Bundesliga
FC Bayern München: Endspiel für Thomas Tuchel? Dieser Treueschwur ist nicht viel wert
- Aktualisiert: 19.02.2024
- 12:16 Uhr
- Andreas Reiners
Nach der dritten Pleite in Folge gab es für Trainer Thomas Tuchel keine uneingeschränkte Jobgarantie. Es läuft auf ein Endspiel hinaus, dabei ist er bereits gescheitert.
Aus Bochum berichtet Andreas Reiners
Irgendwann kramte Thomas Tuchel mal wieder die "Expected Goals" heraus.
Diese Statistik ist so etwas wie die letzte Bastion, hinter die sich der Trainer des FC Bayern gerne zurückzieht, wenn ihm alle anderen Argumente ausgehen. Das ist ein typischer Reflex, nicht nur bei ihm. Denn so kann man der Fußball-Welt erklären, dass man das Spiel eigentlich hätte gewinnen müssen.
3,6 zu 1,5 spuckte die Statistik-Spielerei aus. So gesehen hätten die Bayern in Bochum locker mit 4:2 siegen müssen.
Hätte, hätte - leider gewinnt man im Sport mit dem Konjunktiv keine Spiele. Weshalb diese Zahlen ein nettes Beiwerk, aber unter dem Strich für die Bewertung der sportlichen Situation vollkommen ohne Wert sind.
Das Wichtigste in Kürze
Tuchel ließ sich aber nicht beirren, stattdessen redete er die dritte Niederlage innerhalb einer Woche schöner als sie tatsächlich war.
Thomas Tuchel: Pleite "unglücklich und unverdient"
Er empfand die Pleite bei den abstiegsbedrohten Bochumern nämlich als "extrem unglücklich und unverdient". Man habe im Vergleich zu den letzten beiden Spielen nicht die Energie und den Zugriff verloren, nie aufgehört, zusammen zu arbeiten und daran zu glauben, auch nicht in Unterzahl.
"Für mich ist es eine andere Niederlage als die letzten. Ich weiß, dass es natürlich die dritte in Folge ist, das ist extrem bitter, aber diesmal war es nicht verdient", so Tuchel. Er betonte gar: "Wenn wir das Spiel noch fünfmal spielen, glaube ich, dass wir es fünfmal gewinnen."
Das ist eine interessante Sichtweise.
Vor allem im direkten Vergleich zu Bayern-Boss Dreesen, der wesentlich realitätsnäher konstatierte, nach einem guten Start habe die Protest-Pause die Mannschaft aus dem Tritt gebracht: "Und dann nahm das Elend seinen Lauf." Was es ganz gut trifft.
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Denn eigentlich ist die Niederlage bei einem Abstiegskandidaten alarmierender als die anderen beiden gegen Spitzenteams wie Leverkusen und Lazio Rom, denn gegen die Bochumer darf es einem Titelaspiranten in der aktuellen Situation nicht passieren, dass Mentalität Qualität schlägt, wie Dreesen es nannte.
Für ein Team wie den VfL muss die Qualität – bei allem Respekt – reichen, um sich aus der negativen Spirale zu befreien. Und wenn der Gegner dann alles auf den Platz wirft, dann gilt es, ebenfalls Mentalität zu zeigen.
Thomas Tuchel im Grunde gescheitert
Vielmehr aber zeigte die Pleite, dass Tuchel bei den Bayern im Grunde gescheitert ist. Indizien wie der Zoff zwischen Joshua Kimmich und Co-Trainer Zsolt Löw oder sich wegduckende und in Phrasen flüchtende Führungsspieler sowie eine nicht mehr nur latente Verunsicherung sind weitere, deutliche Indizien dafür, dass es im Innenleben der Mannschaft längst nicht mehr stimmt. Es sind Entwicklungen, die in der Regel eher früher als später auf eine Trennung hinauslaufen, weil die Negativentwicklung anders nicht mehr aufzuhalten ist.
Denn parallel dazu wird es immer schwieriger, zu verhindern, dass die Mannschaft nicht endgültig vom negativen Strudel mitgerissen wird. "Das ist jetzt schon eine Kunst, im nächsten Spiel wieder positiv zu sein, Selbstvertrauen auszustrahlen und es wieder auf den Platz zu bekommen. Da werden jetzt ein paar kleine Schritte nötig sein", sagte Tuchel.
Echter Kampfgeist hört sich anders an. Was auch für die Vertrauensbekundung gilt.
Ich halte nichts von diesen monströsen Trainer-Unterstützungsbekundungen. Diese Treueschwüre sind ja meistens nach einer Woche wieder vorbei.
Jan-Christian Dreesen
"Ich halte nichts von diesen monströsen Trainer-Unterstützungsbekundungen", sagte Dreesen. Er könne das sagen, was man hören wolle, so Dreesen, "aber diese Treueschwüre sind ja dann meistens nach einer Woche wieder vorbei. Deswegen sage ich es auf meine Art und Weise. Das ist kein Thema, mit dem wir uns aktuell beschäftigen."
Das heißt, Tuchel ist zumindest nächste Woche noch Trainer des FC Bayern? "Selbstverständlich."
Ein Treueschwur ohne großen Wert. Klingt verdächtig nach Endspiel gegen RB Leipzig.
FC Bayern: CL-Traum in Gefahr
Vier Pleiten in Folge werden sich die Verantwortlichen kaum tatenlos anschauen. Eine weitere Niederlage, in Kombination mit der verheerenden Außenwirkung der Mannschaft, dürfte die Zusammenarbeit frühzeitig zu einem Ende bringen.
Denn klar: Die Bosse setzen bei einem sturen Festhalten trotz unübersehbarer Alarmsignale möglicherweise leichtfertig die Champions League aufs Spiel. Die Meisterschaft dürfte angesichts der acht Punkte Rückstand auf Spitzenreiter Leverkusen sowieso nur noch ein eher unrealistischer Traum sein.
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Tuchel spürt die Unterstützung, er weiß aber auch, wie es läuft. "Ja, ich spüre sie auf jeden Fall. Ob sowas hilft, dass die (Trainerdiskussion, Anm.) nicht geführt wird, wage ich mal zu bezweifeln", sagte er. Aber das sei kein Problem, so Tuchel: "Das könnt ihr machen. Das ist das Geschäft."
Dessen Mechanismen kann Tuchel inzwischen sowieso nur noch bedingt beeinflussen. Allerdings ganz sicher nicht mit "Expected Goals".