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NBA-Kolumne: Wie Lakers-Star LeBron James ein eigentlich unmögliches Kunststück gelingt
- Aktualisiert: 14.12.2023
- 11:13 Uhr
- Ole Frerks
Die jüngste Innovation der NBA wurde zur Bühne für ihren ältesten Spieler. LeBron James holte sich den MVP-Award im ersten In-Season Tournament und stellte wieder einmal unter Beweis, dass er Spiele immer noch dominieren kann – obwohl sich sein Ansatz über die Jahre etwas verändert hat. In gewisser Hinsicht ist seine 21. Saison in der Liga eine seiner besten. Wie kann das sein?
von Ole Frerks
Das In-Season Tournament (IST) wurde von der NBA – zum Teil zumindest – als Ventil angepriesen, das junge Spieler für sich nutzen können; als Bühne für eine neue Generation von Teams und Stars, die sich einer breiteren Öffentlichkeit präsentieren möchten. Tyrese Haliburton und die Pacers haben diese Möglichkeit genutzt – und doch war es irgendwie passend, dass am Ende kein neues Gesicht ganz oben stand, sondern das bekannteste von allen. Bei all den Neuerungen wenigstens einer, auf den man sich verlassen konnte.
LeBron James war nicht der beste Spieler des Finales (das war Anthony Davis), dafür dominierte er das Halbfinale nach Belieben und legte über das IST im Schnitt gerundet 26 Punkte, 8 Rebounds und 8 Assists auf – was fast exakt seinen Karriere-Zahlen über 1.443 Spiele entspricht (27, 8 und 7). Über die gesamte Saison sind es bisher "nur" 25, 8 und 7, allerdings mit der besten effektiven Wurfquote seiner Karriere (62,1 Prozent). Warum auch nicht.
LeBron ist generationslos, er hat mittlerweile zahlreiche Ären und Teams überdauert, wird in knapp drei Wochen 39 Jahre alt und gehört immer noch zu den besten Spielern der Liga. Es gibt keine Parallelen, keine Präzedenzfälle für das, was er momentan tut; die wenigen Spieler, die vor ihm eine 21. Saison in der NBA spielten, erzielten im Schnitt zusammengerechnet weniger Punkte als er allein.
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Jede legendäre Karriere endet irgendwann, das wird auch bei James nicht anders sein. Noch macht es allerdings nicht den Eindruck, als wäre dieses Ende nah – der Output ist ja nahezu identisch wie zu besten Zeiten. Dabei hat LeBron sein Spiel durchaus angepasst, um seinem für NBA-Spieler-Verhältnisse biblischen Alter Rechnung zu tragen.
Das Wichtigste in Kürze
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LeBron James: Der Opportunist
Die Vorstellung, James könne ein Minutenlimit von 30 bekommen, wurde von den Lakers zwar schon im zweiten Spiel der Saison verworfen – dennoch sind die aktuell 33,4 Minuten pro Spiel geteilter Tiefstwert in seiner Karriere. Lakers-Coach Darvin Ham gibt LeBron Pausen, wo er kann, selbst wenn das Team dadurch oft in prekäre Lagen gerät. Das Net-Rating der Lakers ist laut "Cleaning the Glass" um 21,2 Punkte besser, wenn James auf dem Court steht … gerade die Offense ist kaum konkurrenzfähig.
Auf dem Court agiert LeBron effizienter denn je. Nicht nur, was den Wurf angeht (Career-High 40,7 Prozent von der Dreierlinie), sondern generell im Bezug auf seine Energie; er verbringt mehr Zeit abseits des Balles, spart sich seine Reserven. Kein Spieler auf der Welt weiß besser einzuschätzen, wann sich ein Vollsprint lohnt und wann nicht.
Seine Attacken kommen schnell, präzise. Natürlich hilft es ihm, dass er dabei noch immer explosiver ist als mindestens 90 Prozent aller NBA-Spieler (und kräftiger als 100 Prozent). Und dass er neben Spielern wie D’Angelo Russell und Austin Reaves etwas seltener Play-Initiator sein muss und häufiger Play-Finisher sein darf, also in Bewegung gefunden wird.
Die Schwere wird reduziert
James reduziert sukzessive Plays und Aktionen, die kräftezehrend und "schwierig" sind, und tauscht sie für effizientere, leichtere Abschlüsse ein. Er nimmt die wenigsten Post-Ups seit mindestens 2015/16 (weiter gehen die Daten bei "nba.com" nicht zurück), schließt seltener als je zuvor Plays als Pick’n’Roll-Ballhandler oder aus Isolationen ab. Seine Time of Possession (4,7 Minuten) war nie niedriger, noch vergangene Saison war es eine ganze Minute mehr.
Gerade im Spiel gegen die Pelicans war gut zu sehen, wie er stattdessen mittlerweile an viele seiner Punkte kommt, abgesehen vom Sprungwurf (4/4 Dreier in diesem Fall). James gehört seit Jahren zu den effizientesten Cuttern der Liga – fokussiert sich die Defense zu sehr auf das Pick’n’Roll von beispielsweise Reaves und Davis, findet er die Lücke:
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Verwandt damit sind auch seine Transition-Attacken. Nur Donovan Mitchell, Shai Gilgeous-Alexander, Jaylen Brown, R.J. Barrett und Giannis Antetokounmpo erzielen mehr Punkte im Schnellangriff als James (6,4), der dabei effizienter ist als alle anderen (77,3 Prozent eFG). Er ist noch immer eine Lokomotive mit überragender Fußarbeit, der sich kaum ein Verteidiger in den Weg stellen kann oder möchte.
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LeBron: Scoring im Gleichgewicht
Auch im Halbfeld ist James aber in der Lage, zum Korb zu kommen. Deutlich besser, als es bei seinem Alter und dem suboptimalen Spacing der Lakers möglich sein sollte. Er verzeichnet die drittmeisten Abschlüsse in der Restricted Area am Korb (hinter Giannis, Zion Williamson und Davis) und trifft fast 77 Prozent davon. Nur Giannis und drei reine Play-Finisher (Jakob Pöltl, Obi Toppin und Dereck Lively II) sind effizienter.
Obwohl James nicht mehr ganz so schnell ist wie früher, kann er in der Regel einen Weg zum Korb finden – auch deshalb, weil seine Verteidiger aufgrund des verbesserten Jumpers enger an ihm dran kleben als in seiner athletischen Prime.
Momentan befindet sich sein Scoring dadurch in einem perfekten Gleichgewicht, James nimmt etwas weniger Dreier als in den vergangenen Jahren und nutzt die Bedrohung stattdessen für mehr von den Abschlüssen, die er eigentlich lieber haben will. 46 Prozent seiner Abschlüsse am Ring nahm James zuletzt in der 2019/20er Spielzeit, als er seinen bisher einzigen Titel mit den Lakers gewann.
Ein eigentlich unmögliches Kunststück
Ob sie diesen Coup in diesem Jahr wiederholen können, ist noch nicht eindeutig zu beantworten. Zu den Contendern können die Lakers mit ihrer exzellenten Defense sicherlich gehören, wenn sie gesund sind – hinter der Offense steht trotz LeBrons Exzellenz ein großes Fragezeichen (113,8 Punkte pro 100 Ballbesitzen, Platz 21). Und auch bei LeBron selbst ist einerseits die Gesundheit ein Thema … und andererseits die Frage, inwieweit sein aktuelles Scoring auch auf Playoff-Basketball übertragbar ist.
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Stand jetzt steht seine Saison im Prinzip unter dem vereinfachten Motto "Weniger ist mehr" – er nutzt weniger Spielzeit, Energie und Touches für mehr Punkte pro Ballbesitz. Sein Team bleibt abhängig von ihm, aber er nutzt sein Team dabei auch mehr, nimmt weniger Würfe aus "Eigenkreation" als je zuvor, profitiert mehr von Assists. Er investiert defensiv weniger Energie und lässt sich ein Stück weit von der Infrastruktur (und natürlich Davis) tragen.
LeBron schafft momentan das eigentlich unmögliche Kunststück, (viel) Energie zu konservieren und dabei trotzdem unverzichtbar zu sein. Dass es auch anders geht, zeigte er im IST vor allem gegen Phoenix und New Orleans – gegen die Suns dominierte er bei einer 31-Punkte-11-Rebounds-8-Assists-Performance in der Crunchtime wieder und wieder mit dem Ball in der Hand als Play-Initiator (und -Finisher), gegen die Pelicans überragte er nicht nur offensiv, sondern nahm in seinen 22 Minuten auch drei Offensiv-Fouls an und ließ Zion, den wandelnden Paint Touch, nahezu gar nicht in die Zone kommen. Geht das auch (noch) über eine ganze Postseason, wieder und wieder?
LeBron: Nichts ist unmöglich
Es wird sich zeigen. Eigentlich geht es nicht, wenn man (dann) 39 ist. Eigentlich ist aber auch das, was wir aktuell (und in Wirklichkeit schon seit einigen Jahren) von LeBron sehen, nicht so richtig "möglich". Es gibt spätestens jetzt, in Jahr 21, keine Beispiele oder Spieler mehr, mit denen James adäquat verglichen werden kann.
Man kann James, der mehr Minuten in der NBA absolviert hat als jeder andere Mensch, nur noch mit sich selbst vergleichen. Im Moment schneidet er dabei erschreckend gut ab – wie gesagt, es ist in mancher Hinsicht das effizienteste Jahr seiner Karriere. Einer Karriere, in der jede Station (CLE, MIA, wieder CLE, LAL) für sich für eine Aufnahme in die Hall of Fame gereicht hätte.
LeBron wird nicht mehr ewig derjenige sein, auf den man sich im Zweifel immer verlassen kann. Er hat den Job nun ohnehin schon länger als jeder vor ihm. Noch ist aber kein Ende in Sicht … zumindest nicht so richtig.