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New York Jets: Zwischen Hass und Lobeshymnen – Hebt Wilson doch noch ab?
- Veröffentlicht: 03.10.2023
- 18:19 Uhr
- Marcus Giebel
Zach Wilson schien höchstens die Zukunft bei den New York Jets zu gehören. Aber sicher nicht die Gegenwart. Doch gegen Patrick Mahomes und die Kansas City Chiefs spielt der Vertreter von Aaron Rodgers urplötzlich groß auf.
Von Marcus Giebel
Diesmal war so einiges anders bei den New York Jets und vor allem bei Zach Wilson. Die Gefühlswelt ist ein bisschen aus den Fugen geraten.
Nach der erwart- wie vermeidbaren 20:23-Niederlage gegen die Kansas City Chiefs zeigte sich der Vertreter von Aaron Rodgers ungewohnt selbstkritisch: "Ich habe uns das Spiel verloren, das kann ich nicht machen."
Und weiter: "Ich habe den Jungs klargemacht, dass ich besser sein muss, besser bei den kleinen Dingen, den Details. Das darf nicht passieren."
Wilson geißelte sich selbst wegen seiner letzten Aktion in der Partie, als er den Ball fumbelte und Tershawn Wharton das Leder für die Chiefs sicherte, die im anschließenden Drive die verbliebenen siebeneinhalb Minuten herunterspielten.
Es waren ehrliche Worte von Wilson, der bislang nicht für eine derartige Selbstreflexion bekannt war. Vielmehr bestritt der 24-Jährige in der Vergangenheit selbst nach gruseligsten Auftritten, die an seiner NFL-Tauglichkeit zweifeln ließen, seinem Team das Leben unnötig schwer gemacht zu haben.
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Wilson in allen wichtigen Statistiken vor Mahomes
Nun also ging er mit sich selbst hart ins Gericht. Allerdings auch aus einer für ihn ungewohnten Position der Stärke heraus. Denn bis zu jedem folgenschweren Turnover hatte Wilson ein blitzsauberes Spiel abgeliefert.
Dabei gelang ihm etwas, woran selbst Tom Brady oder Rodgers scheiterten. Laut "Opta" ist der Blondschopf der erste Quarterback, der Patrick Mahomes in einem Aufeinandertreffen in allen wichtigen Statistiken übertrumpfte.
Das war dem zweimaligen Super-Bowl-Sieger demnach zuvor in 127 Partien als Starter auf dem College und in der NFL nie passiert.
245 zu 203 lautete die Bilanz bei den Passing Yards. Wilson gab zwei Touchdown-Pässe, Mahomes nur einen. Bei Interceptions hatte der zweite Pick des Draft 2021 eine weiße Weste, während der Superstar den Ball zwei Mal in die Hände des Gegners warf.
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Wilson mit Passquote von fast 72 Prozent
Nun lässt sich bei diesen Zahlen noch feststellen, dass Mahomes auch einen gebrauchten Tag erwischt hatte.
Doch hinsichtlich der Präzision seiner Pässe spielte Wilson an diesem Sonntagabend mindestens eine Liga höher als der zweimalige Liga-MVP. Brachte Mahomes 60 Prozent seiner Würfe an, waren es beim Jet sagenhafte 71,8 Prozent.
Der Wert ist umso beeindruckender, da sein Karriereschnitt bei 55,7 Prozent liegt und die Chiefs in dieser Saison auch nur 60,9 Prozent an Completion Percentage zulassen. Hinzu kommt: Der Titelverteidiger kassierte erst vier Touchdowns durch die Luft – die Hälfte also von Wilson.
Von den Stars der Chiefs, die auch dank kontroverser Referee-Entscheidungen nochmal den Kopf aus der Schlinge gezogen hatten und daher nach dem Spiel in Geberlaune waren, gab es warme Worte in Richtung des bislang sehr wackeligen Playmakers.
Beim obligatorischen Shakehands der Quarterbacks gab ihm Mahomes mit auf den Weg: "Du hast verdammtes Talent. Geh einfach da raus und spiel dein Spiel."
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Chiefs-Star Jones findet Wilson "besonders"
Auch Chris Jones war am Kommentatorenpult des übertragenden Senders "NBC" voll des Lobes: "Er wird von Woche zu Woche besser, wächst immer mehr in die Führungsrolle hinein. (…) Wie ich schon gesagt habe, Zach Wilson ist besonders. Man muss ihm nur ein bisschen Zeit geben."
Zwei Jahre hatte er eigentlich schon, um sich als Franchise Quarterback zu etablieren – dabei blieben Auftritte wie gegen die Chiefs die sehr seltene Ausnahme.
Und so muss er sich auch schonungslose Meinungen wie die von Ex-NFL-Profi Rodney Harrison gefallen lassen, der als Analyst mit Jones über Wilson stritt: "Ihn auf Video zu sehen, muss dir das Gefühl geben: 'Der Kerl ist Mist, wir sollten ihn wirklich in Stücke reißen.'"
Zugleich stellte der ehemalige Safety angesichts von Jones‘ Wortwahl fest: "Ich denke, er hatte einen besonderen Abend, aber man muss auch über einen längeren Zeitraum zeigen, dass man besonders ist." Ob ihm das wirklich gelingt?
Jets-Legende Namath würde Wilson abgeben
Hartnäckig halten sich die Gerüchte, die Jets würden einen erfahrenen Quarterback holen, um die Playoff-Hoffnungen am Leben zu erhalten und damit Rodgers die Chance auf eine Rückkehr noch in dieser Saison zu geben.
Zumal Wilson beim 10:30 gegen die Dallas Cowboys mit einer Passquote von 44,4 Prozent und drei Interceptions bei einem Touchdown ebenso enttäuschte wie eine Woche später, als er beim 10:15 gegen die New England Patriots bei 50 Prozent Passquote ohne Score blieb.
Danach hatte Franchise-Legende Joe Namath bei "ESPN" sein Urteil über den Playmaker gefällt: "Ich würde ihn wegtraden. Ich habe genug gesehen." Der auch mehr und mehr angezählte Head Coach Robert Saleh jedoch betonte, Wilson sei "der Spieler, der uns die beste Chance gibt, zu gewinnen".
Zumindest vorerst darf er sich bestätigt fühlen. So sagte er nach der unglücklichen Niederlage gegen die Chiefs: "Ich denke, er war wirklich gut. Hat uns die Chance gegeben, das Spiel zu gewinnen, uns zurückgebracht. Wenn er so spielt, werden wir noch viele Spiele gewinnen."
Die Frage aber bleibt, ob es nicht ein Ausrutscher nach oben war? Denn nie zuvor gelang Wilson in einem Regular-Season-Spiel der NFL mehr als ein Touchdown ohne Interception. Das Passer Rating von 105,2 war das beste seiner Karriere.
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Parsons wünscht Wilson Siege und knöpft sich Kritiker vor
Prominenter Befürworter kann er sich aber nicht nur bei den Jets und den Chiefs sicher sein. So wandte sich Cowboys-Star Micah Parsons in seinem Podcast "The Edge" für den "Bleacher Report" direkt an Wilson: "Ich hoffe, du siegst. Ich hoffe, du steigerst dich auf ein Level, das dir niemand zutraut." Denn es gebe viele Menschen, die nur ihren Hass über dem jungen Quarterback ausschütten würden.
Für die Aussagen von Namath und Harrison fand der Linebacker in diesem Zusammenhang kritische Worte und betonte: "Wir nutzen unsere Plattform nicht dazu, um andere Spieler runterzumachen. Wir nutzen sie, um andere Leute hochzuheben. Jeder in dieser Welt braucht jemanden, der an ihn glaubt, davon bin ich überzeugt."
Wenn Wilson das keinen zusätzlichen Rückenwind verleiht. Um endlich wie ein richtiger Jet abzuheben, aber ohne dabei die Bodenhaftung zu verlieren.
An Selbstvertrauen scheint es ihm ohnehin nicht zu mangeln. Nicht die schlechtesten Voraussetzungen, um in Schwung zu kommen und den Jets zu beweisen, dass sie auf ihn zählen können.