Drama mit Pferd im Fünfkampf
Olympia: Schleu wird nach verstörenden Reit-Bildern Tierquälerei vorgeworfen
- Aktualisiert: 06.08.2021
- 19:41 Uhr
- ran.de
Mit großen Goldhoffnungen war Annika Schleu in das Springreiten des Modernen Fünfkampfes gestartet. Doch auf dem Rücken von "Saint Boy" erlebte die Berlinerin ein Fiasko. Zu allem Überfluss sieht sie sich nun noch schlimmen Vorwürfen ausgesetzt. Zu Recht?
München - Diese Bilder werden in Erinnerung bleiben. Nicht wegen der viel beschworenen Emotionen bei Olympischen Sommerspielen, sondern weil sie so verstörend wirkten.
Da sitzt Annika Schleu, Führende und Gold-Kandidatin des Modernen Fünfkampfes, beim Springreiten in Tränen aufgelöst, auf dem Rücken eines offenbar verängstigten Pferdes. Ihr gelingt es einfach nicht, eine Bindung zu dem Tier aufzubauen. Dafür hatte sie 20 Minuten vor dem Start Zeit - so will es das Reglement der Sportart. So lange kannten sich Ross und Reiterin überhaupt erst.
Die Nullrunde - das Gespann durchritt letztlich nicht den kompletten Parcours - kostete die Berlinerin letztlich jegliche Medaillenhoffnungen. Am Ende landete sie beim Olympiasieg der Britin Kate French auf Rang 31.
Vorwurf der Tierquälerei gegen Schleu und Trainerin
Neben dieser großen Enttäuschung muss die Olympia-Vierte von 2016 nun aber auch mit dem Vorwurf der Tierquälerei leben. Für Millionen TV-Zuschauer sichtbar, bearbeitete sie das bockige Pferd, das auf den Namen "Saint Boy" hört, mit Gerte und Sporen.
In den sozialen Netzwerken hieß es beispielsweise: "Wer emotional so am Ende ist, der darf nicht auf dem Gaul sitzen. Sofortige Disqualifikation für Anika Schleu wäre das Beste gewesen."
Ein anderer User brachte diesen Vorschlag ins Spiel: "Annika Schleu hätte auch absteigen können: 'Dieses Pferd hat zu viel Angst. Ich werde es nicht weiter quälen.' Auch kein Gold, aber weltweiten Respekt. So bleibt sie die, die heulend auf ein verängstigtes Tier einprügelte."
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"Schleu besitzt keinen moralischen Kompass"
Kritik setzte es auch hier: "Wir sollten dies hier nicht vergessen... Da muss sich was ändern!!! Schade das Annika Schleu anscheinend keinerlei moralischen Kompass besitzt und wie gefordert heulend auf das Tier einprügelt... ZUM KOTZEN."
Und es sei gesagt: Es finden sich noch deutlich heftigere Vorwürfe an die 31-Jährige, die an diesem Freitag in Tokio die Verwirklichung ihres großen sportlichen Traums vor Augen hatte.
Schleu hat "fiese Nachrichten" registriert
Schleu selbst verteidigte sich im "Eurosport"-Interview: "Ich habe online leider schon gelesen, dass fiese Nachrichten in meine Richtung geschickt wurden. Ich denke schon, dass ich gut mit dem Pferd umgehen kann. Es ist schwierig, wenn man das Pferd unbekannt ist und dann auch schon jemand anders draufgesessen hat." Immer zwei Athletinnen mussten sich Tier teilen. Schon die Russin Gulnaz Gubaidullina brachte "Saint Boy" nicht über den kompletten Kurs.
Das war auch Schleu nicht verborgen geblieben: "Ich wusste, dass es bei der Russin in der Ecke geblieben ist. Ich war schon kurz davor zu sagen, dass es keinen Sinn hat. Ich habe gespürt, dass es nicht richtig funktioniert."
Schöneborn springt Schleu bei
Unterstützung bekam sie von Lena Schönborn. Die Olympiasiegerin von 2008, die vor fünf Jahren in Rio de Janeiro ein ähnliches Drama auf dem Rücken des Pferdes "Legende" erlebte. "Ich kann mir das nicht erklären, wie das passieren konnte. Ich bin fest davon ausgegangen, dass sie das Pferd tauschen muss", wunderte sich die 35-Jährige.
Den Vorwürfen kann sie nichts abgewinnen: "Ich würde das nicht als Tierquälerei bezeichnen. Das, was Annika Schleu macht, dem Pferd einen Klaps als Antrieb zu geben, da bekommt das Pferd keine Striemen von. Aber die Pferde sind sensibel, das ist klar."
Aufforderung der Trainerin machen "fassungslos"
Ins Kreuzfeuer der Kritik geriet aber nicht nur Schleu. Ihre Trainerin Kim Raisner war im TV deutlich mit der Aufforderung zu vernehmen: "Hau mal richtig drauf! Hau drauf!"
Hierzu twitterte ein User: "Solche Sätze machen mich komplett fassungslos. Das ist Tierquälerei. DOSB, ihr solltet euch schämen solche Menschen im Team zu haben. Das arme Tier."
Raisner entgegnete den Vorwürfen so: "Ich hab gesagt, hau drauf. Aber sie hat das Pferd nicht gequält, in keinster Weise." Und weiter: "Sie hat dem Pferd nicht im Maul gerissen. Sie hatte keine scharfen Sporen dran. Pferde quälen sieht anders aus."
Auch ARD bekommt Kritik ab
Ebenso musste sich die übertragende "ARD" einiges anhören. "Ordnet Ihr die Tierquälerei auch ein oder interviewt ihr nur die enttäuschte Trainerin, die gerne noch weiter draufgehauen hätte?" hieß es etwa. Oder: "Das, was gerade in der ARD läuft, ist pure Tierquälerei. Das Tier will eindeutig nicht und der Kommentator hat nur Mitleid mit der Athletin statt mit dem Tier. Einfach ekelhaft."
Einen Vorschlag, dem sich zumindest viele verstörte Zuschauer wohl sofort anschließen würden, machte Isabell Werth. "Fünfkampf hat nichts, aber auch gar nichts mit Reiten zu tun", kritisierte die Dressur-Legende: "Die Pferde sind ein Transportmittel, zu denen die Athleten keinerlei Bezug haben. Denen kann man genauso gut ein Fahrrad oder einen Roller geben."
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