Barca-Keeper neue Nummer eins im Nationalteam
DFB-Team: Darum kann Marc-Andre ter Stegen noch eine Ära im Tor prägen
- Veröffentlicht: 05.09.2024
- 16:40 Uhr
- Martin Volkmar
Marc-Andre ter Stegen ist nach zwölf Jahren Warten endlich die Nummer eins im DFB-Tor. Nun spricht er über Gedanken ans Aufhören, seine Unterstützer und seine prominenten Vorbilder im Tor.
Vom DFB-Team berichtet Martin Volkmar
Marc-Andre ter Stegens erklärtes Ziel ist das WM-Finale 2026 - obwohl er an das Austragungsland USA keine besonders guten Erinnerungen hat.
Elf Jahre ist es her, dass der damalige Keeper von Borussia Mönchengladbach in Abwesenheit der Champions-League-Finalisten Manuel Neuer und Roman Weidenfeller das Tor der deutschen Nationalmannschaft hütete.
Doch ter Stegen erwischte an diesem Nachmittag im Mai 2013 in Washington einen Tag zum Vergessen. Vier Gegentreffer kassierte er beim 3:4 gegen die Gastgeber.
Darunter ein Slapstick-Eigentor, als er einen harmlosen Rückpass von Benedikt Höwedes nicht richtig traf und den Ball ins eigene Tor rutschen ließ.
"Er ist jung, das passiert - Augen zu und durch. Daran müssen die Jungen wachsen. Wir werden ihn jetzt nicht fallen lassen", sagte Torwarttrainer Andreas Köpke zwar.
Das Wichtigste in Kürze
Ter Stegen: Zwölf Gegentore in den ersten drei Länderspielen
Doch nach zwölf Gegentreffern in den ersten drei Länderspielen schien die Karriere des Youngsters in der DFB-Auswahl schon vorbei zu sein, noch ehe sie richtig begonnen hatte.
Der "kicker" gab ter Stegen damals die Note 5,5 - genauso wie bei seinem misslungenen Debüt ein Jahr zuvor beim 3:5 gegen die Schweiz, als er ebenfalls mindestens ein Gegentor verschuldete.
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"Ter Stegens Albtraum", schrieb sein Heimatblatt "Rheinische Post" seinerzeit.
Schließlich flog der 20-Jährige zwei Tage später aus dem deutschen Kader für die EM 2012, auch zwei Jahre später beim WM-Triumph wurde er kurz vorher aussortiert.
Ter Stegen: Zwölf Jahre keine Chance gegen Manuel Neuer
Erst nach seinem Wechsel zum FC Barcelona im Sommer 2014 gehörte der Keeper fest zum Nationalteam - kam aber trotz des Gewinns der Champions League, fünf spanischer Meisterschaften und des Confed-Cups 2017 weitere zehn Jahre lang nicht an Manuel Neuer vorbei.
Die Tatsache, dass ter Stegen bis zum Rücktritt des Bayern-Keepers vor einigen Wochen bei drei großen Turnieren nur Bankdrücker war, ging keineswegs spurlos an ihm vorbei.
Ter Stegen: Gedanken über DFB-Rücktritt
Er habe sich auch Gedanken über einen Rücktritt aus der Nationalmannschaft gemacht, gab er am Donnerstag bei der Pressekonferenz vor dem Nations-League-Spiel gegen Ungarn (am Samstag ab 20.45 Uhr im ran-Liveticker) offen zu.
"Um ehrlich zu sein, hatte ich immer wieder Situationen und Momente, in denen ich darüber nachdachte und es war oft ein Schlag", sagte der Barca-Kapitän im Teamquartier in Herzogenaurach:
Wird Deutschland Weltmeister? Pressesprecherin schreitet ein
"Es gab in den letzten Jahren sehr viele enge Entscheidungen, die am Ende immer in die Richtung von Manu gegangen sind. Ich bin damit professionell umgegangen, aber es war natürlich auch frustrierend. Mein Anspruch war immer, die Nummer eins zu sein, was mir ein Jahrzehnt lang leider Gottes nicht gelungen ist."
Nun aber hat Neuer mit 38 Jahren zumindest im DFB-Team aufgehört, weshalb Julian Nagelsmann den 40-maligen Nationalspieler endlich zum neuen Stammtorwart erklärt hat.
Ter Stegen: Prominente Oldie-Keeper als Vorbilder
Bleibt die Frage, ob dem auch schon 32 Jahre alten ter Stegen genug Zeit bleibt, um doch noch seine eigene Erfolgsgeschichte zu schreiben.
Immerhin können Torhüter bekanntlich länger spielen und auch in der DFB-Geschichte gibt es einige Vorbilder dafür.
Jens Lehmann war beim WM-Sommermärchen 2006 bereits 36 Jahre alt und spielte wie jetzt Neuer auch noch mit 38 eine EM (2008), "Fußballgott" Toni Turek sicherte Deutschland 1954 mit 35 Jahren den ersten WM-Titel.
Und Sepp Maier war bei seiner letzten WM 1978 ebenso 34 Jahre alt wie Andreas Köpke beim letzten EM-Sieg 1996. Der langjährige Torwarttrainer der Nationalelf war daher auch einer derjenigen, die ter Stegen mit Blick auf die eigene Laufbahn immer bestärkten, nicht aufzugeben.
Ter Stegen: Uwe Kamps wichtigster Mentor
Noch wichtiger aber war für ihn sein langjähriger Mentor im Heimatklub, wie der gebürtige Mönchengladbacher auf ran-Nachfrage erklärte: Der frühere Profikeeper Uwe Kamps, der ter Stegen als Torwartcoach bei der Borussia förderte.
"Uwe Kamps hat mir immer wieder Nachrichten geschrieben und gesagt: Bleib dran, es wird schon. Das war schön, diese Unterstützung zu spüren und Leute zu haben, die vielleicht mal in einer ähnlichen Situation waren", erklärte ter Stegen.
"Es ist gut zu wissen, dass man immer einen Rat bekommen kann. Ich bin froh, dass die Zeit des Wartens vorbei ist. Jetzt kann ich mich auf das konzentrieren, was ich tun muss."
Wechsel zu den Bayern? Das sagt Ter Stegen
Angesprochen auf Italiens Torwartlegende Gianluigi Buffon, der mit 40 sein letztes Länderspiel bestritt, wiegelte er aber ab:
"Ich werde bestimmt nicht so lange wie Buffon spielen, das sehe ich bei mir nicht. Wir werden sehen, wie die nächsten Jahre laufen. Die Gesundheit muss stimmen und am Ende musst du immer wieder beweisen, dass du der Beste bist. Das ändert sich nie, weder beim Klub noch hier. Und dem möchte ich gerecht werden."
Dass er trotz der Parallelen keinen Kontakt zu Jens Lehmann habe, verwunderte indes eher weniger. Nicht nur, weil sich der ehemalige BVB- und Schalke-Torwart meist für Neuer ausgesprochen hat.
Ter Stegen: Vorbild Oliver Kahn
Sondern auch, weil dessen einstiger Rivale Oliver Kahn ter Stegens Vorbild in der Jugend war. Das hitzige Duell, dass er sich in den Nachwuchs-Nationalteams über Jahre mit Bernd Leno lieferte, erinnerte viele an den kompromisslosen Zweikampf zwischen Kahn und Lehmann vor der WM 2006.
Im Vergleich zu den beiden prominenten Vorgängern zu deren Zeit als Profi ist ter Stegen aber verbal deutlich weniger leicht aufs Glatteis zu locken, liefert stattdessen fast immer professionell-routinierte Antworten.
Frust auf der Bank? Ter Stegen mit klaren Worten
Selbst eine Schlagzeile, die er über sich gerne am Tag nach dem WM-Finale 2026 lesen würde, ließ er sich nicht entlocken.
Stattdessen musste DFB-Pressesprecherin Franziska Wülle einspringen ("Wir sind Weltmeister"), worauf ter Stegen mit dem Finger zur Seite zeigte und sagte: "Das hat sie gesagt, nicht ich."
Nachfolger von Neuer bei Bayern? Das sagt ter Stegen
Entsprechend lief auch die Frage an ter Stegen ins Leere, ob er sich vorstellen könne, nach Manuel Neuers Karriereende diesem auch beim FC Bayern nachzufolgen:
"Man weiß nie, was die Zukunft bringt. Ob Deutschland wieder ein sportliches Ziel für mich sein wird, darüber mache ich mir im Moment keine Gedanken. Ich habe noch einen langfristigen Vertrag in Barcelona und bin sehr, sehr glücklich."
Kein Wunder: Barca ist unter Hansi Flick mit vier Siegen und 13:3 Toren in die Saison gestartet - und ter Stegen ist nicht nur dort, sondern endlich auch in der Nationalmannschaft die Nummer eins.