Handball-EM 2024 in Deutschland
Handball-EM: Juri Knorr übt nach DHB-Pleite im Halbfinale gegen Dänemark heftige Selbstkritik
- Aktualisiert: 27.01.2024
- 08:21 Uhr
- Jonas Rütten
Viel hat nicht gefehlt, doch am Ende war EM-Topfavorit Dänemark für die deutsche Handball-Nationalmannschaft eine Nummer zu groß. Statt stolz auf den großen Halbfinal-Fight und die Chance auf Bronze und die Olympia-Qualifikation zu sein, übte Offensiv-Leader Juri Knorr beißende Selbstkritik. Seine Rolle sorgte an diesem Abend in Köln zudem auch spielerisch für große Verwirrung.
Von der Handball-EM aus Köln berichtet Jonas Rütten
Juri Knorr stand mit leeren Augen da. Er schaute niemanden an, war kreidebleich und sichtlich angefasst, als er nach der knappen, aber verdienten 26:29-Niederlage der DHB-Auswahl gegen Handball-Weltmacht Dänemark in den Katakomben der Lanxess-Arena vor die Mikrofone trat.
Die erste Frage, ob er stolz auf die bisherige EM und das erreichte Halbfinale, sowie die Chance auf eine Medaille und die Olympia-Qualifikation sei, wiegelte er sofort.
"Nein, jetzt nicht", sagte der so wichtige und hochveranlagte deutsche Spielmacher völlig gefrustet am ran-Mikrofon: "Wir hatten heute die große Möglichkeit, etwas ganz Besonderes zu schaffen. Es sind schon viele Mannschaften ins Halbfinale gekommen, und ja, es ist ein großer Erfolg. Alles schön und gut. Aber wir haben es nur eine Halbzeit gut gemacht, nicht zwei Halbzeiten. Das ist extrem bitter."
Tatsache: Deutschland hatte die mit Weltstars gespickte Auswahl Dänemarks – immerhin dreimal Weltmeister in Folge – in der ersten Halbzeit zur Verzweiflung getrieben. Mit knallharter Abwehrarbeit, hoher Intensität und Effektivität begeisterte die Mannschaft von Bundestrainer Alfred Gislason die 20.000 Fans in der tobenden Kölner Arena.
Das Wichtigste in Kürze
DHB-Star Juri Knorr schiebt Frust pur: "Habe nicht alles gegeben!"
Mit einer 14:12-Führung ging die DHB-Auswahl in die Katakomben, mit einem respektablen 26:29 konnte sie dann nach großem Kampf erhobenen Hauptes die Platte verlassen. Eigentlich. Doch Knorr hatte unmittelbar danach anderes im Sinn und übte heftige Kritik – nicht an der Mannschaft, sondern explizit an sich selbst.
"Ich wollte mir im Nachhinein nichts vorwerfen lassen. Doch das tue ich. Nicht nach der ersten Halbzeit, aber nach der zweiten. Ich habe für mein Gefühl nicht alles gegeben, mich nicht noch mehr in jeden Zweikampf geworfen. Ich bin enttäuscht von mir. Irgendwann wird bestimmt das Gefühl kommen, dass das kein schlechtes Turnier war. Aber heute nicht", gestand er ein.
Knorr war gegen Dänemark in den ersten 30 Minuten ein perfekter Taktgeber für die deutsche Mannschaft gewesen, hatte kaum Fehler gemacht, gut mit Nebenmann Renars Uscins harmoniert, Tore vorbereitet (4) und selbst erzielt (4).
Doch nach der Pause war von diesem Knorr aus der ersten Halbzeit kaum noch etwas zu sehen. Das lag besonders daran, dass der deutsche Schlüsselspieler in der Offensive kaum noch spielte, als das Halbfinale aufgrund der exzellenten Torhüter-Leistung von Emil Nielsen (42 Prozent gehaltene Bälle) und einer verschärften 7-gegen-6-Taktik im Offensivspiel der Dänen in Richtung des amtierenden Weltmeisters kippte.
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Handball-EM - Deutschland vs. Dänemark: Wolff, Knorr, Köster, Golla und Co. - Noten der DHB-Stars
Alfred Gislason erklärt Knorr-Verzicht: "Hat selbst um Pause gebeten"
Darauf angesprochen, verwies Bundestrainer Alfred Gislason auf das hohe Pensum (299 Minuten), das Knorr im Turnierverlauf aufgrund seiner Unverzichtbarkeit hatte gehen müssen.
"Er hat bis jetzt nicht so wenig gespielt im Turnier", sagte Gislason mit ironischem Unterton: "Er kam selbst raus und hat um eine Pause gebeten. Dann kam Philipp Weber rein, der es sehr gut gemacht hat. Ich war immer wieder kurz davor, Juri einzuwechseln, habe es dann aber nicht gemacht."
Am Ende kam Knorr auf lediglich 37 Spielminuten. Eine magere Ausbeute, angesichts der Wichtigkeit des Spiels und der Qualitäten von Knorr. Weniger waren es nur gegen die Schweiz, Nordmazedonien und Kroatien. Also entweder in deutlichen oder "unwichtigen" Spielen, in denen Schonung möglich war. Der Verzicht auf Knorr in den entscheidenden Phasen gegen Dänemark war für Gislason mit der Kraftfrage ausdiskutiert. Nicht aber für Knorr selbst.
"Es kann keine Kraftfrage sein, weil Gidsel und Pytlick auch 60 Minuten durchspielen, die knallen sich in jeden Zweikampf", sagte der 23-Jährige bei der „Sportschau".
Woran aber hat es dann gelegen? Möglicherweise an der Erkältung, die ihm schon in der Vorrunde zu schaffen machte? "Ich weiß nicht warum, ich muss härter in die Zweikämpfe gehen, muss mehr Verantwortung übernehmen", antwortete Knorr und verschwand frustriert in die Kölner Nacht.
Sonntag um Bronze und Olympia
Am Sonntag kämpft die deutsche Handball-Nationalmannschaft um die Bronzemedaille und direkte Olympia-Qualifikation gegen Schweden (ab 15 Uhr im LIVETICKER). Der Titelverteidiger war in einem dramatischen Halbfinale an Frankreich in der Verlängerung gescheitert, nachdem Elohim Prandi die Franzosen per unfassbarem Freiwurf nach der Schlusssirene erst in die Overtime gerettet hatte.
Für Knorr wäre ein solcher "Heartbreak" in letzter Sekunde besser zu verkraften gewesen, als die aus seiner Sicht bittere, weil unnötige Niederlage gegen die nach wie vor beste Nationalmannschaft der Welt. "Wenn wir in letzter Sekunde durch ein Tor verlieren, kann ich das akzeptieren. Aber ich will nicht so verlieren, dass ich nach dem Spiel das Gefühl habe, nicht alles rausgehauen zu haben."
Dazu hat er nun gegen Schweden am Sonntag noch einmal die Möglichkeit.