Formel 1
Kommentar zum Saisonauftakt in Bahrain: Aston Martins Aufschwung ist das Werk von Sebastian Vettel
- Aktualisiert: 06.03.2023
- 14:02 Uhr
- ran.de
Aston Martin und Fernando Alonso mischen die Formel 1 auf. Sebastian Vettel wird für seinen verfrühten Rücktritt belächelt, doch vielmehr sollte man seinen Anteil am Aufschwung des Rennstalls würdigen. Ein Kommentar.
Von Chris Lugert
Ob und wo Sebastian Vettel den Saisonauftakt der Formel 1 verfolgt hat, ist nicht überliefert. Es wäre nicht überraschend, wenn er sich nach seinem Rückzug aus der Königsklasse auch als Fan vom Treiben der Boliden verabschiedet hätte. Zuletzt tourte er mit seiner Familie per Wohnmobil am Polarkreis. Der viermalige Weltmeister hatte seine Prioritäten ja ohnehin bereits völlig anders gelagert, sein Engagement für Klima, Umweltschutz und Nachhaltigkeit wurde ihm während seiner aktiven Zeit oft genug als Scheinheiligkeit vorgeworfen.
Seit Sonntag ist Vettel aber plötzlich wieder präsent, wenn auch unsichtbar. Denn dass sein Ex-Team Aston Martin plötzlich die Nummer zwei im Feld ist und sein Nachfolger Fernando Alonso aufs Treppchen rast, hat auch viel mit Vettel zu tun. Er war es schließlich, der Aston Martin im vergangenen Jahr wichtigen Input gab und dabei half, das Auto weiterzuentwickeln. Seine Daten, seine Analysen und seine Hinweise sind in die Konstruktion des aktuellen Boliden geflossen.
Sicher, es ist nicht Vettels Werk alleine. Aston Martin stockte sein Personal in den vergangenen Monaten sukzessive auf, von Red Bull kam unter anderem Dan Fallows, der dort unter Aerodynamik-Genie Adrian Newey arbeitete. Der neue Technikdirektor des Rennstalls ist einer der Hauptverantwortlichen bei der Entwicklung des neuen Autos. Doch die Richtung, in die er gehen muss, zeigte ihm Vettel. Es ist kein Zufall, dass der Deutsche und Fallows bei Red Bull gemeinsam vier WM-Titel feierten.
Unweigerlich stellt sich nun die Frage, warum zum Teufel Vettel dann überhaupt aufgehört hat. Denn er könnte nun der sein, der die Früchte seiner eigenen Arbeit erntet, statt von zu Hause aus zuzusehen, wie sein früherer Rivale Alonso seinen dritten Frühling erlebt. Vettel hat sich anders entschieden, womöglich, weil er diesen enormen Fortschritt dann doch noch nicht erwartet hat.
Formel 1: Vettel untermauert Status als Legende
"Nach meinen Erfolgen in der Vergangenheit dürfte es nur logisch sein, dass ich gewinnen will. Davon wird also meine Zukunft abhängen", sagte er vor dem Saisonstart 2022. Es folgte ein durchwachsenes Jahr, bereits im Juli kündigte er seinen Rücktritt an. Ein Fehler? Hinterher ist man bekanntlich immer schlauer. Die drei Euro fürs Phrasenschwein folgen später.
Auch Michael Schumacher hätte damals 2012 vielleicht noch warten können, als er Mercedes verließ. Zwei Jahre später begann die Dominanz der Silberpfeile. Unbestritten aber ist, dass der Rekordweltmeister den Boden bereitete, der Lewis Hamilton schließlich zu sechs WM-Titeln in sieben Jahren führte. Ohne Schumi wäre Hamilton nicht dort, wo er ist.
Vettel ist nun etwas ganz Ähnliches gelungen: Obwohl er gar nicht mehr selbst aktiv ist, untermauert er seinen Nimbus als Legende. Denn Talent hinterm Steuer ist in der Formel 1 wichtig, aber die richtig guten Fahrer bringen mit ihrer Qualität auch abseits des Cockpits ein ganzes Team nach vorne. So gelang es Schumacher einst bei Benetton, Ferrari und Mercedes. Und auch Vettel führte Red Bull einst zu Stärke, brachte ein kriselndes Ferrari voran und hat nun enormen Anteil, dass Aston Martin ganz vorne mitfährt.
Alonso schwärmte in Bahrain in höchsten Tönen von seinem Auto. Und dem Spanier ist es nach so mancher Fehlentscheidung in seiner Karriere durchaus auch zu gönnen, dass er nun zur richtigen Zeit mal am richtigen Ort ist. Denn fahrerisch hatte er das Zeug zu deutlich mehr als zwei WM-Titeln. Aber im Glanz des aktuellen Erfolgs sollte er nicht vergessen, bei wem er sich zu bedanken hat. Ein Anruf in der Schweiz, wo Vettel wohnt, wäre angebracht.
Und wer weiß, wo die Reise von Aston Martin noch hingeht. Vielleicht gelingt ja tatsächlich der Angriff auf den WM-Titel - wenn nicht dieses Jahr, dann vielleicht 2024? Es wäre auch Vettels Verdienst. Auch wenn er es womöglich nur am Rande mitbekommt.