NFL
Chicago Bears verschenken mögliches Comeback in Detroit: Die Fehler der Schlussphase in der Analyse
- Aktualisiert: 29.11.2024
- 12:47 Uhr
- Chris Lugert
Die Chicago Bears stehen sich mal wieder in der Schlussphase eines NFL-Spiels selbst im Weg. Die Niederlage bei den Detroit Lions ist dabei nicht nur Matt Eberflus zuzuschreiben. Eine Analyse.
Von Chris Lugert
Wenn die Chicago Bears in dieser NFL-Saison etwas besser können als jedes andere Team, dann ist das Finden von Wegen, Spiele Woche für Woche auf absurdere Art und Weise zu verlieren.
Die 20:23-Niederlage an Thanksgiving bei den Detroit Lions war der nächste Tiefpunkt und bereits das vierte Spiel in der laufenden Saison, das man mit etwas mehr Konzentration und Seriosität in der Schlussphase mehr oder weniger locker hätte gewinnen können.
Der Hauptschuldige war schnell gefunden: Head Coach Matt Eberflus, der sein letztes Timeout nicht nutzte. Doch diese Niederlage hatte mehr Verantwortliche.
Nach einer schwachen ersten Halbzeit im Ford Field arbeiteten sich die Bears sukzessive heran und schafften es nicht nur, die Offense der Lions in Schach zu halten, sondern auch selbst den Ball besser bewegen zu können.
So kam es, dass die Bears 5:36 Minuten vor Ende des Spiels auf drei Punkte Rückstand verkürzen konnten. Als die Defense anschließend ein three-and-out forcierte, war der Weg bereitet.
Mit 3:31 Minuten auf der Uhr bekam Caleb Williams den Ball, allerdings direkt an der eigenen Endzone. Keine einfache Situation, doch der Rookie blieb cool und verschaffte sich mit guten Plays Luft. Stück für Stück marschierte Chicago über das Feld.
Das Wichtigste in Kürze
Gut eine Minute vor dem Ende nahm das Drama dann seinen Lauf. ran blickt auf das Protokoll der finalen 60 Sekunden des Spiels und zeigt, welche entscheidenden Fehler den Bears wirklich das Spiel kosteten.
1. Akt: Strafe gegen Lions bringt Bears in Field Goal Range
Mit 56 Sekunden auf der Uhr scheint das Spiel eigentlich fast schon entschieden. Nach einer Offensive Pass Interference gegen Cole Kmet stehen die Bears an ihrer eigenen 46-Yard-Linie und haben einen vierten Versuch vor der Nase. 14 Yards müssen her.
Williams versucht den langen Ball auf seinen Receiver D.J. Moore, der jedoch nicht ankommt. Spiel beendet? Von wegen! Die Schiedsrichter entscheiden auf eine Pass Interference gegen Lions-Verteidiger Kindle Vildor. Der kann es nicht glauben, die Fans im Stadion ebenso wenig.
Die Strafe schenkt den Bears automatisch ein neues First Down, und das auch noch an der 25-Yard-Linie der Lions. Zu diesem Zeitpunkt sind noch 46 Sekunden auf der Uhr, Chicago hat zudem noch zwei Timeouts.
Eine Luxussituation - sollte man meinen. Das Field Goal zur Overtime erscheint in diesem Moment sicher, zudem stehen nahezu alle Möglichkeiten offen, den Weg in die Endzone zu finden.
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2. Akt: Williams zwingt Eberflus zu einem unnötigen Timeout
Nach einem unvollständigen Pass von Caleb Williams auf D.J. Moore steht die Uhr bei 43 Sekunden, die Bears haben zweiten Versuch und zehn Yards zu gehen. Schon den gesamten Nachmittag hatte der Quarterback allerdings einen großen Gegner: die Play Clock.
Immer wieder brauchte er zu lange, um Spielzüge auszuführen. Die Referees waren dabei mehrfach sehr kulant und verzichteten auf eine Flagge wegen Delay of Game. Doch auch in dieser Situation agierte der Rookie zu langsam.
Das verheerende Zeit-Management seines Quarterbacks zwang Eberflus, sein erstes der zwei verbleibenden Timeouts zu verschwenden, um eine Strafe zu vermeiden. Eine alternativlose Entscheidung, um - wie man zu diesem Zeitpunkt noch dachte - dem Kicker keine größere Distanz beim Field Goal aufzubürden.
Dieses Timeout sollte dem Head Coach wenig später fehlen.
3. Akt: Strafe gegen die Bears macht Play zunichte
Nach dem Timeout führen die Bears einen Passspielzug aus, Williams findet Keenan Allen an der Seitenauslinie zum neuen First Down. Allen geht ins Aus, die Uhr hält an, alles bestens. Denkste!
Guard Teven Jenkins kassiert eine unnötige Strafe, weil er beim Block ins Gesicht seines Gegenspielers gegriffen hat. Die Bears müssen zehn Yards nach hinten, aus einem möglichen Field Goal aus 43 Yards wäre zu diesem Zeitpunkt ein langer Versuch aus 53 Yards geworden.
Eine schwierige Aufgabe für Kicker Cairo Santos, aber kein Ding der Unmöglichkeit - noch.
4. Akt: Fragwürdiges Playcalling und ein bitterer Sack
Mit 36 Sekunden auf der Uhr ist die Situation zwar nicht mehr so komfortabel wie zuvor, aber immer noch machbar. Der einfachste Weg wäre es jetzt, bei 2nd&20 einen Laufspielzug anzusagen.
Mit diesem könnte man vielleicht noch ein, zwei - oder gerne auch mehr - Yards herausholen, um dem Kicker das Field Goal zu vereinfachen. Anschließend lässt man die Uhr herunterlaufen, nimmt das letzte Timeout, schickt die Field Goal Unit auf das Feld und hofft, dass Santos die Overtime herbeiführt.
Die Bears um Offensive Coordinator und Playcaller Thomas Brown entscheiden sich jedoch anders. Ein Pass soll her, um mehr Raum zu überbrücken. Doch die Protection hält nicht, Williams kann dem gegnerischen Pass Rush nicht entkommen und wird gesackt - zum fünften Mal in diesem Spiel. Das Risiko war also bekannt, das Desaster vermeidbar.
Der Sack verursacht noch einmal sechs Yards Raumverlust, ein Field Goal wäre jetzt noch viel schwieriger. Doch dazu kommt es gar nicht mehr, denn es folgt der Schlussakt einer völlig desaströsen Schlussminute aus Bears-Sicht.
5. Akt: Eberflus verzichtet auf das Timeout - die Zeit läuft ab
Der Sack gegen Williams erfolgt 31 Sekunden vor dem Spielende, die Zeit läuft natürlich weiter. Matt Eberflus verzichtet aber darauf, sein letztes Timeout zu nehmen.
"Ich denke, wir haben es so richtig gemacht. Wir brauchten noch ein paar Yards für den Field-Goal-Versuch und wollten dann erst das Timeout nutzen. Natürlich hat das jetzt nicht so geklappt, wie wir es uns vorgestellt haben", erklärte er danach. Vermutlich schätzte er die Auswirkungen des Sacks falsch ein.
Denn die Offense braucht danach zu lange, um sich zu sortieren. Auch Williams ist - wie schon zuvor häufiger - in seinen Abläufen zu langsam. Mit zehn Sekunden auf der Uhr hat sich aber alles so weit sortiert, dass der Spielzug ausgeführt werden könnte.
Doch es vergehen noch einmal fünf Sekunden bis zum Snap. Spätestens jetzt müsste Williams den Ball schnell ins Aus werfen, um die Zeit anzuhalten. Dann gäbe es zumindest noch die Chance, das Field-Goal-Team rauszuschicken, auch wenn es fast 60 Yards wären. Oder er geht direkt auf die Hail Mary Richtung Endzone.
Doch der Quarterback wartet stattdessen und versucht den langen Ball Richtung Seitenaus. Während das Ei in der Luft ist, läuft die Zeit ab. Rome Odunze kann den Ball nicht fangen, das Spiel ist vorbei. Und die Bears stehen erneut wie die Deppen der Liga da.