EM 2024
Nationalmannschaft: Julian Nagelsmanns Wut ist verständlich - Kommentar
- Aktualisiert: 02.06.2024
- 20:02 Uhr
- Tobias Hlusiak
Wieder einmal muss sich die deutsche Nationalmannschaft vor einem großen Turnier mit einer Rassismusdebatte herumschlagen. Die Reaktion des Bundestrainers ist deswegen in all ihrer Deutlichkeit sowohl berechtigt als auch verständlich. Ein Kommentar.
Aus dem Base Camp der Nationalmannschaft berichtet Tobias Hlusiak
Die Empörung war Julian Nagelsmann anzusehen.
Den Kopf leicht errötet hatte sich der Bundestrainer regelrecht in Rage geredet, als er um eine Reaktion auf die Umfrage geht, die seit zwei Tagen die Schlagzeilen bestimmt.
Darin hatte der "WDR" repräsentativ eruieren lassen, was Deutschland von der Zusammenstellung der Nationalmannschaft hält.
Heraus kam, dass sich 21 Prozent der Deutschen "mehr weiße Spieler im DFB-Dress wünschen" würden. Zudem gaben 17 Prozent an, es sei "schade", dass Kapitän Ilkay Gündogan türkische Wurzeln habe.
Der Bundestrainer ließ - ähnlich wie Führungsspieler Joshua Kimmich gestern - kein gutes Haar an Umfrage und Ergebnis.
Das Wichtigste in Kürze
Umfrage: Nagelsmann außer sich
Allein die Fragestellung sei "wahnsinnig", erklärte Nagelsmann und bezeichnete den gesamten Vorgang als "Scheißumfrage".
"Ich war schockiert, dass solche Fragen gestellt werden und dass es auch Menschen gibt, die darauf antworten. Das ist absolut rassistisch!"
Und weiter: "Wir fahren alle in den Urlaub, um andere Kulturen kennenzulernen. Und dann kommen andere Kulturen hier rein, und wir beschweren uns darüber. Das finde ich skurril."
Rumms!
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DFB: Immer wieder Debatten kurz vor Turnieren
Es ist absolut nachvollziehbar, dass der Bundestrainer das Thema derart deutlich bewertet. Denn das war den Verantwortlichen in den vergangenen Jahren nicht immer zu 100 Prozent gelungen.
Immer wieder ploppten ähnliche Themen kurz vor Start großer Turniere wie von Geisterhand auf.
Kurz vor dem Sommermärchen 2006 hetzte die NPD gegen Patrick Owomoyela. 2016 wünschte sich AfD-Politiker Alexander Gauland, nicht neben Nationalspieler Jerome Boateng wohnen zu müssen.
Noch gut im Gedächtnis ist die schier endlose Debatte rund um die Regenbogen-Kapitänsbinde bei der WM in Katar vor eineinhalb Jahren.
Umfrage: "WDR" erklärt sich
Eigentlich sollte beim Heim-Turnier der Fokus komplett auf dem Sportlichen liegen, die Stimmung vom Rasen auf die Tribünen und in die Städte überspringen - ohne Gerede oder böses Blut.
Deshalb ist es berechtigt, dass sich die Wut auch gegen die Urheber der Umfrage richtet.
Zwar erklärte "WDR"-Sportchef Karl Valks das Vorgehen: "Unser Reporter Philipp Awounou wurde in Interviews bei den Dreharbeiten zu der Dokumentation "Einigkeit und Recht und Vielfalt" mit der Aussage konfrontiert, dass zu wenige 'echte', hellhäutige Deutsche auf dem Fußballplatz stehen. Das wollten wir bewusst nicht anekdotisch wiedergeben, sondern auf fundierte Daten stützen."
Trotzdem ist die Zeitpunkt und Art der Veröffentlichung mindestens unglücklich.
Mit dem klaren Statement des Bundestrainers dürfte das Thema aus DFB-Sicht zudem ausreichend besprochen sein. Eine klarere Kante wird es nicht geben. Am Montag steht das vorletzte Testspiel auf dem Programm. Der EM-Start rückt näher.
Ab sofort wird es sportlich.