Handball-EM 2024
Deutschland vs. Schweiz – ran vor Ort beim Weltrekordspiel: Culcha Candela, Steinmeier und der liebe Wolff
- Veröffentlicht: 11.01.2024
- 18:28 Uhr
Das Weltrekordspiel hielt, was es versprach: Düsseldorf feierte eine ausgelassene Handball-Party zum EM-Auftakt. ran war vor Ort und schildert einige kuriose, schöne und merkwürdige Beobachtungen.
Von der Handball-EM berichtet Jonas Rütten.
"Willst du mich verarschen?!" "Die gibt’s noch?!" "Toten Hosen auf Wish bestellt?"
Der Hallensprecher hatte seine Ankündigung der HipHop-Gruppe "Culcha Candela" als Main Act der Eröffnungsfeier kaum beendet, da blitzen schon die ersten hämischen Kommentare auf meinem Handy auf von Freunden, die wissen, dass ich in diesen Tagen die deutsche Handball-Nationalmannschaft bei der Heim-EM begleiten darf.
Und für wahr: Ein Grinsen kann ich mir in diesem Moment nicht verkneifen. Während die 2000er in Form von "Hamma" und "Monsta" ihre glorreichste Wiederauferstehung seit der Rückkehr der Y2K-Mode mit ihren Low Waist Baggy Jeans feiern, überlege ich, wann ich zuletzt irgendetwas bewusst von "Culcha Candela" gehört habe.
Mindestens eines meiner drei Lebens-Jahrzehnte könnte seitdem ins Land gezogen sein. Aber sei’s drum, das Publikum vor Ort stört es nicht. Und immerhin hat "Culcha Candela" den offiziellen EM-Song selbst geschrieben. Zumindest fast.
Nicht mitbekommen? Der "neue" Hit der Band, der zum Abschluss des Auftritts aus den Boxen dröhnt, ist ein Remix des 1980er-Hits "Celebrations" von "Kool & the Gang".
Wollten die Organisatoren den deutschen Handball in einem modernen und frischen Licht vor der europäischen Öffentlichkeit erstrahlen lassen, dann ist ihnen das mit dieser Besetzung eher misslungen.
Das Wichtigste in Kürze
Handball-EM 2024: Frank-Walter Steinmeier sorgt für verdutzte Blicke
Zum Glück für die Veranstalter und "Culcha Candela" hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wenige Augenblicke zuvor den Main Act der Feier ohnehin zur Nebensache werden lassen.
Erst streikt die Stadion-Technik bei seiner Eröffnungsansprache - immer wieder gibt es kurze Mikrofon-Aussetzer. Dann streikt sein Englisch. Sehr holprig begrüßt er die Zuschauer im Stadion und an den Bildschirmen in ganz Europa zur "men‘s handball championship twenty twenty two … four".
Verdutzte Blicke, unangenehm laut vernehmbares Gelächter im Stadion und hinter mir fragt sich ein Fan im Scherz, ob "dem Frank" vielleicht das Düsseldorfer Altbier zu gut geschmeckt habe. Dem sonst so eloquenten und freisprechenden Steinmeier könnte aber auch einfach die Bullenhitze zu schaffen gemacht haben.
Unter dem Dach der Arena ist es unfassbar warm. Heizstrahler hatten den Innenraum und die Tribünen im Oberrang seit dem frühen Nachmittag erfolgreich an die klimatischen Bedingungen eines Brutkastens angepasst.
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Andreas Wolff gelingt gegen die Schweiz alles – auch als Ersthelfer
Doch ausgerechnet dem einzigen deutschen Spieler mit langer Arbeitskleidung scheint das während des Spiels nichts auszumachen. Während mir die Schweißperlen auf der Stirn stehen, bleibt Andreas Wolff eiskalt und treibt die Schweiz mit 61 Prozent gehaltener Bälle in die Verzweiflung. Nicht unbedingt die deutschen Tore, sondern die Weltklasse-Paraden Wolffs bringen die Stimmung in Düsseldorf auf den Siedepunkt.
Sogar als Ersthelfer tritt der 32-Jährige an diesem Abend in der 40. Minute in Erscheinung, hilft einem sichtlich angeschlagenen Fotografen, der einen Pfostenabpraller knallhart ins Gesicht bekommen hatte und von Sanitätern versorgt werden musste. Aus dem einst so bösen Wolff, ist der liebe, geläuterte Wolff geworden.
Und als Bundestrainer Alfred Gislason endlich ein Erbarmen mit den Eidgenossen hat, folgt er, der Gänsehautmoment des Abends. Gislason nimmt Wolff knapp zehn Minuten vor dem Spielende und für jeden Zuschauer offensichtlich runter. Standing Ovations, donnernde "Andi Wolff"-Fangesänge, Ehre, wem Ehre gebührt.
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Apropos Ehre. Zahlreiche Zuschauer im Unterrang kommen zu der "Ehre", eine Art gelbes Regencape überzustreifen, um Werbung für den "Frische-Sponsor" des DHB und der EM zu machen. Sie formen ein großes, gelbes "L" für die Supermarkt-Discounter-Kette "Lidl". Dagegen wirkt das berühmt berüchtigte weiße "T" der Telekom, das bei Heimspielen des FC Bayern zu bestaunen ist, fast schon mickrig.
Generell wirkt alles im Handball vorher da gewesene mickrig im Vergleich zu den Dimensionen in Düsseldorf. Beispiel gefällig? Ein angekündigter Fan-Marsch von knapp 3000 sangesfreudigen Eidgenossen vor dem Spiel legte vier Stunden vor Spielbeginn eine Hauptverkehrsstraße lahm. Wann hat es sowas schon mal vor einem Handball-Länderspiel in Deutschland gegeben?
Insgesamt steht am Ende ein gut organisiertes Event für die Geschichtsbücher mit nur wenigen Makeln. Es ist ein Abend wie im Rausch, der dem DHB für immer in Erinnerung bleiben wird.
Und wer weiß, wo dieses historische Ereignis die Nationalmannschaft hinführt? Wenn das mit dem EM-Titel tatsächlich klappen sollte, bin ich der erste, der "Culcha Candela" bei der Siegesfeier fordert. Denn das wäre tatsächlich einfach "H-A-Doppel-M-E-R".