Handball-EM
Handball-EM: So rennt das DHB-Team sehenden Auges in das EM-Aus – ein Kommentar
- Aktualisiert: 22.01.2024
- 10:18 Uhr
- Andreas Reiners
Die deutschen Handballer wissen, um was es geht, auf was es ankommt. Trotzdem rennen sie sehenden Auges in das EM-Aus. Ein Kommentar.
Aus Köln berichtet Andreas Reiners
Vielleicht war es Zufall. Doch die Ähnlichkeit bei der "Wutrede" ist schon frappierend.
"Ich weiß nicht, was ihr wollt. Ich glaube, ihr wollt, dass wir erfolgreich sind, oder? Dass wir wieder ein Wintermärchen für die Leute schaffen, einfach schöne Momente für jeden schaffen, der da draußen ist", sagte der zuletzt arg in der Kritik stehende Juri Knorr nach dem 22:22 der deutschen Handballer gegen Österreich.
Alle Informationen zum nächsten Hauptrunden-Spiel zwischen Deutschland und Ungarn findest du hier.
Und legte nach: "Wenn wir alle das gleiche Ziel haben, dann sollten wir auch so lange dafür arbeiten, solange es möglich ist."
Knorr musste das nach der teils harschen Kritik der vergangenen Tage loswerden, er war durchaus angefasst, aber bestimmt.
Dabei verbreitete er ein bisschen Mertesacker-Eistonnen-Vibes in der Mixed Zone der Lanxess Arena. Zumindest weckten die Aussagen Erinnerungen an Per Mertesackers legendäres "Was wollen Sie jetzt?"-Interview bei der Fußball-WM 2014.
Das Problem dabei: Die deutschen Handballer wissen eigentlich selbst, was sie wollen.
Das Wichtigste in Kürze
DHB-Team: Warnschüsse gab es genug
Sie wissen auch, um was es geht, auf was es ankommt. Sie wussten auch, was sie gegen Österreich erwartet, wie das Überraschungsteam agieren und reagieren wird.
Trotzdem rennen sie sehenden Auges in das EM-Aus. Und das ist unverständlich.
Warnschüsse gab es bereits ein paar, Hinweise darauf, welche Fehler man macht. Immer wieder wurde angesprochen, was man anders, was man besser machen müsse. Fehler werden aber nur zu einem Teil abgestellt, einige wiederholen sich immer noch.
23 Fehlwürfe leistete sich das deutsche Team gegen Österreich, dazu elf technische Fehler. Absolute Horror-Zahlen. Die Chancenverwertung ist und bleibt ein eklatantes Manko, offensiv war das Spiel ein Offenbarungseid.
Knorr weiß selbst am besten, dass er – auch geschwächt von einer Erkältung – noch kein glanzvolles Turnier spielt. Trotzdem findet er noch zu wenig Lösungen, um das statische Spiel, den Stand-Handball, beweglicher zu machen. Das deutsche Spiel ist inzwischen breiter, was aber nicht viel bringt, wenn die sich bietenden Chancen dann nicht genutzt werden.
Dass die Chancenverwertung, die Qualität vor dem Tor, eine Katastrophe war und die erwähnten Zahlen im Normalfall tödlich sind, weiß das Team um Bundestrainer Alfred Gislason tatsächlich selbst am besten. Das geht auch höchstens ein Mal gut. So gesehen war Österreich der finale Warnschuss.
Eine Kraftfrage wollte Gislason übrigens nicht zulassen, auch wenn es so aussieht, dass sich der Akku bei dem ein oder anderen bereits kräftig entladen hat.
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Handball-EM 2024 - DHB-Noten gegen Österreich
DHB-Team: Müdigkeit zählt nicht
"Wir können über müde hier oder müde da reden, aber das zählt überhaupt nicht", sagte Gislason und verwies auf die Leistungsträger des Gegners, Lukas Hutecek und Mykola Bilyk, die durchgehend auf der Platte stehen. "Müde sind die nicht", sagte Gislason: "Also ist das auch ein bisschen Einstellungssache."
Es wirkte gegen Österreich tatsächlich so, dass die Nachbarn, aufgeputscht durch ihren eigenen EM-Lauf, es zwischenzeitlich vielleicht ein klein wenig mehr wollten.
Aber: Das deutsche Team kann bei aller Kritik trotzdem drei wichtige Mutmacher mit in die beiden entscheidenden Spiele gegen Ungarn am Montag (ab 20:30 Uhr im Liveticker) und Kroatien am Mittwoch (ab 20:30 Uhr im Liveticker) nehmen. Zum einen die späte, aber irre Aufholjagd, zwölf Minuten vor Ende lag man mit fünf Toren im Hintertreffen. Offensive Grausamkeit hin oder her: Kampfgeist und Moral sind auch Qualitäten.
DHB-Team: Es gibt Mutmacher
Für sich alleine werden sie allerdings nicht reichen, selbst ein verlässlich auf Weltklasse-Niveau spielender Andi Wolff nicht. Dass die gesamte Abwehr konstant stark agiert, ist aber ebenfalls ein Pluspunkt. Es wird allerdings beinahe vergessen, dass schon eine "normale" Leistung des aktuell besten Keepers der Welt wohl zu Niederlagen gegen Island und auch Österreich geführt hätte.
Ein weiteres Faustpfand ist das Publikum. Die Aufholjagd wurde auch immens forciert und angetrieben durch die tobenden Fans. Die Halle hat wie erwartet längst Finalrunden-Niveau.
Die deutschen Handballer noch nicht. Vielleicht hilft ja die Eistonnen-Ansage.
Die DFB-Jungs holten anschließend bekanntlich in Brasilien den Titel.