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WM 2022 in Katar

WM 2022: Markus Babbel über die DFB-Auswahl: "Oliver Bierhoffs Rücktritt ist absolut konsequent"

  • Aktualisiert: 06.12.2022
  • 11:49 Uhr
  • ran.de
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Das frühe WM-Aus der deutschen Nationalmannschaft hinterlässt viele offene Fragen. Im Interview mit ran spricht Ex-Nationalspieler Markus Babbel über den Rücktritt von Oliver Bierhoff, die Fehler von Hansi Flick und die möglichen Konsequenzen.

Von Dominik Hechler

München – Während bei der WM in Katar die Achtelfinals laufen, ist die deutsche Nationalmannschaft schon längst wieder aus der Wüste abgereist. Das zweite Vorrunden-Aus bei einer Weltmeisterschaft hintereinander sorgt bei den Fans nach wie vor für mächtig Diskussionsstoff und lässt vor allem viele Fragen offen.

Wie geht es beim DFB jetzt weiter? Und was passiert mit Bundestrainer Hansi Flick? DFB-Direktor Oliver Bierhoff hat nach der Misere in Katar ja bereits seinen Hut genommen.

Markus Babbel, 1996 gemeinsam mit Bierhoff Europameister, erklärt bei ran, welche Konsequenzen er sich nun von der anstehenden Analyse des Verbands erhofft:

ran: Markus Babbel, bei der WM 2022 laufen aktuell die Achtelfinals – allerdings ohne die deutsche Mannschaft. Wenn Sie die Leistungen der DFB-Elf in Katar und das damit verbundene, zweite Vorrunden-Aus des Nationalteams in Folge bei einer Weltmeisterschaft mit nur einem Wort bewerten müssten, welches wäre das?

Markus Babbel: Mit einem Wort ist das schwierig. Ich würde sagen: Unnötig wie ein Kropf.

ran: Warum?

Babbel: Bei der WM 2018 in Russland waren wir richtig schlecht. Da sind wir mit einer unglaublichen Arroganz und Überheblichkeit ins Turnier gegangen und dafür dann ja auch bitter bestraft worden. Dieses Jahr waren die Voraussetzungen etwas anders – denn es ging ja weniger um die Weltmeisterschaft an sich, sondern mehr darum, wie sich die Spieler zu den politischen Diskussionen um den Austragungsort Katar positionieren. Welches Zeichen setzen sie? Wie werden sie sich vor Ort verhalten? Dann haben sie mit ihrer "Mund zu"-Aktion ein Zeichen gesetzt und wurden dafür größtenteils auch noch kritisiert. Hinz und Kunz haben auf einmal angefangen, sich einzumischen und die Spieler verbal anzugreifen. Selbst der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck hat sich von der Nationalelf "enttäuscht" gezeigt und dementsprechend öffentlich geäußert. Und das, obwohl er selbst den Bückling bei den Kataris macht. Als ich all das gesehen und gehört habe, habe ich mich schon gefragt: Oh, oh, ob das gut geht …

ran: Also haben die politischen Diskussionen wie etwa um die "One Love"-Binde die Mannschaft Ihrer Meinung nach negativ beeinflusst?

Babbel: Ich weiß selbst wie das ist, wir sind nun einmal Männer und können uns nur auf eine Sache konzentrieren (lacht). Und wenn du dann auf mehreren Hochzeiten tanzen musst, wird das ein Problem. Zumal man jetzt ja auch hört, dass das innerhalb der Mannschaft ein großes Diskussionsthema war. Da gibt es immer welche, die dafür sind und welche, die total dagegen sind. So entstehen Reibungen innerhalb des Teams, du bist als Spieler nicht mehr happy, fühlst dich unwohl - und das, obwohl du eigentlich in Katar bist, um Fußball zu spielen und bestenfalls Weltmeister zu werden. Da geht dein Traum von einer WM-Teilnahme endlich in Erfüllung und auf einmal geht es gar nicht mehr ums Sportliche, sondern nur noch darum, welches Zeichen die Mannschaft im ersten Spiel setzt.

ran: Was hätten Sie sich in diesem Fall von den DFB-Verantwortlichen gewünscht?

Babbel: Diesbezüglich hat der DFB für mich total versagt. Angefangen vom Präsidenten Bernd Neuendorf, über den nun zurückgetretenen Oliver Bierhoff bis hin zu Bundestrainer Hansi Flick. Sie hätten dieses Thema gemeinsam wegbügeln müssen. Ich glaube nämlich, dass sie diese Diskussionen extrem unterschätzt haben. Natürlich kann und muss man das im Vorfeld alles besprechen, das ist völlig okay. Aber es kommt ein Zeitpunkt, an dem man sagen muss: Stopp jetzt, die Mannschaft wird keine Fragen mehr zu Katar beantworten. Die Mannschaft hätte viel mehr und viel besser geschützt werden müssen. Es kann doch nicht sein, dass sich die Spieler am Spieltag selbst noch Gedanken machen müssen, welche Geste sie vor dem Anpfiff machen. Das lenkt alles ab. Und ich hatte bis zum ersten Spiel eigentlich ein gutes Gefühl, aber je mehr diese Lawine losgetreten wurde, desto schlechter wurde auch mein Gefühl für diese Weltmeisterschaft.

ran: Oliver Bierhoff ist als Reaktion nun von seinem Posten zurückgetreten. Wie schätzen Sie seine Entscheidung ein?

Babbel: Sie ist absolut konsequent. Er hat sich in den letzten Tagen offensichtlich selbst hinterfragt und festgestellt, dass er in den vergangenen Jahren zwar viele Dinge ausprobiert hat, sie jedoch allesamt nicht erfolgreich waren. Immerhin war die WM in Katar bereits das dritte große Turnier, bei dem wir hinterher hinken. Und deswegen kann ich nur sagen: Chapeau an Oliver Bierhoff für diese Entscheidung.  

ran: Welche Fehler hat Bierhoff gemacht?

Babbel: Er hat die Mannschaft in Katar unter anderem nicht gut genug in Schutz genommen. Im Gegenteil. Da ist Woche für Woche immer mehr auf die Spieler eingeprasselt und damit sind sie letztlich alleine gelassen worden. Das sind Fußballprofis, keine Politiker. Und die WM ist keine Kirmesveranstaltung, sondern das größte Event, das es im Fußball gibt. Da muss ich als Verband meine Jungs mit aller Macht schützen, damit sie sich voll auf das Turnier fokussieren können. Wenn sie dann ausscheiden, kann ich wirklich sagen: Ich habe alles getan, mehr war nicht in meiner Macht, wir waren von der Organisation her top vorbereitet - den Rest muss das Trainerteam beantworten. Nur leider war es eben nicht so. 

Auch das Quartier in Katar muss hinterfragt werden. War es wirklich nötig sich in der Einöde irgendwo in der Wüste so abzuschotten? Das DFB-Team gilt bei den Fans doch sowieso seit Jahren schon als total unnahbar. Die Auswahl des Teamhotels hat diese Wahrnehmung nochmal bestätigt. Ein komplett falsches Zeichen. Man muss ja nicht jeden Tag Tür und Tor offen haben, aber es kann mir doch keiner erzählen, dass es näher an der Stadt nicht ein ähnlich gutes Quartier gegeben hätte, in dem man sich ähnlich fokussiert hätte vorbereiten können. Nahbarer wäre es auf jeden Fall gewesen.

ran: Wie sollte es nun beim DFB weitergehen?

Babbel: Ich glaube zunächst einmal, dass es jetzt jemanden braucht, der den Laden endlich wieder aufweckt. Denn es ist ja in den vergangenen Jahren nicht nur Oliver Bierhoff innerhalb des Verbands gescheitert. Ich kenne relativ viele, die beim DFB von selbst wieder aufgegeben haben, weil sie zwar innovative Ideen hatten, sich aber keiner gefunden hat, der sie dann auch umsetzt oder sie überhaupt umsetzen wollte. Denn jeder versucht unter dem Strich sein eigenes Ressort so sicher wie nur möglich zu führen. Mit dieser Beamten-Mentalität entsteht aber kein Fortschritt - und ich möchte damit ganz sicher keinem Beamten zu nahe treten. Aber so kommst du eben innerhalb eines solchen Verband nichts voran. Und da muss Bierhoff schon eine enorme Geduld gehabt haben. Immerhin war er 18 Jahre lang in Amt und Würden. Ein Robin Dutt war damals als DFB-Sportdirektor deutlich ungeduldiger und ist schon nach einem Jahr wieder völlig entnervt gegangen, weil nichts vorwärts ging. Es wäre also schön, wenn jemand kommen würde, der diesen Tanker mal wieder zum Laufen bringt. Der ist aktuell nämlich sehr schwerfällig und träge. Da sind in den vergangenen Jahren ja auch einige Präsidenten dran gescheitert. Das ist ja kein Zufall und zeigt ganz deutlich, dass beim DFB irgendwas richtig schief läuft. Diese ganzen Krusten müssen aufgebrochen und Entscheidungen wieder schneller gefällt werden, damit du den Fortschritt auch wirklich hinbekommst. Es braucht also jemanden mit einer gewissen Konsequenz und keinen Politiker, der vielleicht in zehn Jahren zum Ziel kommt. 

ran: Mit Fredi Bobic, Ralf Rangnick oder auch Karl-Heinz Rummenigge werden bereits mögliche Nachfolgekandidaten für Bierhoff gehandelt. Wen könnten Sie sich vorstellen?

Babbel: Wenn ich mir die genannten Namen so anschaue, glaube ich vor allem, dass ein Einzelner im DFB nach wie vor große Probleme hätte. Es wird darum gehen, dass die Entscheidungsträger endlich wieder miteinander und nicht gegeneinander arbeiten. Beim DFB arbeiten ja auch gute Leute, so ist das nicht. Aus meiner Sicht bräuchte es jetzt jemanden, der bestenfalls sogar einen ganzen Stab mitbringt und der eine hohe Akzeptanz innerhalb des Verbands hat. Auf der anderen Seite ist der DFB, ähnlich wie die FIFA, eine totale Verbandsmeierei, ein eigener Kosmos. Wenn ich da mal drin bin, dann bin ich für immer drin. Das kann es aber nicht sein. Auch hier muss wieder deutlich mehr das Leistungsprinzip gelten. Es kann ja nicht sein, dass der größte Sportverband der Welt dermaßen unflexibel und träge ist. Das kann doch keiner mehr nachvollziehen. Da muss dringend ein Umdenken her. Der DFB darf kein Staat im Staat sein, wo allen egal ist, was von außen reingetragen wird und dann einfach doch das gemacht wird, was immer schon gemacht wurde. Nach dem Motto: Das haben wir die letzten 50 Jahre so gemacht, also machen wir es auch die kommenden 50 Jahre noch so. So kommst du keinen Schritt vorwärts. 

ran: Ein "Weiter so" kann es also nicht geben?

Babbel: Nein, auf keinen Fall. Beim "DFB-Kuschelverein" darf niemand mehr unantastbar sein. Es muss wieder ein klares Leistungsprinzip installiert werden. Das hat mir zum Beispiel bei der Kaderzusammenstellung gefehlt - auch etwas, was man Flick vorwerfen kann und muss. Wenn ich fünf Dortmunder berufe, in Mats Hummels den besten BVB-Spieler aber zu Hause lasse, dann stimmt doch was nicht. Mir geht auch diese Altersdiskussion auf den Zeiger. Es ist doch völlig egal, ob der Spieler 18 oder 35 Jahre alt ist - was hat das Alter denn mit der Leistung zu tun? Wenn jemand gut ist und konstant seine Fähigkeiten abruft, hat er es verdient bei der deutschen Nationalmannschaft dabei zu sein. Da müssen wir wieder hinkommen. Wir versuchen es ja nur noch mit Harmonie. Aber es hat sich eben gezeigt, dass es so nicht funktioniert – und zwar schon beim dritten Turnier in Folge. Und nur, weil das vielleicht 2014 funktioniert hat, heißt das ja nicht gleich, dass das bei den anderen Generationen genauso ist. Wir brauchen auch mal eine klare Ansage.

ran: Das Ausscheiden der deutschen Mannschaft hat aber sicherlich auch sportliche Gründe …

Babbel: Natürlich. Du gehst ins erste Spiel gegen Japan, hast alles unter Kontrolle, gehst 1:0 in Führung, hast Möglichkeiten zum 2:0 oder 3:0, bringst den Ball aber nicht mehr im gegnerischen Tor unter. Und dann stellt sich die Frage, wie du in der zweiten Halbzeit auf einmal dermaßen den Faden verlieren kannst. Warum schafft es die deutsche Mannschaft nicht, über 90 Minuten eine gewisse Dominanz und Kontrolle auszustrahlen? Die Japaner konnten in den letzten 20 Minuten ja regelrecht über uns herfallen, ohne dass wir etwas entgegenzusetzen hatten. Das war aber nicht nur in dieser Partie so. Wir hatten in jedem Spiel unsere guten Phasen, aber sobald wir passiv geworden sind, hatten wir große Probleme - egal gegen welchen Gegner.

ran: Fehlt der deutschen Mannschaft also die Gier, die richtige Mentalität und Einstellung?

Babbel: Es ist ja ein Trend zu erkennen. Und der fällt mir schon seit mehreren Jahren auf und stört mich enorm. Wir tun uns wahnsinnig schwer und haben auch extrem wenig Lust, das eigene Tor zu verteidigen. Keiner will mehr mit aller Macht Gegentore verhindern. Wir legen sehr viel wert auf Spieleröffnung, Spielaufbau und das Kreieren von Torchancen. Das gehört ja auch alles mit dazu und ist gut so. Mir fehlen nur leider die Spieler, die sich dann auch mit dem absoluten Willen und voller Leidenschaft in der Defensive in jeden Ball und Zweikampf werfen. Es geht mir generell um die fehlende Bereitschaft, gegen den Ball zu arbeiten. Da sind wir nämlich wieder bei der einfachen Mathematik: wenn ich kein Gegentor bekomme, kann ich schon mal nicht verlieren. Und bei der Qualität der deutschen Offensive bist du immer in der Lage, vorne ein Tor zu schießen. Aber mit dieser Einstellung zur Defensivarbeit entwickelt sich in der Mannschaft eine gewisse Lässigkeit, so dass sich in der Verteidigung der eine auf den anderen verlässt. Die Konsequenz: wir sind jetzt nach Hause gefahren und nach dem Ausscheiden haben sich ja sowohl Flick als auch Bierhoff noch hingestellt und erklärt, dass sie keine Fehler gemacht hätten …

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ran: …sie meinten sogar, dass nicht nur das gesamte Trainer-, sondern auch das Organisationsteam ihrer Meinung nach sehr gute Arbeit geleistet habe. Wie bewerten Sie solche Aussagen?

Babbel: Ich fand diese Aussagen brutal deplatziert und erschütternd. Denn der Umkehrschluss ist ja: die Spieler waren schuld. Sie waren schuld an der Aufstellung, an den ganzen Auswechselungen und an den speziellen Spielerwechseln wie gegen Japan, als der komplette Spielrhythmus dadurch zerstört wurde. So bringst du eine Mannschaft aber raus, obwohl sie womöglich gerade total im Flow war. Das ist für mich also ein klares Trainer-Thema. 

ran: Welche Fehler hat Flick Ihrer Meinung nach gemacht?

Babbel: Das Spiel richtig zu lesen. Wie gegen Japan. Natürlich kann Flick jetzt argumentieren, dass es keine Schwächung ist, wenn er Leon Goretzka für Ilkay Gündogan bringt. Aber genau dieser Spieler war der vielleicht beste Mann auf dem Platz. Es hat also funktioniert. Aber offenbar war die Angst, Goretzka in dieser Situation weh zu tun und ihn eben doch auf der Bank zu lassen, größer, als den Wechsel vorzunehmen. Es geht hier letztlich um den Mut, sich auch mal gegen Namen auszusprechen. Im nächsten Spiel kann Goretzka ja vielleicht wieder von Anfang an spielen. Aber wenn Gündogan gerade ein überragendes Spiel macht, lasse ich ihn eben auf dem Rasen und nehme ihn nicht runter. Das war total unnötig. Es ist auch immer schlecht, sich von anderen abhängig zu machen.

ran: Sie meinen die Konstellation vor dem letzten Gruppenspiel?

Babbel: Natürlich gehst du als Bundestrainer nicht davon aus, dass Spanien gegen Japan verliert. Aber man muss selbst alles dafür tun und Druck auf die Spanier ausüben - und zwar mit dem klaren Ziel, mit 8:0 gegen Costa Rica zu gewinnen. Dafür hätte ich Niclas Füllkrug vorne mit reingenommen. Er ist gut drauf, treffsicher und hätte es womöglich geschafft, noch vor der Halbzeit zwei, drei Tore zu erzielen, um so die Spanier eben unter Druck zu setzen, damit die gar nicht auf falsche Gedanken kommen und das Spiel gegen Japan auf die leichte Schulter nehmen. Im Nachhinein ist man natürlich immer schlauer. Aber ich habe mich schon beim Testspiel gegen den Oman gefragt, welche Erkenntnisse Flick da rausziehen wollte. Aus meiner Sicht: Null. Denn der Bundestrainer hat in dieser Partie nicht die Spieler auflaufen lassen, mit denen er im ersten WM-Gruppenspiel geplant hat. Für mich total unverständlich. Da hätte er lieber die ganze Woche trainieren und Abläufe einstudieren sollen. Die Kritik muss er sich also gefallen lassen. Und sich dann jetzt hinzustellen und alle Schuld von sich zu weisen, finde ich enttäuschend und schwach.

ran: Beim DFB folgt nun noch eine gemeinsame WM-Analyse. Muss dort auch über Flick diskutiert werden?

Babbel: Natürlich musst du auch über ihn diskutieren. Alles andere wäre ja fahrlässig. Als DFB-Präsidium hast du jetzt natürlich wie jeder Fan in Deutschland auch sehr viele Fragen. Warum sind wir zum zweiten Mal in Folge bei einer WM ausgeschieden? Warum war die Vorbereitung so schlecht? Warum schaffen wir es nicht, in der Nations League - außer Italien - auch mal größere Gegner zu schlagen? Warum bekommen wir so viele Gegentore? Obwohl Hansi Flick jetzt da ist, könnte man ja fast meinen, es geht alles so weiter wie unter Jogi Löw. Es hat sich ja grundsätzlich nichts verändert. 

ran: Ist Flick trotzdem noch der Richtige?

Babbel: Wir brauchen über Hansi Flick und seine Erfolge als Trainer nicht diskutieren. Aber auch er muss natürlich klipp und klar kritisch hinterfragt werden. Trotzdem gehe ich stark davon aus, dass er bleibt und auf jeden Fall noch das nächste Turnier mit dieser Mannschaft bekommt.

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ran: Thomas Müller hat sich ja direkt nach dem letzten WM-Gruppenspiel gegen Costa Rica an den TV-Mikrofonen bereits mehr oder weniger von den deutschen Fans verabschiedet …

Babbel: Das war sicherlich aus der Emotion heraus. Wie schon Otto Rehhagel gesagt hat: Nimm keine Aussagen ernst, die direkt nach dem Spiel getätigt werden. Mittlerweile liest sich das alles ja schon wieder ganz anders, aber er wird sich sicherlich seine Gedanken machen. Wenn er zu dem Schluss kommen sollte, dass er sich ab sofort lieber voll auf den Verein konzentrieren will, um dort noch zwei Jahre lang auf höchstem Niveau zu spielen, dann soll er seine Nationalmannschaftskarriere lieber beenden. Ich bin aber generell kein Freund davon, alles in Frage zu stellen, nur weil einzelne Spieler ein schlechtes oder durchwachsenes Turnier gespielt haben. Nur, weil Manuel Neuer vielleicht ein, zwei Wackler drin hatte, muss deswegen beim nächsten Mal nicht gleich Kevin Trapp oder Marc-Andre Ter Stegen spielen. Außer, sie sind wirklich besser. Es muss ab sofort nur noch strikt nach Leistung gehen. Und genau da fehlt mir die Galligkeit, das wieder in den Fokus zu rücken. Da werden Spieler nicht mitgenommen, weil sie womöglich unbequem sind und Probleme klar ansprechen - denn beim DFB will man aktuell ja offensichtlich lieber Friede, Freude, Eierkuchen. So kann es aber nicht gehen. Das ist eine Zweckgemeinschaft. Und die hat ein gemeinsames Ziel: den WM-Titel. Dafür braucht es aber eben auch mal unbequeme Typen. Die sollen ja nicht als beste Freunde aus dem Turnier gehen, sondern als Weltmeister.

ran: Ist vor allem im Hinblick auf die Heim-EM 2024 ein personeller Umbruch notwendig?

Babbel: Nein, überhaupt nicht. Ich nehme mal das Beispiel Olivier Giroud bei Frankreich. Der wurde auch schon totgesagt, bringt jetzt beim AC Mailand aber top Leistungen und ist nach seinem letzten WM-Treffer in Katar nun Rekordtorschütze seines Landes. Deswegen nochmal: Die Leistung ist entscheidend. Die muss wieder voll in den Mittelpunkt gerückt werden. Und nichts anderes.

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Babbel: Das hat bei diesem Turnier natürlich schon auch viel mit der medialen Berichterstattung und der öffentlichen Wahrnehmung zu tun gehabt. Da wurden ja so viele negative Eindrücke und Horrorszenarien an die Wand geworfen, dass es auch für den DFB schwer war, die Fans in irgendeiner Art und Weise mitzunehmen. Man musste sich ja fast schon dafür entschuldigen, wenn man sich ein Spiel der deutschen Mannschaft im Fernsehen angeschaut hat. Das war und ist bei dieser WM in Katar schon sehr extrem. Ich schaue Fußball, weil ich Bock darauf und unglaublichen Spaß daran habe. Ich liebe diesen Sport einfach. Aktuell fällt einem das aber sicherlich schwer.

Und im sportlichen Bereich kann man den Fans ein "Weiter so" natürlich auch nicht verkaufen. Deswegen wird es letztlich nur über die Leistung gehen. Und wenn die stimmt, dann bringst du die Fans auch wieder hinter dich. Wir sind eine Fußballnation, wir schimpfen auf unsere Nationalmannschaft, aber wir werden sie auch wieder lieben lernen - wenn man das Gefühl hat, dass das eine Mannschaft auf dem Platz ist, die ihr Herz auf dem Rasen lässt. Genau das hat man in den letzten Monaten und Jahren leider zu wenig gesehen. Die Frauen haben das beispielsweise hinbekommen. Da hatte man das Gefühl, dass die eine für die andere da ist und sie alle rennen bis sie umfallen. Mit so einer Mannschaft kann man sich wunderbar identifizieren und die macht dann eben auch Freude.