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NBA-Kolumne: Phoenix Suns fliegen hochkant aus den Playoffs - Katastrophe mit Ansage
- Veröffentlicht: 29.04.2024
- 19:14 Uhr
Die Phoenix Suns sind per Sweep aus den Playoffs geflogen. Warum wirkte die Star-Truppe gegen die Timberwolves dermaßen hilflos und welche Schlüsse wird die Franchise daraus ziehen? Die Situation ist kompliziert – und wird es bis auf Weiteres auch bleiben.
Eigentlich haben Teamnamen im US-Sport keine allzu große Bedeutung, oft ergeben sie nicht einmal regionalen Sinn – siehe "Utah Jazz". Manchmal passt es jedoch, wenn auch rein zufällig. Wie bei den 2024er Phoenix Suns etwa, die ihrer Namensgeberin alle Ehre machten und einen großen Teil der NBA-Welt blendeten.
Ich schließe mich selbst mit ein: Im Lauf der Saison hatte ich die Suns mental abgeschrieben, ihr starkes Finish gegen einen brutalen Restspielplan und die drei klaren Siege gegen Minnesota in der Regular Season ließen mich in dieser Serie trotzdem auf sie tippen. Das Talent hatten sie schließlich die ganze Zeit über – vielleicht hatten sie reichlich spät ja doch zusammengefunden?
Die Antwort kam krachend wie der abschließende Slam von Anthony Edwards: Nein, hatten sie nicht. Und hier endet dann auch die Gemeinsamkeit mit der echten Sonne – wer diese zu lange ohne Schutz anstarrt, verbrennt sich die Augen. Wer hingegen bei den Suns genauer hinsieht, entdeckt einen ganzen Haufen großer Probleme, die sich angekündigt hatten.
Minnesota entblößte diese allesamt. Und stürzte die Suns – früher als es irgendjemand erwartet hatte – in einen Sommer voller Schicksalsfragen, auf die sie vielleicht keine guten Antworten finden werden.
Suns-Offense: Es fehlte Vieles
Alle sportlichen Unzulänglichkeiten der Suns wurden von Minnesota gezielt ausgenutzt. Phoenix hatte keinen traditionellen Point Guard, generell wenig Ballhandling im Kader, war kein sonderlich physisches Team. Minnesota attackierte dies mit konsequenter Ball Pressure, jagte die Suns-Guards mit seinen starken Verteidigern teils über den gesamten Court und forcierte haufenweise Turnover.
Das Wichtigste zur NBA in Kürze
So viel Aggressivität ließe sich am ehesten mit schnellem Ball- und Player-Movement und Struktur kontern, all dies hatte Phoenix jedoch nicht. Vielmehr verließen sich die Suns über die gesamte Saison eher auf die individuelle Qualität ihrer besten Spieler, etablierten nie klassische Go-to-Plays oder Automatismen. Der Ausfall von Grayson Allen, dem besten Floor-Spacer, half dabei natürlich auch nicht.
Selbst mit Allen spielten gerade Kevin Durant und Devin Booker indes zu oft auf ihren eigenen Inseln, nicht zwingend als Teil einer funktionalen Offense, die alle Akteure mit einbezog. Sie hatten auf dem Papier durchaus Erfolg damit: Trotz der vielen Ausfälle hatten die Suns immerhin die neuntbeste Offense der Regular Season, erzielten 118 Punkte pro 100 Ballbesitzen.
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Zu klein, zu langsam, zu schmächtig
In den Playoffs jedoch steigt die Intensität, gerade bei den besten Defensiv-Teams – und Minnesota war das beste. Mit Flügelverteidigern, die den Stars das Leben schwer machen konnten, und der weltweit wohl besten Absicherung dahinter namens Rudy Gobert. Die Suns-Offense ohne jegliche Kreativität war ein gefundenes Fressen für die Wolves, kam über vier Spiele nur auf ein Rating von 111.
Auf der anderen Seite des Courts sah es noch schlimmer aus. Die Wolves, ein mäßiges Offensiv-Team in der Regular Season, überwältigten Phoenix mit der bisher besten Playoff-Offense (125,8). Gerade auf Edwards hatten die Suns nie eine Antwort, aber auch die Bigs der Wolves taten ihnen immer wieder weh und ließen sie sehr schmächtig wirken.
Und klein, gerade in den Minuten ohne Jusuf Nurkic, mit Durant als Fünfer. Minnesota sammelte unfassbare 37% der eigenen Fehlwürfe wieder ein, nur die Knicks sind beim Offensiv-Rebound noch stärker. 50/50-Bälle gingen fast immer an die Wolves, die unterm Strich schneller, athletischer, größer und hungriger aussahen. Und eben wie ein richtiges Team, in dem alle eingesetzten Spieler einen wichtigen Beitrag leisteten.
Teambuilding vs. NBA-Historie
Diesen Eindruck vermittelten die Suns zu keinem Zeitpunkt der Saison. Ihr Teambuilding-Konzept verlief im Prinzip konträr zur NBA-Historie, unterschätzte sowohl den Wert von echten Point Guards (wie wichtig diese selbst als "Rollenspieler" sind, zeigte Mike Conley auf der Gegenseite) als auch von Rollenspielern im Allgemeinen.
Nicht, dass keine anderen Teams mit dem Ansatz "3 Stars plus Rest" Erfolg gehabt hätten – diese Big 3 ist jedoch nicht zu vergleichen mit etwa der von Miami im Jahr 2010. LeBron James, Dwyane Wade und Chris Bosh waren nicht bloß besser – sie ergänzten sich, brachten unterschiedliche Fähigkeiten ein, waren Two-Way-Player (und auch sie brauchten Hilfe).
Booker, Durant und Beal sind allesamt deutlich bessere Offensiv- als Defensivspieler, mit ähnlichen Star-Skills und ähnlichen Schwächen. Sie amplifizierten sich nicht gegenseitig, jedenfalls nicht genug. Sie benötigten mehr von ihrem Supporting Cast (Defense, Rebounding, Playmaking, Dreier), als dieser, primär bestehend aus Minimalverträgen, liefern konnte.
Vielleicht lag das mit am Coaching, Frank Vogel jedenfalls könnte diesem Saisonverlauf gut und gerne zum Opfer fallen. "The Athletic" zufolge jedenfalls steht der Head Coach wenig überraschend auf dem Prüfstand und mehrere Spieler sollen unzufrieden mit ihm gewesen sein. Vielleicht (wahrscheinlich) ändert das aber nicht die Kernproblematik.
New Owner Syndrom in Reinform
Die Suns erreichten 2021 die Finals, von diesem Team ist heute nur noch Booker übrig. Unter dem neuen Besitzer Mat Ishbia, der im Winter 2023 die Kontrolle übernahm, wurde prompt das gesamte Fundament und die Zukunft abgegeben, zunächst für Durant und in der vergangenen Offseason dann für Beal.
Es ist das "New Owner Syndrom" in Reinform: Seit Ishbias Ankunft agierte niemand aggressiver, war mehr "All-In" als diese Suns, die in dieser Spielzeit das drittteuerste Team der NBA stellten. Im vergangenen Jahr sprangen immerhin eine gewonnene Serie und zwei Siege gegen die Nuggets heraus, dieses Jahr hingegen gab es keinen einzigen Sieg in der Postseason.
Und die Suns sind auf dem besten Weg, ein (weiteres) abschreckendes Beispiel für puren Aktionismus zu werden. Denn: Es wird sehr knifflig, sich aus der aktuellen Situation, die offensichtlich Titelambitionen nicht gerecht wird, heraus zu manövrieren.
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Suns: Es gibt fast keinen Spielraum
Stand jetzt stehen für die Suns bereits 194 Millionen Dollar an Gehältern für 24/25 in den Büchern – für sieben Spieler. Sie liegen damit wohl schon vor der Verpflichtung weiterer Spieler (und einer möglichen Verlängerung für ihren Free Agent Royce O’Neale) über der Grenze für den Second Apron, der ihre Flexibilität noch drastischer einschränkt.
Die Kurzform: Second-Apron-Teams können nicht mehrere Gehälter in Trades kombinieren, sie können in Trades auch nicht mehr Gehalt aufnehmen, als sie abgeben. Sie haben keine Midlevel-Exception zur Verfügung. Sie können abgesehen von eigenen Free Agents nur Minimumspieler und eigene Draft-Picks unter Vertrag nehmen.
Apropos Draft-Picks: Phoenix hat den eigenen Erstrundenpick im kommenden Draft (Nr.22) und dann … nicht mehr viel. Als Folge der Durant- und Beal-Trades sind bis 2031 (!) alle Erstrundenpicks der Suns entweder weg (2025, 2027, 2029 – alle nach Brooklyn) oder in Pick-Swaps verwoben, die ihnen immer den schlechteren Pick verschaffen werden. Von 2024 bis 2030 fliegen auch sämtliche Zweitrundenpicks aus dem Fenster.
Wie weit kann Phoenix gehen?
Was die Spieler angeht, ist es nicht viel leichter. Außerhalb seiner Stars kann Phoenix nicht viel anbieten, zumal außer Nurkic und Allen nur Nassir Little mehr als das Minimum verdient. Beal hat – wie schon 2023 eigentlich – keinen Trade-Wert, da er bis 2027 noch 161 Millionen Dollar bekommt und eine No-Trade-Klausel besitzt, die mit jedem weiteren Jahr absurder aussieht.
(Beal hatte in Spiel 4 eins der schlechteren Elimination Games, die man von einem so talentierten Spieler je sehen wird: 9 Punkte, 4/13, 6 Turnover, 6 Fouls …)
Natürlich gibt es auch die große Lösung – Trades von Durant und/oder Booker, den vollen Rebuild. Das wird zwar erschwert durch die Tatsache, dass Phoenix die eigenen Picks nicht mehr hat. Vielleicht ist es aber eine Überlegung wert, bei den Star-hungrigen Nets mal nachzufragen, ob diese den Suns ihr Draft-Kapital plus X für Booker zurückschicken würden?
Talent alleine reicht nicht
Wahrscheinlich wird es nicht dazu kommen. Realistischer erscheint ein Trainerwechsel, etwas Arbeit am Supporting Cast, vielleicht die Verpflichtung eines Point Guards, zum Minimum eben. Die Hoffnung darauf, dass mehr gemeinsame Zeit den drei Stars und ihren Gehilfen kommende Saison dabei helfen wird, doch noch eine gemeinsame Identität zu finden.
Klar ist: Die Saison der Suns begann mit Titelambitionen und endete in einer Katastrophe. Und wahrscheinlich hätte das niemanden überraschen sollen, denn angedeutet hat sich das über die gesamte Saison, in jedem miesen letzten Viertel, jedem Spiel mit merkwürdiger Körpersprache und wenig Zusammenspiel.
"Du kannst nicht einfach rausgehen und denken, dass du nur mit deinem Talent gewinnst", sagte Booker nach Spiel 4. "Das Spiel ist dafür zu kompliziert." Das fasst die 24er Suns gut zusammen. Nun wird es spannend, welche Schlüsse das Team, das Front Office und Ishbia daraus ziehen werden.