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Formel 1 - George Russell vs. Max Verstappen: F1-Zoff eskaliert komplett

Vor dem letzten GP des Jahres schwelt der Streit zwischen den beiden Formel-1-Piloten weiter. Im Raum steht ein brisanter Vorwurf.

Treffen sich zwei Fahrer im Formel-1-Qualifying in Katar, aber witzig findet das keiner von beiden. Erst recht nicht, weil die Beinahe-Kollision vom vergangenen Samstag immer höhere Wellen schlägt. Denn nachdem Max Verstappen nach seinem Grand-Prix-Sieg am Sonntag angegeben hat, allen Respekt vor George Russell verloren zu haben, setzte nun Russell zu einem verbalten Konter an.

Am Medientag vor dem Finale der Formel 1 in Abu Dhabi sagte Russell, er finde das alles "ziemlich ironisch", wenn man bedenke: "Noch am Samstagabend sagte er, er werde absichtlich eine Kollision mit mir auslösen, um mich - ich zitiere - 'einen Kopfstand an der Bande' machen zu lassen."

"Wenn also jemand die Integrität einer Person in Frage stellt, aber tags davor solche Äußerungen getätigt hat, dann ist das in meinen Augen sehr ironisch. Und ich werde das so nicht akzeptieren", meint Russell.

Ein klärendes Gespräch mit Verstappen strebt Russell aber nicht an. Er habe "kein Interesse, mit ihm darüber zu sprechen oder etwas wieder gutzumachen", so der Mercedes-Fahrer. Begründung: "Ich glaube, das ist sein Problem. Mir bereitet das sicher keine schlaflosen Nächte."

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Verstappen bleibt bei seiner Haltung

Doch Verstappen gibt sich in der Pressekonferenz ebenfalls ganz entspannt: "Ich bereue gar nichts. Denn ich habe alles, was ich gesagt habe, genau so gemeint. Und so ist es immer noch. Wenn ich es nochmal machen müsste, würde ich vielleicht sogar noch mehr sagen, jetzt wo ich weiß, wie das Rennen ausgegangen ist."

Denn Verstappen ist immer noch "fassungslos" darüber, "wie man sich so verhalten kann bei den Sportkommissaren. Für mich ist das nicht akzeptabel, weil wir alle Rennfahrer sind. Wir respektieren uns gegenseitig. Wir machen sogar zusammen Sport und wir reisen zusammen."

"Natürlich knirscht es auch mal, man miteinander kollidiert, oder es gibt etwas, mit dem man nicht zufrieden ist. Aber in meiner gesamten Karriere habe ich nichts Vergleichbares erlebt wie [am Samstag] bei den Sportkommissaren in Katar. Das war in meinen Augen wirklich inakzeptabel. Und das hat nichts damit zu tun, dass er der Direktor der Fahrergewerkschaft ist."

"Ich habe es einfach noch nie erlebt, dass jemand wirklich aktiv und vehement versucht, jemandem eine Strafe aufs Auge zu drücken", sagt Verstappen. "Er log über das, was ich tat und warum ich es tat. Und es hatte klarerweise einen Einfluss [auf das Urteil]. Das war wirklich nicht nett. Es war sogar ziemlich schockierend, was da vor sich ging."

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Russell wollte witzig sein - und kam nicht so gut an

Russell empfindet es ganz anders. Für ihn war die Sache schon am Sonntagmorgen abgehakt: "Ich hatte auf der Fahrerparade beinahe mit ihm darüber gescherzt, als wir bei Carlos [Sainz] und Checo [Perez] standen."

"Ich kam dazu, legte ihm meinen Arm um die Schulter und lachte. Ich fragte ihn, wie es ihm gehe. Und ich sagte im Scherz zu Carlos: Hör dir mal an, was dieser Kerl gestern zu mir gesagt hat. Und ich sah es in seinen Augen, dass er es so meinte."

Diese Szene hat auch Red-Bull-Teamchef Christian Horner beobachtet und will darin eine zusätzliche Motivation für Verstappen erkannt haben, Russell um jeden Preis zu besiegen beim Katar-Grand-Prix.

Und obwohl eine gewisse Spannung in der Luft lag, verlief der Rennstart mit Russell auf P1 und Verstappen auf P2 in der Startaufstellung dann "ziemlich zahm", so beschreibt es Russell. "Wir haben es ihm recht einfach gemacht, weil er einen sehr guten Start hatte. So einfach war es." Damit war die Vorentscheidung gefallen im Rennen, der Zwischenfall aus dem Qualifying aber wirkte weiter nach.

Während Verstappen nach der Zieldurchfahrt in Richtung Russell eskalierte, pocht Russell weiterhin darauf, nichts Ungewöhnliches getan zu haben. "Selbst Carlos sagte zu Max: 'Du würdest es doch bei den Sportkommissaren genau gleich machen. Am Sonntag machte er es auch genau gleich. Das ist ja auch in Ordnung", meint Russell.

Er spielt auf den Funkspruch Verstappens an, als sich dieser über seinen Verfolger Lando Norris im McLaren beschwert und einen möglichen Gelb-Verstoß meldet. "Das ist nichts Persönliches", sagt Russell. "Das gehört einfach zum Motorsport dazu. Wenn du siehst, dass ein Mitbewerber gegen die Regeln verstößt, dann machst du darauf aufmerksam."

So sieht es übrigens auch Norris selbst. Er meint: "Jeder Formel-1-Fahrer würde das so machen. So sind die Regeln. Max hat beobachtet, wie ich einen Regelverstoß begangen habe. Er hat es ausgesprochen. Und das ist völlig in Ordnung für mich."

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Warum es Verstappen "zu weit" getrieben hat laut Russell

Ausdrücklich nicht in Ordnung ist laut Russell, wie abfällig sich Verstappen geäußert hat, indem er Russell unterstellte, dieser habe ihm eine Strafe reinwürgen wollen. Das sei "vollkommen respektlos und unnötig" gewesen, sagt Russell.

"Auf der Strecke kämpfen wir hart miteinander. Das gehört dazu. Vor den Sportkommissaren kämpft man ebenfalls hart, aber es wird nie persönlich. Aber jetzt hat es Max zu weit getrieben. Anzukündigen, man werde absichtlich in jemanden reinfahren und ihn 'auf den Kopf stellen', das geht zu weit."

Aber Verstappen "schikaniert die Leute schon seit Jahren", meint Russell. "Seine fahrerischen Fähigkeiten stehen außer Frage. Aber er kann nicht damit umgehen, wenn mal was gegen ihn läuft. Dann schlägt er um sich."

Als "Beweis" führt Russell drei Rennen aus der jüngeren Formel-1-Vergangenheit an und sagt schlicht: "Dschidda 2021. Brasilien 2021. Budapest 2024." Letzteres fasst Russell noch mit einigen Worten zusammen, die beiden vorherigen Grands Prix lässt er einfach so stehen.

Die Ereignisse der angesprochenen Rennen sind hinreichend bekannt: In Dschidda kam es 2021 im Endspurt des WM-Titelkampfs zwischen Verstappen und Russell-Teamkollege Lewis Hamilton zu diversen strittigen Szenen. Mehrfach wurden Verstappen illegale Überholmanöver gegen Hamilton attestiert, weshalb er sich wieder zurückfallen ließ. Beim zweiten Vorfall bremste er so abrupt, dass er mit Hamilton kollidierte.

In Brasilien wehrte sich Verstappen im Zweikampf mit Hamilton, indem er beim Überholversuch in Kurve 4 die Strecke verließ und so die Position halten konnte. Am Ende aber setzte sich trotzdem Hamilton durch und gewann das Rennen. Die WM ging beim skurrilen Finale 2021 in Abu Dhabi jedoch an Verstappen.

Seither wird in der Formel 1 darüber diskutiert, was eigentlich erlaubt ist im Zweikampf und was nicht. Erst vor wenigen Wochen betonte Russell als ein Direktor der Fahrergewerkschaft: 19 Fahrer seien sich in dieser Frage einig, nur einer bliebe auf der Strecke. Er nannte Verstappen nicht beim Namen, meinte aber den nun viermaligen Weltmeister.

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Was zu viel ist, ist zu viel, findet Russell

Warum also spricht sich Russell jetzt auf einmal deutlich gegen Verstappen aus? "Weil er sich in der Presse geäußert hat", sagt Russell. "Ich finde, er hat sich respektlos gegenüber mir verhalten."

"Ich kenne ihn seit zwölf Jahren. Wir haben uns immer respektiert. Wir hatten nie Kollisionen. Max ist ein Jahr älter als ich, also haben sich unsere Wege in den Nachwuchsklassen nur einmal gekreuzt. Es gab aber nie Probleme zwischen uns."

"Aber wenn der Kerl, der gerade die Nummer eins ist, den Eindruck hat, er steht über dem Gesetz, dann ist das nicht richtig. Ich bewundere seinen Einsatz auf der Rennstrecke, wie hart und aggressiv er vorgeht."

"Aber was wir am Ende der Saison 2021 gesehen haben oder in [2024] Mexiko mit Lando, das war nicht hart oder aggressiv, das war volles Risiko. Da war die Absicht im Spiel, jemanden aus dem Rennen zu nehmen. Und so sollten wir das nicht machen im Rennsport."

Das Wort "Absicht" spielt indes auch bei Verstappens Argumentation eine wichtige Rolle. Seine These lautet weiterhin: Russell habe ihn reinreiten wollen im Katar-Qualifying - und er selbst sei eigentlich nur das Opfer der Umstände geworden.

Verstappen: "Vorne hat sich alles verlangsamt, weil da ziemlich viele Autos unterwegs waren. Ich nahm ebenfalls Tempo raus, weil ich nicht wollte, dass ich beim Beschleunigen ihre Vorbereitung behindere."

"Dann sah ich [Russell] in meinem Spiegel heranfliegen und so zu tun, als hätte sich gerade die gefährlichste Situation überhaupt abgespielt, als hätte er sich gerade fast selbst umgebracht oder so. Es war unglaublich!"

"Wir waren ja alle auf langsamen Runden. Niemand war auf einer schnellen Runde. Ich weiß wirklich nicht, wie man da zu diesem Urteil kommen kann. Denn indem ich versucht habe, mich aus Schwierigkeiten rauszuhalten, bin ich in Schwierigkeiten geraten."

"Und zu diesem Zeitpunkt der Saison will ich gar nicht anderen ins Gehege kommen, dass sie mir nach dem Qualifying vorwerfen: 'Warum hast du mir die Runde ruiniert? Was denkst du dir eigentlich?' So weit will ich es gar nicht kommen lassen. Aber obwohl ich vorsichtig war, musste ich am Ende trotzdem zu den Sportkommissaren."

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Norris glaubt, eine Motivation zu kennen

Weil es Russell darauf angelegt hat? Norris als unbeteiligter Beobachter hat eine ganz eigene Meinung zum Katar-Zwischenfall und sagt: "Als Fahrer haben wir manchmal die Situation, dass man Zwischenfälle akzeptiert, dass sowas halt vorkommt. Dafür sollte niemand bestraft werden."

"Mercedes aber kämpft nicht um den Titel. Für das Team steht daher mehr auf dem Spiel als für Max. Es wird alles dafür tun, eine Poleposition oder einen Sieg zu kriegen", meint Norris. Russell bezahle nun vielleicht den Preis dafür, indem Verstappen jeglichen Respekt vor ihm verloren habe.

"Aber jeder macht sein eigenes Ding", sagt Norris. "Manche kämpfen härter, andere weniger intensiv um etwas. Aber ich finde es unterhaltsam, wie sie sich streiten. Es gibt halt zwei Seiten. Und das müssen die beiden untereinander regeln."

Für Ex-Champion Fernando Alonso gibt es da aber noch eine dritte Dimension: Er könne bei Russell kein wie von Verstappen skizziertes Fehlverhalten erkennen, dafür aber große Inkonsistenzen aufseiten der Formel-1-Schiedsrichter.

"Ich schätze, es ist eher so - und wahrscheinlich stimmt mir Max in diesem Punkt zu: Manchmal sind die Strafen nicht so sehr konstant. Es gibt diese eine Sache in Katar, und beim nächsten Rennwochenende ist es genau gleich, aber es gibt nicht die gleiche Strafe. Das frustriert uns manchmal." Und das erhitzt womöglich auch die Gemüter bei der Anhörung vor den Sportkommissaren.

Es geht aber auch ganz anders, betont Russell. Er bewundert, wie Hamilton einst das Titelduell gegen Verstappen gestaltet hat: "Hart, aggressiv, aber immer respektvoll. Er ist nie über das Limit hinausgegangen. Lewis ist ein Weltmeister und für mich ein Vorbild. Ich finde, er ist das Vorbild schlechthin für den Nachwuchs."

Verstappen würde an dieser Stelle wahrscheinlich sagen: Und was ist mit Silverstone? Ebenfalls 2021 löste eine Berührung von Hamilton in Silverstone einen schweren Unfall von Verstappen aus. Kommt vor, sagt Russell, nicht konkret auf diese Situation bezogen: "Manchmal schätzt man die Dinge nicht ganz richtig ein und man geht deshalb über das Limit hinaus."

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