Vergabe am Montagabend
Ballon d'Or 2024: Rodri statt Vinicius Jr.! Ein doppelt starkes Signal - Kommentar
- Aktualisiert: 29.10.2024
- 14:13 Uhr
- Chris Lugert
Superstar Vinicius Junior galt lange als Favorit auf den Gewinn des Ballon d'Or 2024. Wendet man die Kriterien der Vergabe aber streng an, geht der letztliche Sieg von Rodri nicht nur in Ordnung - am ManCity-Star führte schlichtweg kein Weg vorbei. Ein Kommentar.
Von Chris Lugert
Heute Abend war es wieder so weit. Im mondänen Theatre du Chatelet von Paris traf sich die A-Prominenz des europäischen und weltweiten Fußballs, um der Verleihung des Ballon d'Or beizuwohnen.
Der goldene Ball ist die prestigeträchtigste Einzeltrophäe, die ein Fußballer in seiner Karriere gewinnen kann. Wer diese Auszeichnung in den Händen hält, ist ganz oben angekommen und hat sich seinen Platz in der Geschichte gesichert.
In diesem Jahr durfte doch nicht wie erwartet Vinicius Junior von Real Madrid die Auszeichnung entgegennehmen, obwohl schon im September die spanische Zeitung "Marca" vermeldete, der Flügelflitzer der "Königlichen" stehe als Sieger bereits fest.
Doch nun kam es doch anders, wegen der Existenz von Europameister und ManCity-Star Rodri. Denn der Mittelfeldspieler hatte die Auszeichnung ohnehin von vornherein mehr verdient gehabt. Dass er auch tatsächlich den Ballon d'Or gewinnt, ist ein starkes und richtiges Signal.
Worauf kommt es nämlich bei der Wahl zum Ballon d'Or überhaupt an? Zunächst einmal ist der Bewertungszeitraum relevant. Dabei handelt es sich ausschließlich um die Saison 2023/24, konkret vom 1. August 2023 bis 31. Juli 2024.
Es spielt also keinerlei Rolle, dass Rodri sich vor wenigen Wochen das Kreuzband gerissen oder dass Vinicius einen Topstart in die neue Saison hingelegt hat. Das ist für kommendes Jahr 2025 wichtig, nicht aber für die aktuelle Auszeichnung.
Das Wichtigste in Kürze
Das französische Magazin "France Football", das die Trophäe traditionell vergibt, hat drei Abstufungen hinsichtlich der Wahlentscheidung vorgegeben. Wahlberechtigt war jeweils ein Journalist aus den Top-100-Ländern der FIFA-Weltrangliste.
Vinicius und Rodri: Ähnlicher Einfluss auf verschiedenen Positionen
Das wichtigste und zentrale Kriterium bei der Wahl soll die individuelle Leistung des Spielers sein. Gab es also einen Spieler, der in der vergangenen Saison individuell alle anderen überragt hat?
Vinicius kam in der Vorsaison in 39 Pflichtspielen für Real Madrid zum Einsatz. Dabei schoss er 24 Tore und bereitete elf weitere vor. 35 Scorerpunkte in 39 Spielen bedeuten 0,89 Torbeteiligungen pro Partie - der höchste Wert seiner bisherigen Karriere.
Und doch war es keine Saison, die auch für ihn selbst neue Maßstäbe setzte. In der Spielzeit 2022/23 kam er in 55 Spielen schon auf 43 Scorerpunkte, 2021/22 auf 42 Torbeteiligungen in 52 Partien. Er bestätigte also seine Weltklasse über die vergangenen Jahre.
An Toren und Vorlagen kann man Rodri natürlich eigentlich nicht messen, doch trotz seiner Positionierung im defensiven Mittelfeld kam er für Manchester City auf 23 Torbeteiligungen in 50 Spielen.
Der Spanier führte die Premier League mit riesigem Abstand bei Pässen an und wurde nicht nur ins Team des Jahres der englischen Topliga gewählt, sondern zudem als besten Spieler der Klub-WM und natürlich der EM - die er komplett dominierte - ausgezeichnet. Rodri hat die Sechserposition in der Vorsaison schlichtweg neu definiert.
Individuell nehmen sich Vinicius und Rodri also nichts. Wenn die Wahl zum Ballon d'Or nicht über die persönliche Leistung entschieden werden kann, sollen laut offiziellen Regularien die Teamerfolge, also die gewonnenen Titel mit Klub und/oder Nationalmannschaft, als zweites Kriterium herangezogen werden.
Hier gab es ebenfalls keinen Ausschlag zugunsten des einen oder des anderen. Vinicius mit Real und Rodri mit ManCity gewannen jeweils ihre nationale Meisterschaft, zudem kommt mit dem Gewinn der Champions League (Vinicius) sowie der EM (Rodri) jeweils ein weiterer großer internationaler Titel hinzu. City gewann mit Rodri außerdem noch die FIFA Klub-WM.
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Fairplay und Charakter: Rodri schlägt Vinicius klar
Doch es gibt noch ein drittes offizielles Kriterium, um im Zweifelsfall einen Sieger des Ballon d'Or ermitteln zu können. Und dieses betrifft das Verhalten des Spielers auf dem Platz im Sinne des Fairplays.
Es ist ähnlich wie bei einigen Turnieren oder anderen großen Wettbewerben. Sind sportlich alle Faktoren durchdekliniert und keine Entscheidung ist möglich, zählt der Fairplay-Gedanke. Und hier gehen Rodri und Vinicius weit auseinander.
Auf der einen Seite der bodenständige Spanier ohne jegliche Starallüren, der einst zum Social-Media-Hit wurde, weil er im alten Opel Corsa zum Training kam.
Der 28-Jährige selbst nutzt gar keine sozialen Medien, lebt extrem ruhig, hat während der Corona-Pandemie sein Studium beendet und spendet einen Teil seines Gehalts für wohltätige Zwecke. Provokationen gegen Mitspieler oder hinterlistige Foulspiele, wie sie so mancher Mittelfeldspieler gerne verteilt, sind ihm völlig fremd.
Auf der anderen Seite Vinicius, der charakterlich immer wieder Fragezeichen aufwirft. Nicht zuletzt im Clasico am Samstag zeigte er wieder sein hässliches Gesicht. Der Brasilianer erhebt seine Stimme gegen Rassismus, was grundsätzlich zu begrüßen ist. Gleichzeitig hat er aber offensichtlich Spaß daran, Gegenspieler vorzuführen und Fans zu provozieren.
Rodri-Wahl ist ein doppelt starkes Signal
Wirft man die Frage auf, wer von beiden das bessere Vorbild ist, kann die Antwort also nur Rodri lauten. Insofern ist es ein starkes Signal, dass die wahlberechtigten Journalisten über die bloßen Tore und Vorlagen hinaus gedacht und den Spanier auf Platz eins gesetzt haben. Toreschießen kann man lernen, Charakter und Verhalten nicht.
Zumal es auch sportlich eine große Botschaft ist, wenn ausnahmsweise mal kein Offensivspieler gewinnt. Luka Modric war 2018 der bislang letzte Nicht-Stürmer, der die Wahl für sich entschied. Sucht man dezidiert einen hauptsächlich defensiv orientierten Spieler, musste man bis zur jetzigen Rodri-Wahl bis ins Jahr 2006 zurückgehen, als Innenverteidiger Fabio Cannavaro im Jahr des italienischen WM-Titels den Ballon d'Or gewann.
Ja, Fußball wird von der Offensive geprägt. Aber gutes Defensivspiel ist unverzichtbar und verdient viel mehr Anerkennung. Rodri hat es sogar geschafft, beide Seiten perfekt zu vermischen. In der Zukunft wird an Spielern wie Vinicius, Kylian Mbappe oder Erling Haaland kein Weg vorbeiführen. Aber in diesem Jahr hat eigentlich nur Rodri den Ballon d'Or verdient - und ihn letztlich auch gewonnen.