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New York Giants mit Daniel Jones am Tiefpunkt: Gigantisch ist nur noch die Mängelliste
- Aktualisiert: 03.10.2023
- 16:26 Uhr
- Marcus Giebel
2022 zählten die New York Giants zu den Überraschungsteams der NFL-Saison. Aktuell sieht alles danach aus, als würde ein frustrierendes Jahr folgen. Das hat mit Daniel Jones zu tun – aber längst nicht nur mit dem augenscheinlich überbezahlten Quarterback.
Von Marcus Giebel
Die Bilder sprachen Bände. Beinahe fassungslos schien Brian Daboll auf Daniel Jones einzureden, während der nach seinem Pick Six kurz vor der gegnerischen Endzone stoisch am Head Coach vorbeischritt.
Doch damit nicht genug: Als sich der vermeintliche Franchise Quarterback wie ein Häufchen Elend auf die Bank verkrümelt hatte, sprach Daboll erneut zu ihm, um anschließend das Tablet wegzufeuern und resignierend gen Himmel zu schauen.
"Was willst du da machen?", dürfte sich der amtierende Head Coach of the Year in dem Moment gedacht haben. Oder vielmehr: Wohin soll das noch führen?
Darauf angesprochen, was er in diesem Moment von Jones gefordert habe, antwortete Daboll später knapp: "Offensichtlich nicht, eine Interception zu werfen."
Kurz bevor das Tablet leiden musste, hatten sich seine New York Giants das 3:21 gegen die Seattle Seahawks eingehandelt. Die Vorentscheidung, vorbereitet eben vom Playmaker, der im März mit einem Vierjahresvertrag über 160 Millionen US-Dollar ausgestattet worden war.
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Die Zahlen wirken längst aberwitzig. Zumal viele Experten und Beobachter schon im Frühjahr gezweifelt hatten, ob Jones die Giants wirklich wieder an die NFL-Spitze führen könnte.
In der vergangenen Saison, die erst in der Divisional Round endete, sah es über weite Strecken tatsächlich danach aus. Doch da hatte der sechste Pick des Drafts von 2019 mit Saquon Barkley auch einen der besten Running Backs an seiner Seite.
Der Ballträger fehlt aktuell verletzt – und damit an allen Ecken und Enden. Das Monday Night Game war schon die dritte herbe Abreibung im vierten Spiel der Saison. Einzig der Comeback-Sieg (31:28) bei den Arizona Cardinals hübscht die 1-3-Bilanz noch etwas auf.
Ansonsten gab es in den Partien gegen die Dallas Cowboys (0:40), die San Francisco 49ers (12:30) und nun die Seahawks (3:24) nur einen Endzonen-Besuch – per Rushing Touchdown.
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New York Giants: Nur Chargers 1975 mit weniger Heimpunkten
Die drei Punkte in den ersten beiden Heimspielen sind die zweitschlechteste Ausbeute der Super-Bowl-Ära – unterboten nur von den damaligen San Diego Chargers, die 1975 in den ersten beiden Spielen auf eigenem Platz gar keinen Score zusammenbekamen. Allein diese Zahlen offenbaren: Der von Jones angeführten Offense fehlt es an Durchschlagskraft.
Das Portal "Statmuse" hat sich die Mühe gemacht, die Werte des 26-Jährigen in Spielen ohne Barkley aufzulisten. In 21 Auftritten lieferte er 16 Touchdowns und 20 Interceptions.
In den vier Spielen dieser Saison – zwei mit Barkley – brachte Jones zwei Touchdown-Pässe bei sechs Interceptions zustande. Aber natürlich sind die erschreckenden Offense-Zahlen nicht allein ihm anzulasten.
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New York Giants lassen gegen Seahawks Sack um Sack zu
Denn gegen die Seahawks hatte die O-Line Tag der offenen Tür. Nach dem Motto: Kommse rein, könnse Jones umnieten. Elf Sacks kassierten die "Big Blue" – mehr gewährte noch nie eine Mannschaft der New Yorker Franchise in einem NFL-Spiel.
Es war ligaweit der höchste Wert seit mehr als 16 Jahren. Angesichts dieser Durchlässigkeit stellt sich unweigerlich die Frage: Warum passte Daboll sein System nicht an, um den Pass Rush auszubremsen? Hatte er schlicht keine Lösungen parat? Denn durch den stets hohen Druck bekam Jones eben auch keinerlei Sicherheit in seine Aktionen.
Hier muss sich also auch der als Head Coach of the Year ausgezeichnete Daboll deutlich hinterfragen. Immerhin hatte er sich vor seinem Wechsel in den Big Apple drei Jahre lang als Offensive Coordinator der Buffalo Bills einen Namen gemacht.
Sein Giants-OC Mike Kafka betonte zuletzt erst, dass sich die beiden während jedes Drives austauschen würden. Das sei im vergangenen Jahr genauso gelaufen. Nur: Da lief es bekanntlich deutlich besser.
Daniel Jones über Giants-Situation: "Sind alle sehr frustriert"
Von der damals aufgekommenen Euphorie in der Premieren-Saison von Daboll und dem ebenfalls aus Buffalo gekommenen General Manager Joe Schoen – vor allem dank eines überzeugenden Draft 2022 – ist nicht mehr viel übrig geblieben. "Ich denke, wir sind alle sehr frustriert", fasste Jones die Stimmungslage schonungslos zusammen.
Gigantisch ist bei den "G-Men" allenfalls die Mängelliste. 2023 scheint nur noch Schadensbegrenzung möglich zu sein. Womöglich bewahrheitet sich einmal mehr das Sprichwort: Im Erfolg macht man die größten Fehler.
Der Megavertrag für Jones, den Schoen als "teamfreundlich" bezeichnet hatte, droht jedenfalls einer zu werden, der dem Klub noch mächtig wehtun könnte. Zwar können die Giants nach der kommenden Saison aus dem Kontrakt aussteigen, aber selbst in diesem Fall würde der Quarterback 22,2 Millionen US-Dollar an Dead Cap hinterlassen.
Es gibt außerdem noch weit mehr Baustellen. So mussten die Giants Barkley schon sehr entgegenkommen, um einen Holdout zu verhindern und sich den Star zumindest noch für ein Jahr zu sichern. Ob das 2024 noch einmal gelingen wird?
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Auch die Giants-Defense hat ihre Themen
Auf Jones‘ Seite des Balles läuft jedenfalls noch so gut wie nichts zusammen. Wodurch die Defense umso mehr gefordert ist. Hier bereitet vor allem das Laufspiel Sorgen: Sieben kassierte Rushing Touchdowns sind der geteilte höchste Wert der Liga. Damit wird klar, dass auch dieser Mannschaftsteil erhebliche Schwachstellen offenbart.
Die Giants scheinen wieder da angekommen zu sein, wo sie vor Daboll und Schoen standen. Vor Jones‘ Contract Year. Ziemlich weit unten.
Der Quarterback, für den es in den kommenden anderthalb Jahren also um seine Zukunft als Starter in der Liga geht, gibt sich aber kämpferisch: "Es kommt darauf an, wie wir jetzt damit umgehen." Dank seines Vertrags kann er sich sicher sein, noch einige Chancen zu bekommen, um an sein Top-Jahr 2022 anknüpfen zu können.
Andernfalls wären die Giants – wie schon manches Team vor ihnen – in die Vertragsfalle getappt. Aus der sie erst in anderthalb Jahren wieder herauskommen würden.