EM 2024
Nationalmannschaft: Deutschland mit Remis gegen Ukraine - Die Lehren aus dem EM-Testspiel
- Aktualisiert: 04.06.2024
- 17:10 Uhr
- Tobias Hlusiak
Deutschland kommt elf Tage vor Beginn der EM im eigenen Land in Nürnberg nicht über ein torloses Remis gegen die Ukraine hinaus. Das Spiel liefert dem Bundestrainer aber auch durchaus positive Erkenntnisse. ran zeigt, was aus dem Spiel mitgenommen werden sollte.
Von Tobias Hlusiak
Der Bundeskanzler bewies Fachkenntnis, als er nach dem Spiel in der Kabine zur Mannschaft sprach.
In seiner kurzen Ansprache hatte Olaf Scholz dem Team Mut gemacht und auf die vielen ungenutzten Torchancen hingewiesen. "Jetzt müsst ihr sie nur noch machen. Das war seine Message", grinste Pascal Groß hinterher.
"Wir haben nach einer langen Saison alles reingeworfen. Es waren Chancen dabei, die mit ein bisschen Glück auch reingehen", bestätigte Bundestrainer Nagelsmann.
Trotz des ausgebliebenen Sieges kann die Nationalmannschaft kurz vor Start der EURO 24 durchaus positiv auf das vorletzte Testspiel zurückblicken.
ran zieht die Lehren aus dem Remis gegen die Ukraine.
Das Wichtigste in Kürze
Der zweite Anzug sitzt
Verschmitzt lächelnd stand Maxi Beier nach seinem Debüt Rede und Antwort. Und wenn man dem Hoffenheimer genau in die Augen schaute, konnte man schon erkennen, dass er sich durchaus bewusst war, einen großen Schritt gemacht zu haben.
Einen Schritt in Richtung des endgültigen Kaders, der am Freitag bei der UEFA gemeldet werden muss.
Bislang ohne Länderspieleinsatz galt der 21-Jährige folgerichtig als Wackelkandidat - neben Waldemar Anton und Robin Koch.
Die halbe Stunde, die ihm der Bundestrainer gegen die Ukraine genehmigte, nutzte er aber (fast) perfekt. Nur ein Tor fehlte zum komplett runden Abend.
Drei Top-Chancen und jede Menge gefährliche Offensivaktionen beeindruckten Nagelsmann aber nachhaltig.
"Er hat seine EM-Teilnahme auf jeden Fall wahrscheinlicher gemacht", lobte der Chef. "Die Jungs haben noch eine Woche Zeit, sich das Ticket zu verdienen. Bisher ist keiner dabei, der es verdient hat, nach Hause zu fahren. Wir warten die Woche ab. Maxi hat ein sehr gutes Spiel gemacht. Er war sehr fleißig, auch defensiv. Er trainiert auch deutlich besser als im März."
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Neben Beier darf sich auch Chris Führich als klarer Gewinner des Tests fühlen.
Der Stuttgarter belebte das Offensivspiel in der zweiten Halbzeit und zeigte, wie gut er mit dem gesetzten Linksverteidiger Maxi Mittelstädt harmoniert.
Beide kennen sich aus dem Effeff, weil sie beim Vizemeister aus Stuttgart ein kongeniales Duo bilden. Gut möglich, dass sie diese Möglichkeit auch bei der EM erhalten.
Auch Deniz Undav, Thomas Müller, Koch und Debütant Aleksandar Pavlovic enttäuschten nach Einwechslung nicht. Pascal Groß und Anton machten ihre Jobs als Vertretung für Toni Kroos und Antonio Rüdiger gut.
"Meine Rolle ist 'Joker'. Ich soll reinkommen und richtig Stress machen", erklärte Beier. Das ist ihm und seinen Bank-Kollegen gelungen.
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Noch fehlt der letzte Punch im Abschluss
"Das Spiel war perfekt im Hinblick auf die Spiele, die in der Gruppenphase auf uns zukommen", erklärte der Bundestrainer. Und vermutlich hat er damit sehr recht.
Denn die sehr tiefe Verteidigungstaktik der Ukraine dürfte in etwa dem entsprechen, was Schottland, Ungarn und auch die Schweiz der deutschen Mannschaft in den Gruppenspielen gegenüberstellen werden.
Gut also zu sehen, was gegen eine solche Formation schon klappt und was eben nicht. 27 eigene Abschlüsse sind aller Ehren wert. Allerdings darf die Chancenverwertung durchaus besser werden.
"Man kann das trainieren. Wir brauchen eine bessere Strafraumbesetzung und müssen die Flanken noch aggressiver in den 16er kriegen", wünscht sich Nagelsmann.
Dabei dürfte auch BVB-Stürmer Niclas Füllkrug helfen, der als "Brecher"-Typ in der Sturmmitte eine andere Farbe ins Angriffsspiel bringt. Seit Montagnachmittag ist er - nach dem verlorenen Champions-League-Finale - bei der Mannschaft.
Jamal Musiala und Florian Wirtz sind schon länger da. Beide haben ihre leichten Blessuren überstanden und präsentierten sich gegen die Ukraine schon mit bemerkenswerter Spielfreude. Dass keine ihrer vielen Kombinationen zu einem Tor führte, hatte auch mit fehlendem Spielglück zu tun.
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Gündogan muss dringend zulegen
Ein bisschen symptomatisch war die Szene nach einer Viertelstunde schon.
Völlig freistehend tauchte Ilkay Gündogan am Fünfmeterraum des Gegners auf und hätte eigentlich nur noch einköpfen müssen. Der Kapitän traf den Ball aber ganz und gar nicht richtig - weg war sie, die Riesenchance.
Immer wieder vermittelt der gebürtige Gelsenkirchener den Eindruck, das Glück nicht unbedingt gepachtet zu haben, wenn er für Deutschland aufläuft.
Es fehlt das eine Spiel, in dem der Knoten platzt.
Einige Experten vermuten deshalb, dass der 33-Jährige während des Turniers aus der Mannschaft rotieren könnte, wenn zum Beispiel Leroy Sane zu seiner Form finden sollte.
"Es mutmaßen viele Leute viele Dinge. Ilkay hat gut gespielt. Er hat viel Belastung in den Knochen. Wir brauchen ihn für das Turnier. Er kann uns viel Rhythmus geben. Er gibt uns Ruhe und Struktur und ist ein torgefährlicher Spieler", stellte sich der Bundestrainer den Kritikern entgegen.
Argumente hat er. Gündogan arbeitete fleißig gegen den Ball und war meist anspielbar - auch in engen Räumen.
Den eigenen Stempel drückte er dem Spiel aber nicht auf - wie schon bei den Partien in Frankreich und gegen die Niederlande im März.
Das aber muss unbedingt der Anspruch sein.
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Ist Neuer stabil genug für die Euro?
541 Tage hatte Manuel Neuer dieses ganz besondere Gefühl nicht erleben dürfen.
"Es ist wunderschön, ich bin froh, wieder im Kreise der Nationalmannschaft zu sein. Ich habe es vermisst", sagte der 38-Jährige nun, nachdem er nach knapp eineinhalb Jahren ins Tor der DFB-Elf zurückgekehrt war.
In seinem 118. Länderspiel hielt der Comebacker seinen Kasten dann auch - in alter Neuer-Manier - sauber. Zwei herausragende Paraden zeigte er bei schnellen Gegenstößen der Ukrainer.
Und doch hätte er sich die eigene gute Leistung kurz vor Schluss um ein Haar selbst zu Nichte gemacht. Sein unkontrollierter Ausflug mitsamt ungenauer Klärungsaktion hatte nur mit viel Glück nicht zum späten 0:1 geführt.
Und so wird sich der Bayern-Keeper auch weiterhin Fragen zu seiner Form gegenüber sehen, nachdem er zum Saisonende auch im Trikot des Rekordmeisters mit einigen Fehlern (in Madrid und Hoffenheim) für Schlagzeilen gesorgt hatte.
Neuer in Normalform ist für jede Mannschaft ein Gewinn. Sollte er diese aber nicht erreichen, droht eine Diskussion.