Sabotagevorwürfe
Formel 1: Mercedes schaltet Polizei ein - Toto Wolff wütet: "Sucht euch einen Psychiater!"
Mercedes sieht sich mit anonymen Sabotagevorwürfen gegen Lewis Hamilton konfrontiert. Am Rande des Spanien-GP in Barcelona reagiert Teamchef Toto Wolff deutlich.
So wütend hat man Toto Wolff zuletzt in den durch Netflix berühmt gewordenen Diskussionen mit Red-Bull-Teamchef Christian Horner gesehen: Dem Wiener geht am Freitag in der Teamchef-Pressekonferenz die Hutschnur hoch. Grund: Sabotage-Vorwürfe gegen Mercedes, die von einer anonymen E-Mail-Adresse an den innersten Kreis der Formel 1, bestehend aus hochrangigen Teammitgliedern und Journalisten, geschickt wurde.
Inhalt: "Einige von uns im Team sind unglücklich über die systematische Sabotage von Lewis, seinem Auto, seiner Reifenstrategie, seiner Rennstrategie und seiner mentalen Gesundheit", heißt es unter anderem in dem Schreiben, das am 10. Juni, also dem Tag nach dem Großen Preis von Kanada, in diverse Postfächern landete - verfasst, angeblich von einem Mercedes-Mitarbeiter, wie der Absender selbst behauptet.
"Es ist nicht von einem Teammitglied. Wenn wir solche E-Mails kriegen, und wir kriegen Tonnen davon, ist es verstörend", erklärt Wolff am Freitag, "vor allem wenn jemand über Tod und solche Dinge spricht." Tatsächlich finden sich in dem Schreiben Formulierung wie "lebensbedrohlich für Lewis" und "Todesurteil" wieder.
Wolff fährt deshalb die entsprechenden Geschütze auf: "In diesem speziellen Fall habe ich die Anweisung gegeben, mit voller Kraft dagegen vorzugehen. Wir haben die Polizei eingeschaltet, die es untersucht. Wir versuchen die IP-Adresse und das Telefon zu ermitteln und all das, denn diese Art von Internet-Beleidigungen müssen aufhören."
Der wütende Appell des Wieners: "Die Leute können sich nicht hinter ihren Telefonen oder ihren Computern verstecken und Teams oder Fahrer auf so eine Art und Weise beleidigen. Ich weiß nicht, was einige dieser Verschwörungstheoretiker und Geisteskranken da draußen denken."
Wolff fordert: "Komm schon, zeig dich!"
Er selbst sei schon allein aus "Selbstschutz" nicht in den Sozialen Medien unterwegs, lese auch keine Kommentare: "Aber ich habe schon oft gesagt: Es wird immer Leute geben, die mit dem Notebook auf dem Schoß im Bett sitzen und einfach drauf los tippen."
Das Wichtigste zur Formel 1
Wolff: "Wenn sich jemand meint, er kann jemanden verletzen und sich dann hinter einem Fake-Instagram-Account verstecken, dann finde ich das ... komm schon, zeig dich und sag wer du bist, und äußere dann die Kritik. Aber verstecke dich nicht. Das scheint alles sehr irrational zu sein."
Die Vorwürfe, Hamilton sei vom Team "ausgeschlossen" und "hinterhältige Machenschaften" würden bei Mercedes vor sich gehen, wie es in der anonymen E-Mail heißt, will Wolff auf sämtlichen Ebenen entkräftigen: "Lewis war zwölf Jahre lang Teil dieses Teams, wir haben eine Freundschaft und wir vertrauen einander. Wir wollen das mit einem Höhepunkt abschließen und diese Beziehung feiern", sagt der Teamchef.
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Mercedes-Boss beteuert: Kein Groll gegen Hamilton
"Und selbst wenn man das alles nicht glaubt, kann man aber davon ausgehen, dass wir die Konstrukteurs-WM gewinnen wollen - und ein Teil davon ist, dass beide Autos in der Lage sind zu gewinnen. Also an all diese verrückten Leute da draußen: Sucht euch einen Psychiater!", schimpft Wolff.
Der Mercedes-Boss beteuert, dass sein Team weiterhin gemeinsam mit "dem ikonischsten Fahrer, den der Sport je hatte" Erfolge feiern möchte: "Wir hatten das Privileg, mit einem unglaublichen Fahrer wie Lewis zu arbeiten, eine unglaubliche Persönlichkeit. Natürlich gibt's da auch Höhen und Tiefen, wie bei jedem anderen Sportler", will Wolff die aktuelle Formschwäche nicht per se vom Tisch wischen.
Die Anschuldigungen, Hamilton werde wegen seines nahenden Abgangs vom Team kaltgestellt, will er aber nicht auf sich sitzen lassen: "Ich respektiere die Gründe für seinen Wechsel zu Ferrari. Da gibt's keinerlei Groll, keinen Missmut. Die Interaktion im Team ist positiv. Jeder Kommentar, der von außen meint zu wissen, was im Team los ist, ist schlicht und einfach falsch", sagt Wolff.
Und legt entsprechend nochmal nach gegen die Kritiker: "Es gibt immer eine Grenze. Wenn für solche Nachrichten E-Mails gesendet werden und Telefonnummern verwendet, dann hört sich für mich der Spaß auf. Wir werden das nicht auf sich beruhen lassen. Ob das erfolgreich sein wird oder nicht, steht auf einem anderen Blatt. Aber es gibt Grenzen, und Online-Missbrauch ist etwas, was nicht nur uns passiert, sondern auch anderen Teams und anderen Leuten."
Ferrari, Mercedes, McLaren: Der Wert der Formel-1-Teams
Dabei ist sich Wolff bewusst: "Lewis scheint es ganz besonders zu treffen. George auch. Max (Verstappen) hat sich auch schon dagegen ausgesprochen. Jemand, der sowas tut, ist ein Feigling, weil er sich versteckt", so der Mercedes-Boss.
Dabei ordnet Wolff ein: "Es gibt auch viel Gutes, was durch Social Media möglich ist, weil viele Menschen so eine Plattform bekommen. Aber das sind die negativen Seiten, die es auch gibt. Und ich habe kein Mitgefühl mit jemandem, der Missbrauch betreibt, aus den Gründen, die ich genannt habe."
Vasseur über Hamilton-Sabotage: "Total absurd"
Unterstützung bei seiner Brandrede gegen Online-Hass erhält Wolff von Fred Vasseur, zu dessen Ferrari-Team Hamilton mit Beginn der nächsten Saison wechselt. Der Franzose kann vor allem über die Sabotage-Vorwürfe gegen den Konkurrenten nur lachen:
"Es ist doch total unvorstellbar, dass eine Firma mit 1.500 Mitarbeitern, die sich Tag und Nacht wie die Hölle reinhängen, um Updates ans Auto zu bringen, eins ihrer Autos selbst sabotiert. Das ist total irrational", sagt Vasseur und glaubt: "Niemand im Fahrerlager würde sowas tun."
"Wir kämpfen um die WM, jedes Wochenende versuchen wir, einen Punkt mehr zu sammeln als die anderen. Wie man sich da nur vorstellen kann, dass Mercedes mit Lewis keine Punkte mehr holen will, ist mir ein Rätsel", sagt der Ferrari-Teamchef: "Das ist total absurd und absolut außerhalb des Spektrums, was denkbar sein könnte."