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Handball-EM

Handball-EM - Juri Knorr zwischen Genie und Wahnsinn: Warten auf den Heilsbringer

  • Veröffentlicht: 20.01.2024
  • 10:30 Uhr
  • Andreas Reiners
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Die deutschen Handballer können sich auf Andreas Wolff verlassen, er trägt das DHB-Team durch die Heim-EM. Spielmacher Juri Knorr hingegen hat noch nicht ganz in das Turnier gefunden.

Aus Köln berichtet Andreas Reiners

Juri Knorr sagte nichts.

Er stapfte schnurstracks in die Kabine, vorbei an den Journalisten. Ein kurzer Blick, schnelle Schritte, weg war er.

Was ungewöhnlich ist. Denn Handballer sind keine Fußballer. Die DHB-Jungs genießen Euphorie und Hype natürlich in vollen Zügen, lassen sich gerne und ausgiebig feiern. Nach dem 26:24 gegen Island zum Hauptrunden-Auftakt bei der Heim-EM war die Stimmung aufgekratzt, die Schlussphase war wild, aber auch ekstatisch.

Genauso stellen sie sich aber auch, wenn es nicht läuft. Wenn es Gegenwind gibt, kritische Fragen. Die hätte es am Donnerstagabend in der Kölner Lanxess Arena für Knorr durchaus gegeben.

Denn der hochveranlagte Spielmacher erwischte einen schwächeren Tag. Überragend war er gegen Nordmazedonien, gegen die Schweiz gut, gegen die Franzosen eher Durchschnitt, gegen Island um seinen Rhythmus, um Kreativität und Lücken kämpfend. Die offensive Abwehr der Isländer entnervte ihn oft, hebelte seine Stärken ein Stück weit aus.

Ein Geduldsspiel für ihn, das Kräfte und Nerven kostete. Und Leistung.

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Das Wichtigste in Kürze

Juri Knorr: Gerade einmal 23 Jahre alt

Man muss sich das parallel dazu aber immer mal wieder ins Gedächtnis rufen: Der Junge ist gerade einmal 23 Jahre jung. Er steht so gesehen am Anfang seiner Karriere, und da ist es nicht ungewöhnlich, wenn man mit so viel Talent ausgestattet schon mal zwischen Genie und Wahnsinn schwankt. Solange das Geniale deutlich überwiegt, ist das bis zu einem gewissen Grad zu verschmerzen.

Es ist aber auch kein Geheimnis, dass es ihn irgendwann geben muss, den Schritt in die Weltklasse. Über die Grenze hinweg, die die sehr guten Spieler von den ganz Großen trennt. Nationalspieler ist er immerhin seit 2020.

Knorr prallt an dieser Grenze trotzdem (noch) immer wieder ab.

Eigentlich wäre die Heim-EM prädestiniert für diesen Schritt. Möglicherweise ist aber die Last, die emotionale, die mentale, aber auch spielerische in diesem verheißungsvollen, aber noch unfertigen Kader noch ein bisschen zu viel für seine Schultern. Denn er ist derjenige, der sich gerne alles auf selbige lädt, alles lösen, überall helfen, überall sein will.

Nach vier Spielen ist er mit 30 Toren der treffsicherste Spieler des Turniers, seine Effizienz liegt bei 60 Prozent, da sind andere noch etwas besser. Zwölf Mal war er bei Siebenmetern erfolgreich, bei 15 Versuchen. Gute Zahlen, aber für den Auftritt gegen Island kassierte er Legenden-Schelte.

"Die Isländer waren immer direkt dran an ihm, aber gerade dann musst du dich mehr bewegen, andere Positionen suchen. Das war alles viel zu statisch", sagte Ex-Nationalspieler Pascal Hens im Dyn-Talk "Harzblut".

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Juri Knorr: Kritik von Legenden

Stefan Kretzschmar betonte, dass es für Knorr die erste große Erfahrung nach dem Pokal-Final-Four mit den Löwen in der Köln-Arena gewesen sei: "Es war sein erstes Spiel in diesem Ausmaß. Da machst du dir vorher schon Gedanken. Er wollte das besonders cool, besonders lässig, besonders gut machen. Wenn du das willst als Juri Knorr, der ein wenig Basketball-verwandt ist, dann verfällst du in diesen Stand-Handball. Dann denkst du, du machst hier einen auf Stratege, verteilst die Bälle, der Kreisläufer ist schon irgendwie frei. Und das ist eben genau falsch." Auch Kretzsche kritisierte ein zu statisches Spiel.

Fakt ist: Knorr ist für Bundestrainer Alfred Gislason und die Nationalmannschaft so etwas wie der Heilsbringer. Er spielt fast immer, wird kaum geschont. Denn wenn er fehlt, macht sich das brutal bemerkbar. Im negativen Sinne. Echte Alternativen sieht der Bundestrainer aktuell aber nicht, Philipp Weber ist für den Isländer keine Option. Nils Lichtlein auch nicht.

Dabei wäre ein Wechsel "gut gewesen, denn Juri hätte sicherlich auch mal ein paar Minuten Sauerstoff fürs Hirn gebraucht", meint Michael Kraus, und Hens ätzte: "Das ist bei Juri so ein Selbstmordkommando manchmal. Er schmeißt diesen einen Pass dahin bei 17:17 – und gleich noch mal. Das ist so Harakiri."

Juri Knorr: Gislason widerspricht Kritik

Doch Gislason stellt sich vor seinen Leistungsträger. "Juri hat sehr gut gedeckt. Er hat nicht eines seiner besten Spiele gemacht – ohne Frage. Ich weiß nicht, ob ich die, die das gesagt haben, bewerten soll oder Juri. Ich habe natürlich auch schon viele Harakiri-Aktionen von Kretzsche erlebt als Trainer und er ist trotzdem auf dem Spielfeld geblieben", sagte er der "Sport Bild".

Gislason weiß, was er an Knorr hat. Deshalb wird der natürlich auch am Samstag im zweiten Hauptrundenspiel gegen Überraschungsmannschaft Österreich die Fäden ziehen. Gislason hofft, dass Knorr dann endlich wie Torhüter Andreas Wolff der zum richtigen Zeitpunkt aufdrehende Fixpunkt sein kann, der er unbedingt sein will.

Sein muss. Damit er die passenden Antworten auf der Platte geben kann.

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