Hamilton, Piastri, Leclerc, Norris weg: Hat sich Mercedes verzockt?
Lewis Hamilton verlässt Mercedes in Richtung Ferrari. Auch andere Fahrer stehen nicht zur Verfügung. Haben sich die Silberpfeile verzockt?
Lewis Hamilton hat Mercedes mit der Bekanntgabe, dass er das Team Ende 2024 in Richtung Ferrari verlassen wird, kalt erwischt. Erst im August 2023 hatte er seinen Mercedes-Vertrag bis Ende 2025 verlängert. "Lewis wird auch in den Jahren 2024 und 2025 für das Team fahren", stand damals in der offiziellen Presseaussendung.
Was in dieser elegant verschwiegen wurde: Mercedes und Hamilton hatten eine Ausstiegsklausel in den Vertrag verhandelt, die es dem siebenmaligen Weltmeister letztendlich ermöglichte, schon nach einem von eigentlich zwei geplanten Jahren auszusteigen.
Hamilton hatte noch vor Weihnachten vor versammelter Mercedes-Mannschaft ein Bekenntnis dazu abgegeben, dass er seine Karriere in Silber (beziehungsweise in Schwarz) beenden zu gedenke. Doch im Januar war dann plötzlich alles anders.
Inzwischen ist durchgesickert: Hamilton wollte am Beginn der Verhandlungen, sehr früh im Jahr 2023, eigentlich gleich drei Jahre anhängen. Mercedes wollte das nicht. "Wir hatten das Gefühl, dass uns ein langfristiger Vertrag in unserem Handlungsspielraum einschränken würde", erklärt Mercedes-Teamchef Toto Wolff.
Als die Verhandlungen im April/Mai abgeschlossen waren und nur noch der Papierkram von den Anwälten ausgearbeitet werden musste, hatte man sich in der Mitte getroffen: Zweijahresvertrag mit Ausstiegsklausel für beide Seiten.
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Wurde Mercedes von Hamilton überrumpelt?
Warum sich Mercedes eine gewisse Flexibilität bewahren wollte, liegt auf der Hand. Als der Vertrag mit Hamilton gemacht wurde, sah es noch so aus, als würden Ende 2024 einige hochkarätige Verträge anderer Fahrer auslaufen.
Aber dann gab McLaren im September bekannt, sich mit Oscar Piastri vorzeitig bis Ende 2026 geeinigt zu haben, im Januar unterschrieb zuerst Charles Leclerc bis Ende 2029 bei Ferrari, und dann auch noch Lando Norris bis Ende 2026 bei McLaren.
"Wir wussten schon, warum wir das so machen", sagt Wolff über den eher kurzfristig angelegten Vertrag mit Hamilton. "Es ging darum, ihm die Optionen offenzuhalten, aber uns auch. Ende 2024 wären ein paar Fahrer verfügbar geworden, von denen einige erst vor ein paar Wochen unterschrieben haben. Das wären Möglichkeiten gewesen."
"Sechs Wochen früher, und es hätte noch mehr Möglichkeiten für uns gegeben. Aber es ist, wie es ist. Der Fahrermarkt ist interessant. Wir müssen an die Zukunft denken. Wer passt am besten neben George, was ist die beste Kombination für uns? Es gibt mehrere Optionen, die zu uns kommen könnten. Aber für diese Entscheidung werden wir uns Zeit lassen."
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"Silly Season" regt Fantasie einiger Beobachter an
In der Formel-1-Community kursieren indes die wildesten Gerüchte darüber, was im Hintergrund abgelaufen sein könnte. Eine Theorie besagt, dass Ferrari den Hamilton-Deal erst bekanntgeben wollte, als man sich Leclerc gesichert hatte. Der Monegasse, so erzählen es manche, die in der Regel gut informiert sind, wusste nichts von seinem "Glück", Hamilton als Teamkollege zu bekommen.
Die Formel-1-Boliden 2024 im Überblick Jedes Jahr verändert sich das Aussehen der Formel-1-Autos - mal mehr, mal weniger deutlich. Auch für die Saison 2024 setzen die Teams auf neue optische Reize. ran zeigt die Boliden im Überblick.
Red Bull Racing - RB20 Der Titelverteidiger hat sein Baby für 2024 gezeigt: Red Bull Racing enthüllte den RB20, mit dem Max Verstappen seinen vierten WM-Titel holen soll. "Wir haben Verbesserungen in allen Bereichen vorgenommen. Ist das genug? Das werden wir sehen", sagte Designguru Adrian Newey.
Mercedes-AMG - F1 W15 E Der Silberpfeil von Mercedes trägt seinen Namen in der Saison 2024 aufgrund der Farbe wieder zurecht. Laut Teamchef Toto Wolff wurde das Auto im Vergleich zum Vorjahr technisch extrem verändert. "Das neue Auto ist ganz anders. Nicht nur bei der Aerodynamik, sondern auch bei der Mechanik haben wir viel Arbeit reingesteckt", erklärte der Österreicher.
Ferrari - SF-24 Der rote Flitzer heißt SF-24 und knüpft in Sachen Namensgebung nahtlos aus den SF-23 aus der Vorsaison an. Doch vieles ist auch neu. Zum Beispiel ein gelb-weißer Streifen, der sich über das komplette Fahrzeug hinweg nach hinten zieht.
Haas F1 Team - VF24 Als erster Rennstall präsentierte das Haas-Team seine neuen Farben für die Saison 2024. Für das US-Team fährt auch in diesem Jahr Nico Hülkenberg, der letzte verbliebene Deutsche im Fahrerfeld.
Stake F1 Team - C44 Im vergangenen Jahr fuhr das Team noch unter dem Namen Alfa Romeo und war in Rot und Weiß unterwegs, 2024 ist alles anders. Das Sauber-Team hört nun auf den Namen Stake F1 Team, komplett "Stake F1 Team Kick Sauber". Farblich dominieren ab sofort Grün und Schwarz.
Alpine F1 Team - A524 Nicht mehr ganz so bunt wie im Vorjahr kommt das Alpine-Team daher, auch hier hat die Grundfarbe Schwarz Einzug gehalten. Zumindest optisch, denn eigentlich ist an vielen Stellen einfach keine Farbe aufgetragen und der Bolide kommt quasi "nackt" daher - auch aus Gewichtsgründen, wie man hört.
Visa Cash App RB F1 Team - VCARB 01 Aus AlphaTauri wurde Visa Cash App RB - viel umständlicher ging es nicht. Einigen wir uns einfach auf "Racing Bulls"? Zumindest in Sachen Aussehen macht der neue Bolide etwas her. Der Blauton erinnert an alte Toro-Rosso-Zeiten.
Andere behaupten, Hamilton wisse etwas, was der Rest der Welt noch nicht weiß, etwa die Verpflichtung eines Topdesigners wie Adrian Newey. Passend dazu gibt's Gerüchte, dass Red Bulls Technischer Direktor Pierre Waché von Ferrari umworben wird. Doch geredet wird viel, und wirklich wissen, was Sache ist, können letztendlich nur die direkt Beteiligten.
Denn es gibt noch wildere Spekulationen, wie etwa die, dass Wolff schon länger von dem Hamilton-Wechsel wusste, seine alten Kumpels Hamilton und Frederic Vasseur aber darum gebeten haben soll, die Sache zu verschleppen, bis sein eigener Teamchef-Vertrag unter Dach und Fach ist.
Wolff räumt selbst ein, zumindest ein paar Tage bevor Hamilton zu einem persönlichen Gespräch nach Oxford kam, erste Gerüchte gehört zu haben, dass er seinen Superstar in Richtung Maranello verlieren könnte. Gut möglich, dass zum Beispiel das Sainz-Lager schon ein paar Tage vorher Bescheid wusste und einen kleinen Kreis alter Vertrauter informiert hat.
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Wolff & Vasseur: Freundschaft nicht beschädigt
Letztendlich spielen all diese Spekulationen - egal ob wahr oder unwahr - keine Rolle. Tatsache ist: Hamilton wird in Zukunft für Vasseur fahren und nicht mehr für Wolff. Letzterer sagt trotzdem: "Ich habe allergrößten Respekt vor Fred. Nicht nur als Motorsportmanager, sondern als auch langjähriger Freund."
"Als er den Job bei Ferrari übernommen hat, war klar, dass er das tun muss, was für Ferrari das Beste ist, und dass er dafür jede sich bietende Chance nutzen muss. Ich nehme ihm nicht übel, dass er versucht, die besten Mitarbeiter und die besten Fahrer zu holen. Darunter leidet unsere Beziehung nicht. Es ist nun mal ein harter Wettbewerb. Und so, wie ich mein Bestes für unser Team gebe, gibt er sein Bestes für Ferrari."
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Hamilton, Vettel, Schumacher: Die spektakulärsten Wechsel der Formel-1-Geschichte
Die spektakulärsten Wechsel der F1-Geschichte Für diese Meldung war der Begriff "Formel-1-Beben" genau der richtige Ausdruck. Vor wenigen Tagen gaben Mercedes und Ferrari übereinstimmend bekannt, dass Lewis Hamilton zur Saison 2025 von den Silberpfeilen zur Scuderia wechselt. In Zukunft müssen sich die Fans an Hamilton in Rot gewöhnen.
Hamilton wechselt von Mercedes zu Ferrari Ein spektakulärer Wechsel, der in der Welt der Königsklasse für viel Aufsehen sorgt. Dass es nach unzähligen Flirts zwischen dem 39-Jährigen und dem Rennstall aus Maranello tatsächlich zu einer Zusammenarbeit kommt, bringt vor allem die Fans in Wallung. Doch der Wechsel des Briten ist nicht der erste spektakuläre F1-Transfer. ran zeigt weitere.
Juan Manuel Fangio Ein kurioser Wechsel ereignete sich in der F1-Anfangszeit. 1954, mit damals erst einem WM-Titel, unterschrieb Fangio bei Mercedes. Doch den Silberpfeilen gelang es nicht, das Auto zum Saisonstart fertigzustellen. Also fuhr Fangio in den ersten Rennen für sein Vorgängerteam Maserati, ehe er für Mercedes ins Cockpit stieg. Am Ende wurde er Weltmeister – mit zwei Marken in einer Saison.
Graham Hill Er lieferte eine der Feel-Good-Stories der Historie. Seine Karriere begann er als Mechaniker bei Lotus, wurde später Stammfahrer. Dann verließ er das Team, wechselte 1960 zu BRM und wurde zwei Jahre später erstmals Weltmeister. Nach drei Vize-Titeln kehrte er 1967 zu seiner ersten Liebe zurück – mit Erfolg. Nur ein Jahr später wurde er mit Lotus Weltmeister. Ein Kreis schloss sich.
Niki Lauda Lauda feierte in den 70ern große Erfolge mit Ferrari, gewann zwei WM-Titel. Nach dem zweiten Triumph verließ er die Scuderia im Streit, weil er sich vom Team fallen gelassen fühlte. In der Folgesaison wechselte er zu Brabham, die durch ihren Hauptsponsor das notwendige Geld hatten. Eine lukrative, sportlich aber schlechte Entscheidung: In neun Rennen fiel Lauda aus.
Alain Prost Diese Geschichte war geprägt von einer Feindschaft. Bei McLaren lieferten sich Ayrton Senna und Alain Prost erbitterte Kämpfe. 1990 verließ Prost das Team in Richtung Ferrari, was er vorzeitig angekündigt hatte. Beide Fahrer sprachen danach nicht mehr miteinander. In Japan kollidierten beide. Prost stieg aus, Senna gewann – wurde aber disqualifiziert, worauf Prost Weltmeister wurde.
Alain Prost Der Teamchef stellte sich öffentlich gegen den Franzosen, eine Ära ging tragisch zu Ende. Im Jahr darauf hofften die Roten mit Prost auf den Titel – vergebens. Erneut kollidierten er und Ex-Teamkollege Senna in Japan, dieses Mal wurde aber der Brasilianer im McLaren Weltmeister. Prost blieb ein weiteres Jahr bei Ferrari, fuhr seinen vierten WM-Titel aber erst 1993 mit Williams ein.
Michael Schumacher Dieser Wechsel war der Beginn einer Ära. Nach zwei WM-Titeln mit Benetton stieg Michael Schumacher 1996 aus seinem Vertrag aus und folgte dem Ruf aus Maranello. Ferrari war seinerzeit eher die graue Maus, doch der Deutsche bewahrte Geduld und leistete Aufbauarbeit. Mit den Roten gewann er in der Folge insgesamt fünf WM-Titel und wurde zum Rekordweltmeister und zur Legende.
Damon Hill 1996 feierte Damon Hill im Williams den Titel. Doch schon während der Saison war klar, dass er sein Cockpit würde räumen müssen. Eigentümer Frank Williams wollte lieber Heinz-Harald Frentzen, da half Hill auch sein Weltmeister-Titel nichts. Freie und attraktive Cockpits gab es nicht, schlussendlich ging es für ihn zu Arrows. Ein erfolgloses Kapitel, 1997 wurde er Zwölfter.
Kimi Räikkönen Zwischen 2006 und 2007 tat sich in der Königsklasse auf dem Fahrermarkt so richtig viel. Michael Schumacher trat zurück, die Topteams wechselten munter. Kimi Räikkönen verließ nach fünf Jahren McLaren – ohne WM-Titel. Dies sollte sich bei seiner nächsten Station ändern. Ein Plan, der aufging. Im Ferrari-Cockpit krönte er sich 2007 zum Weltmeister.
Fernando Alonso Nach dem Räikkönen-Abgang Ende 2006 holte sich McLaren zwei neue Fahrer ins Haus. Doppel-Weltmeister Fernando Alonso – und Rookie Lewis Hamilton. Doch was auf dem Papier gut klang, wurde zum Mega-Problem. Keiner der beiden wollte zurückstecken....
Fernando Alonso Hamilton hatte die Unterstützung der Teamleitung, Alonso reagierte und setzte Eigentümer Ron Dennis in der damaligen Spionageaffäre unter Druck. Das Ende: McLaren wurden alle Konstrukteurs-Punkte aberkannt, hinzu kam eine Geldstrafe in Höhe von 100 Millionen Dollar – außerdem ging der Fahrertitel an Ferrari-Pilot Räikkönen. Alonso verließ das Team.
Lewis Hamilton Hamilton blieb derweil noch einige Jahre bei McLaren, wurde 2008 sogar Weltmeister. Den entscheidenden Karriereschritt machte er dann im Jahr 2012. Als klar wurde, dass Mercedes einen Nachfolger für den noch einmal zurückgekommenen Michael Schumacher braucht, schlug Niki Lauda zu.
Lewis Hamilton Zwar sträubte sich Hamilton, sah das aufstrebende Werksteam zunächst als Verschlechterung an. Doch Lauda konnte den Briten überzeugen. Eine gute Entscheidung. Von 2014 bis 2020 holte er sechs WM-Titel mit Mercedes. Ab 2025 wagt Hamilton mit Ferrari den nächsten Anlauf.
Sebastian Vettel Er dominierte jahrelang die Formel 1. Von 2010 bis 2013 wurde Sebastian Vettel viermal in Folge Weltmeister im Red Bull, vier Herstellertitel inklusive. Ein Jahr später, als Red Bull durch das neue Motoren-Reglement seine Vormachtstellung verlor, ergrifft der Deutsche seine Chance und erfüllte sich seinen Traum vom Ferrari-Cockpit. Allerdings ohne Titelgewinn.
Mit Vasseur habe er inzwischen "ein paar Mal" über die Hamilton-Sache gesprochen, sagt Wolff, und: "Wir haben unsere Kommunikation abgestimmt. Ich spreche mehrmals pro Woche mit ihm. Das mit uns ist ein bisschen wie Rugby: Wir stehen uns auf dem Spielfeld gegenüber, Nase an Nase, aber außerhalb des Feldes begegnen wir einander mit großem Respekt."
"Das Timing", räumt Wolff ein, "hat uns überrascht. Aber ich schätze, Lewis wollte uns so viel Zeit wie möglich dafür geben, uns zu überlegen, wie wir 2024 jetzt angehen und wie wir trotzdem alles rausholen können."
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Stachelt Hamiltons Wechsel die Mercedes-Ingenieure an?
"Und ich habe keinen Zweifel daran, dass sich Fred und Lewis gut verstehen werden. Sie kennen sich seit mehr als 20 Jahren, Lewis ist bei ART in der GP2 für ihn gefahren. Fred versteht, wie Rennfahrer ticken. Er geht ganz anders an die Dinge heran als ich. Aber er macht das sehr erfolgreich, wie seine Bilanz beweist."
Klar ist: Die Lust des Mercedes-Teams, gegen Ferrari zu gewinnen, wird ab 2025 noch größer sein als sonst. "Sagen wir mal so", schmunzelt Wolff: "Alle Entscheidungen, die getroffen werden, spielen eine Rolle im Mindset der Leute. Und mit Sicherheit wird es auch eine Rolle spielen, im Sinne von: 'Jetzt bauen wir richtig gutes Auto!'"
"Aber das wollen wir auch für 2024. Wir wollen Lewis und George das beste Auto bauen. Und wir wollen in den Jahren danach ein noch besseres Auto bauen. Vielleicht spielt dann ein kleines bisschen mit, dass wir zeigen wollen, dass wir das besser machen können als Ferrari", sagt der Österreicher.