Formel 1: So ist Lando Norris nicht titelreif – ein Kommentar

Von Andreas Reiners

Es ist im Grunde immer das gleiche Spiel.

Leider.

Keine Frage: Es ist Lando Norris hoch anzurechnen, dass er so selbstkritisch ist. Dass er den Finger, nein, eher gleich die ganze Hand in die eigene Wunde legt. Dass er keine Ausreden sucht, keine Alibis, keine zu den Pannen passenden Plattitüden. Da gibt es Fahrer, die alles und jeden für Probleme und Niederlagen verantwortlich machen, nur nicht die eigenen Unzulänglichkeiten.

Norris hat sich noch nicht der Unart verdächtig gemacht, in Ausflüchte zu flüchten, eher geht der Brite fast schon zu hart mit sich selbst ins Gericht.

Das Problem: Das macht er immer wieder, weil er immer wieder auch patzt.

Lando Norris: Immer wieder Fehler

Das sind selten die ganz großen Fehler, vielmehr sind es in der Regel kleinere Schnitzer. Fahrfehler im Qualifying, die ihn um eine bessere Startposition bringen. Schlechte Starts, die ihn in eine schlechtere Ausgangsposition bringen. Unkonzentriertheiten, die Plätze und Punkte kosten.

Wie jetzt auch wieder in Spa, als er in der ersten Kurve mehrere Plätze verlor. Eine Fehleinschätzung sei das gewesen, "und dumm, nein, peinlich", sagte er.

Er habe in den vergangenen drei, vier Rennen viele Punkte liegen gelassen, sagte er, "wegen dummem Zeug, wegen Fehlern und wegen schlechter Starts. Auch heute in der Anfahrt zur ersten Kurve. Ich weiß nicht, wieso das ständig passiert. Wirklich blöd", sagte Norris.

Wirklich blöd ist, dass er jetzt, wo McLaren um den Titel fahren kann, diese Fehler, die ebenso nervig wie teuer sind, weiter im Repertoire hat. Als der Traditionsrennstall noch nicht vorne mitfuhr, war das noch kein großes Thema, höchstens intern.

Doch die Erwartungen steigen mit den sich dem Briten bietenden Chancen, mit den wachsenden WM-Möglichkeiten, mit einem Auto, mit dem er um Siege mitfahren kann.

Mitfahren muss.

Lando Norris: Auch der Teamkollege macht Druck

Dazu kommt der ambitionierte Teamkollege Oscar Piastri, der zuletzt mehrmals vor Norris ins Ziel kam und so auch den Druck erhöht. Ganz abgesehen von Titelverteidiger Max Verstappen, der im Moment nicht mehr im besten Auto sitzen mag, aber trotzdem das nahezu Maximale aus der Situation herausholt. Der einstige Seriensieger gewann zuletzt am 23. Juni ein Rennen, sein Vorsprung auf Norris beträgt trotzdem noch 78 Punkte – eine Menge Holz.

So viel, dass sich Norris Fehler noch weniger leisten kann. Weil Verstappen deutlich zeigt, auf was es im Titelkampf ankommt. Und so auch offenbart, dass Norris die letzte Reife für die Krone noch fehlt.

Ja, Norris ist erst 24 Jahre alt. 2024 ist allerdings auch schon seine sechste Saison in der Formel 1. Die Zeiten, in denen ihm solche Patzer in dieser unschönen Regelmäßigkeit unterlaufen, sollten eigentlich vorbei sein. Selbsterkenntnis sei der erste Weg zur Besserung, sagt man.

Stattdessen sind es immer noch "alles so Kleinigkeiten, die große Wirkungen haben und das darf nicht passieren", sagte Sky-Experte Ralf Schumacher. "Und diese Kleinigkeit muss er dringend ändern, weil ansonsten läuft ihm irgendwann der relativ coole Piastri den Rang ab, wenn er das dann mal im Rennen alles raus hat."

Schumacher rät Norris zu einem Mentaltrainer, der eine Lösung für die Probleme sein könnte, weil der Kopf auf dem Niveau eine entscheidende Rolle spielt. So oder so muss er seine Unzulänglichkeiten endlich abstellen.

Sonst bleibt es auch in Zukunft für Norris das gleiche Spiel.