Bundesliga
BVB und Niko Kovac? Was Borussia Dortmund erwarten könnte - und was nicht
- Aktualisiert: 23.01.2025
- 14:27 Uhr
- Justin Kraft
Borussia Dortmund sucht einen neuen Trainer. Es soll Verhandlungen mit Niko Kovac geben. Doch passt der ehemalige Profi zum BVB?
Im Profigeschäft Fußball gibt es bestimmte Mechanismen. Lars Ricken beteuerte zuletzt häufig, sie zu kennen. Sebastian Kehl und Nuri Sahin ebenso. Nach nun vier Niederlagen in Serie und nur einem Sieg aus den vergangenen neun Pflichtspielen haben diese Mechanismen beim BVB am Dienstagabend beziehungsweise Mittwochfrüh gegriffen.
Sahin ist nicht mehr Trainer von Borussia Dortmund. Und die Schwarzgelben suchen entsprechend nach jemandem, der Interimslösung Mike Tullberg (U19-Trainer) bald ablösen kann.
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Noch ist nicht viel Zeit vergangen, doch die ersten Gerüchte kursierten bereits. Gerüchte, die je nach Wahrheitsgehalt schon die Frage erlaubt, was man in Dortmund jetzt eigentlich genau will. Roger Schmidt, Erik ten Hag, Niko Kovac – unterschiedlicher könnte eine Shortlist wohl kaum sein.
Offensichtlich wurde hier nur nach Namen gegriffen, die entfernt und individuell betrachtet irgendwie Sinn ergeben könnten – im aus BVB-Sicht besten Fall auf medialer Seite. Im schlechtesten Fall entsprechen die Gerüchte der Wahrheit und die Führungsetage hat initial tatsächlich erstmal ein paar Namen gewürfelt.
Die heißeste Spur führt aktuell wohl zu Kovac. "Sky" berichtet davon, dass es bereits Gespräche gegeben habe. Der ehemalige Bayern-Trainer sei Favorit auf den Posten und könne sich vorstellen, die Borussia bis Saisonende zu übernehmen.
Das Wichtigste in Kürze
Es wäre eine Entscheidung, die zum in den letzten Jahren eingeschlagenen Weg passen würde. Doch dazu später mehr.
Hat Niko Kovac das Zeug zum BVB-Trainer?
Die große Frage, die sich akut stellt, ist ja: Hat Kovac wirklich das Zeug zum BVB-Trainer? Und die Antwort kann, schaut man sich an, wer in den letzten Jahren alles gescheitert ist, nur auf einer sehr komplexen Ebene beantwortet werden.
Grundsätzlich blickt Kovac auf einige erfolgreiche Jahre als Trainer zurück. Mit Kroatien holte er zwischen 2013 und 2015 1,84 Punkte pro Partie, die Eintracht aus Frankfurt führte er zum viel umjubelten Pokalsieg, beim FC Bayern gewann er anschließend das Double. Auch mit der AS Monaco holte Kovac in 74 Spielen immerhin 1,95 Punkte pro Spiel.
Nur seine letzte Station beim VfL Wolfsburg ist rein statistisch ein Reinfall: 1,3 Punkte pro Spiel, 26 Niederlagen aus 66 Spielen und satte 96 Gegentore. Nach einem ordentlichen Start und einer guten Serie in Herbst und Winter 2022 ging es steil bergab.
Und doch kann man Kovac zwei Dinge unterstellen: Er kennt das Business auf höchstem Niveau sowohl aus Spieler- als auch aus Trainersicht und er führte einen Großteil seiner Mannschaften zu Erfolgen.
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"Malocher"-Fußball beim BVB?
Dabei erarbeitete er sich einen Ruf, der je nachdem, wen man fragt, mal positiver und mal negativer dargestellt wird. Die Hoffnung des BVB dürfte aber darin liegen, dass Kovac mit der großen M-Frage aufräumt, die seit Jahren über dem Klub schwebt.
Mentalität steht beim Kroaten ganz oben. Arbeit, Disziplin, Fitness, Laufbereitschaft, physische Attribute – auf der Prioritätenliste des Trainers haben diese Aspekte Vorrang. Seine Mannschaften glänzten in erfolgreichen Phasen mit großer Defensivstärke und schnellem Umschaltspiel.
Gerade im Ruhrgebiet und selbst beim dem "Arbeiterimage" längst entwachsenen und entlaufenen BVB kommen solche Werte grundsätzlich erstmal gut an. Die Idee hinter einer Kovac-Beschäftigung bis Sommer dürfte sein, dass der gebürtige Berliner mit harter Hand durchgreift und aufräumt.
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Blutleere Auftritte wie gegen den FC Bologna soll es nicht mehr geben. "Körperlich und geistig in einer Nicht-Verfassung", beschrieb Matthias Sammer bei "Prime Video" den Zustand der Mannschaft. Sie könne "nicht verteidigen, aber angreifen kann sie auch nicht".
Mit seiner Erfahrung und seinem vorgelebten Arbeitsethos könnte Kovac sogar eine gute Wahl sein. Es scheint, als brauche der Kader jemanden, der etwas autoritärer agiert als Sahin und weiß, wie er die Spieler fit bekommt.
Niko Kovac eckt gern an
Aber reicht das, um auf Dauer erfolgreich zu sein? Kovac hat bei bisher all seinen Stationen gezeigt, dass er keinen großen Wert auf Hierarchien legt. Alex Meier bei Eintracht Frankfurt, Thomas Müller beim FC Bayern, Ben Yedder bei der AS Monaco und schließlich Max Kruse beim VfL Wolfsburg – Kovac sortierte teils rigoros aus, wenn Spieler nicht in seine Vorstellungen passten oder er einen Umbruch forcieren wollte.
Nicht immer hinterließ er dabei einen eleganten Eindruck. Wie er mittlerweile bei mehreren Medien gestand, war es beispielsweise ein Fehler, Müller beim FCB so zu degradieren. Während bei Kruse in Wolfsburg wohl niemand darüber trauern wird, dass Kovac hier den "Bösewicht" spielte.
Und doch hallte besonders dieser Fall nach. Wie Kruse später im Podcast "Flatterball" erzählte, sollen sich mehrere Spieler gefragt haben: "Der hat ja gar keine Ahnung, wann ist der denn weg?" Der ehemalige Stürmer kritisierte seinen Ex-Trainer scharf, über weite Strecken respektlos und ohne Stil. Dennoch sind es Vorwürfe, die am Ruf des 53-Jährigen gekratzt haben.
Kovac: "Dann benötigt man keine Taktik"
Gestolpert ist er unter anderem beim FC Bayern darüber, dass er sich auf taktischer und inhaltlicher Ebene nicht sonderlich entwicklungsfähig zeigte. 2015 fiel er kurz vor seiner Entlassung als kroatischer Nationaltrainer mit Aussagen auf, die seine Karriere bisher geprägt haben: "Taktik ist für mich nicht nötig. Die braucht man erst, wenn etwas fehlt. Wenn man Herz hat, dann benötigt man keine Taktik."
Sätze, die bereits zehn Jahre her sind. Es wäre unfair, Kovac darauf festzunageln und ihm keine Entwicklung zuzugestehen.
Doch taktisch repräsentierten seine Teams bisher genau das: Keine große Tiefe, recht simple Muster, wenig Variation und spätestens gegen Ende seiner im Schnitt kurzen Amtszeiten auch Stagnation.
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Vielleicht, so könnte ein Gedanke beim BVB lauten, ist das aber gar nicht so wichtig. Die Hoffnung, die man in diesen Schuss setzen würde, wäre, dass Kovac es schafft, die Mannschaft über die vermeintlichen Basics wieder auf ein Niveau zu hieven, auf dem die Saisonziele wieder greifbar wirken. Schadensbegrenzung ohne Anspruch auf mehr, wenn man so will.
Kovac würde den Verantwortlichen im besten Fall Zeit verschaffen, um eine richtige Lösung im kommenden Sommer zu finden. Als Kompromiss sicherlich ein Szenario, das es sich lohnt, aktuell ernsthaft in Betracht zu ziehen.
Borussia Dortmund muss wichtige Frage klären
Und doch passt gerade der Fokus auf Mentalität zu vielem, was beim BVB in den letzten Jahren schiefgelaufen ist. Es scheint beinahe so, als habe man sich von außen so lange einreden lassen, dass es dem Klub an Mentalität, Willen oder Einstellung fehle, bis man dieses Thema auch intern viel zu stark priorisiert hat.
Gelitten hat die fußballerische Qualität des Kaders. Über viele Jahre hinweg. Trainer kamen, Trainer gingen – jeweils mit sehr unterschiedlichen Konzepten. Einige von ihnen stolperten auch über die interne Uneinigkeit darüber, wofür genau der BVB fußballerisch eigentlich stehen soll.
Kovac wäre keine eindeutige Antwort auf diese Frage. Aber das müsste er als Übergangslösung auch nicht sein. Für Borussia Dortmund wäre es aber wichtig, in dieser Zeit Antworten darauf zu finden, um im Sommer bessere Entscheidungen zu treffen als in den vergangenen Jahren.