auftritte im Nachhinein ansehnlicher machen.
Dass Southgate beinahe mit verbaler Gewalt eine positive Stimmung verbreiten wollte, ist ein verständlicher Reflex, wirkte im direkten Zusammenhang mit den kurz zuvor absolvierten 90 Minuten, den insgesamt über 200 schwachen Minuten bei dieser EM und unter dem Einfluss der Buhrufe und Pfiffe nach dem Schlusspfiff einigermaßen skurril.
Doch es brodelt bei den Engländern, die Kritik am Trainer wächst, sie ist teilweise vernichtend, die Fans haben ihn auch auf dem Kieker, in Köln flogen Bierbecher in seine Richtung. "Das Wichtigste ist, dass die Fans hinter der Mannschaft stehen. Ich verstehe das Narrativ, das über mich in den Medien präsent ist. Es ist besser, wenn es um mich geht, als um das Team. Aber es ist einfach eine ungewöhnliche Atmosphäre", sagte Southgate, und stichelte zurück in Richtung Medien und Experten: "Ich habe keine andere Mannschaft gesehen, die sich qualifiziert hat und ähnlich viel Kritik bekommen hat. Ich verstehe die Kritik, aber ich bin sehr stolz auf die Spieler für das, was sie erreicht haben."
England: Die Kritik ist berechtigt
Doch die Kritik ist zu einem nicht unwesentlichen Teil berechtigt, die von Southgate selbst angekündigte Leistungssteigerung gab es gegen Slowenien nicht. Am Ende ist er derjenige, der gefordert ist, der seine Mannschaft mit einem Plan ausstatten muss, den sie aber nicht zu haben scheint.
Und wenn wie gegen Slowenien der Gegner mit seinem Pressing England vor scheinbar unlösbare Aufgaben stellt, braucht die Mannschaft eigentlich auch einen Plan B oder C. Zur Not auch D.
Doch das Spiel bleibt so statisch wie der Trainer stoisch. Eine Weiterentwicklung ist nicht zu erkennen, ein Einsehen, dass Änderungen dringend nötig sind, offenbar auch nicht. Was ein frühes Aus immer wahrscheinlicher macht.
Auch wenn Gareth Southgate das vermutlich anders sieht.