Abschied im Sommer
Jürgen Klopp verlässt FC Liverpool: Klopp ist Liverpool und Liverpool ist Klopp - ein Kommentar
- Aktualisiert: 29.01.2024
- 13:07 Uhr
- Marcus Giebel
Jürgen Klopp hat entschieden, den FC Liverpool nach dieser Saison zu verlassen. Auf den Klub kommt damit eine Zäsur zu. Dabei scheint der Schritt gut durchdacht zu sein. Etwas fragwürdig wirkt nur der Zeitpunkt der Verkündung.
Jürgen Klopp brauchte exakt zwei Minuten, um die Fußball-Welt auf den Kopf zu stellen. Eigentlich war es nur ein Satz. Elf Worte im Englischen.
In der deutschen Übersetzung sind es nur neun. "Ich werde den Klub am Ende der Saison verlassen", begann der Teammanager des FC Liverpool das Statement, das umso mehr schockierte, weil es völlig unerwartet kam.
Wenige Minuten zuvor hatte – zumindest außerhalb der Geschäftsstelle des LFC – nichts darauf hingedeutet, dass diese so fruchtbare Zusammenarbeit zwischen dem nicht nur aufgrund seiner 1,91 Meter Körperlänge großen Trainer aus Stuttgart und dem ruhmreichen Klub von der Anfield Road auf ihr baldiges Ende zusteuern würde.
Doch nun werden es – trotz eines Vertrags bis 2026 – nur noch rund vier Monate sein, in denen Klopp die "Reds" in der Kabine einschwört, an der Seitenlinie zu Höchstleistungen anpeitscht und nach Last-Minute-Siegen auf dem Rasen herzt wie ein Vater seine Kinder.
Ihm fehle einfach die Energie, um noch weiter fortzuführen, was er seit seiner Ankunft vor mehr als acht Jahren aufgebaut hat, erklärt Klopp den Schritt, der über den Fußball hinaus nachhallen wird. Zugleich betont er, dass es keine Kurzschlussreaktion war. Ihm sei schon länger bewusst gewesen, dass es so kommen werde. So kommen müsse.
Das Wichtigste in Kürze
Klopp verlässt Liverpool: LFC wurde zu seinem Klub
Außerdem verteilt der 56-Jährige eine ganze Menge Liebe. An die Fans. Das Team. Die Mitarbeiter. Die Stadt. Den Klub, den er in all den Jahren irgendwie zu seinem Klub gemacht hat.
Sich den FC Liverpool ohne Klopp vorzustellen, scheint aktuell unmöglich. Und viele, die mit ihm fiebern, werden in den kommenden Tagen und Wochen mit aller Macht verdrängen wollen, welcher Einschnitt im Sommer auf den Verein zukommt.
Das ist der Verdienst von Klopp. Als er kam, wankte der jahrzehntelang erfolgsverwöhnte LFC gewaltig, durchlebte in einer sportlichen Dürreperiode seine von den Leistungen und Ergebnissen her vielleicht schlimmsten Jahre. War bei wichtigen Weichenstellungen ein paar Mal zu oft falsch abgebogen.
Natürlich schwang bei seiner Verpflichtung die Hoffnung mit, dass Klopp den Verein wieder heraus aus der Düsternis und zurück ins Licht führen würde. In Richtung Platz an der Sonne.
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Klopp und der FC Liverpool: Viel mehr als nur Titel
Doch was dann folgte, hätte wohl niemand so erwarten können. Sechs Mal nacheinander führte Klopp den FC Liverpool in die Champions League, drei Mal gar ins Finale – mit dem Triumph 2019 als Kirsche auf der Sahne.
2022 holte er das Pokal-Double aus FA Cup und League Cup. Doch über allem schwebt die Meisterschaft 2020 – nach 30 Jahren Warten, Anrennen, Stolpern und Verzweifeln.
Klopps Verdienste um den FC Liverpool aber sind nicht allein mit Trophäen zu beziffern. Er gab dem Klub auch wieder eine Identität. Dank seiner stets nach außen getragenen Emotionalität, die wohl keinem anderen Klub in Europa besser zu Gesicht steht.
Mit seinem Tempofußball, den er selbst Heavy-Metal-Fußball getauft hat. Und mit seiner Menschenfänger-Mentalität, mit der er nicht nur Klubbosse, Spieler und Fans in seinen Bann zieht.
Damit ist es ihm gelungen, dass der LFC immer mehr Menschen begeisterte. Außerhalb des Mutterlands des Fußballs. Sicher auch fernab des Fußball-Kosmos. Vielleicht sogar Supporter der Premier-League-Konkurrenz.
Es ist einfach "in", den einst erfolgreichsten Verein Englands abzufeiern. Dank Klopp.
Klopps letztes Jahr in Liverpool: Vier Titel sind möglich
Heute scheint es, als wäre Klopp der FC Liverpool. Und der FC Liverpool Klopp. Und dieses Gefühl wird wohl auch über den Sommer hinaus noch eine ganze Weile anhalten.
Wenn Klopps Farewell bereits Realität ist.
Klopp kann man zu dieser Entscheidung nur gratulieren. Anders als bei Borussia Dortmund, als er aus dem Tabellenkeller seinen Abschied bekanntgab, verabschiedet sich Klopp diesmal aus einer Position der Stärke.
Während sein Zauber in der vergangenen Saison verflogen zu sein schien, seine Ansprachen nicht mehr zu verfingen schienen, der FC Liverpool monatelang im Tabellenmittelfeld herumdümpelte und letztlich die Champions-League-Qualifikation verpasste, ist aktuell alles möglich.
Auch das Quadruple. Das Team steht im Finale des League Cup, dort wartet der aktuell in sportlicher Hinsicht an den FC Liverpool vor Klopp erinnernde FC Chelsea. Im FA Cup steht in der 4. Runde am Sonntag das Heimspiel gegen Zweitligist Norwich City an.
In der Europa League warten Klopp & Co. noch auf ihren Achtelfinal-Gegner. Am wichtigsten aber: Als Tabellenführer der Premier League hat das Klopp-Team derzeit fünf Punkte Vorsprung auf die Konkurrenz. Auch wenn Manchester City noch ein Spiel mehr zu bestreiten hat.
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Klopp und seine Zukunft: Geht er zum DFB oder zum FCB?
Klopp hat also den Turnaround geschafft. Und nach den Abschieden von Sadio Mane, Roberto Firmino, Jordan Henderson oder Fabinho auch den dringend nötigen Generationswechsel in die Wege geleitet.
Diesen fortzuführen, traut er sich nicht mehr zu. So ehrlich müsse er sein, sagte Klopp in seinem Statement. Seinem Nachfolger überlässt er eine Mannschaft, mit der viel möglich ist. Auch wenn sein übergroßer Schatten dessen Arbeit zweifellos erschweren wird.
Klopp selbst dürfte sich vor Angeboten kaum retten können. Gerüchte über ein Engagement als Bundestrainer oder als Nachfolger von Thomas Tuchel beim FC Bayern München machen bereits die Runde und werden sich kaum einbremsen lassen.
Aber egal, wohin es Klopp führt und was in seinen letzten Monaten in Liverpool auf dem Rasen noch passiert: Er geht, wie die wenigsten Trainer, auf dem Höhepunkt. Und zeigt damit, dass auch ein Idol für Millionen letztlich nur ein Mensch ist, der irgendwann leer läuft und eine Pause braucht.
Ein triumphaler Abgang ist ihm zu wünschen. Denn Klopp hat sicher nicht alles, aber eben doch sehr, sehr viel richtig gemacht in seiner Zeit als Teammanager des FC Liverpool. Auch an diesem schon jetzt fußballhistorischen 26. Januar 2024.