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Tuchel plagen Sechser-Sorgen

FC Bayern München: Joshua Kimmich ist ein Sechser - aber nicht DER Sechser

  • Aktualisiert: 04.08.2023
  • 21:45 Uhr
  • Justin Kraft

Der FC Bayern München hat ein Problem auf der Sechs. Wenn es nach Thomas Tuchel geht, muss noch ein Spieler kommen – auch weil Joshua Kimmich nicht die bestmögliche Option ist.

Von Justin Kraft

"Ich bin ein Sechser", sagte Joshua Kimmich fast schon etwas trotzig, als er auf der Asien-Reise des FC Bayern München auf die Wünsche von Thomas Tuchel angesprochen wurde, den Kader um eine echte Sechs zu ergänzen. Doch ist er auch der Sechser? Womöglich nicht.

Das hat verschiedene Gründe. Kimmich ist der mit Abstand beste Mittelfeldspieler, den die Münchner haben – und derjenige, der seinem Trainerteam am meisten Kopfzerbrechen bereitet. Denn einerseits hat der 28-Jährige durchaus das Potenzial, der gesuchte Sechser zu sein.

Laut dem Datenanbieter "Opta" zählt Kimmich zu den besten 13 Prozent der Welt, wenn es um Zweikämpfe im Mittelfeld geht. Er zählt zu den besten 15 Prozent bei abgefangenen Pässen. Wobei jeweils zu beachten ist, dass diese Werte nicht in Relation zum eigenen Ballbesitz gesetzt werden. Ein Team, das häufig den Ball hat, führt automatisch weniger Zweikämpfe gegen den Ball.

Trotzdem ist Kimmich in vielen Defensivstatistiken weit vorn. Das spricht für ihn. Andererseits ist da die vermeintliche Disziplinlosigkeit, die ihm häufig vorgeworfen wird.

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"Wenn Kimmich diszipliniert auf seiner Position spielt, ist er ein herausragend guter Spieler", analysierte Markus Babbel vor einigen Wochen im Gespräch mit ran: "Wenn er aber meint, er müsse alles machen, ist er nicht so gut. Dann werden auch die Spieler um ihn herum nicht besser, sondern eher schlechter."

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FC Bayern München: Joshua Kimmich steht zwischen den Stühlen

Doch was Babbel sieht, sahen natürlich auch Thomas Tuchel und seine Vorgänger. Kimmichs Drang in die Offensive ist, anders als vielerorts impliziert, gewollt. Julian Nagelsmann erklärte seinerzeit beispielsweise mehrfach, dass der Mittelfeldmotor des FC Bayern auch in offensiveren Räumen sehr wichtig sei. Insbesondere dann, wenn der Gegner sehr tief verteidigt.

Kimmich spielt Chipbälle hinter die Verteidigungskette wie kaum ein anderer. Die Präzision dieser Zuspiele ist beeindruckend. Verlieren die Bayern den Ball, kann der Nationalspieler zudem seine Aggressivität im Gegenpressing ausspielen. Deshalb suchten Trainer regelmäßig nach Positionen für ihn, auf denen er beides tun kann: Dem Spiel in Ballbesitz und im Spielaufbau den eigenen Stempel aufdrücken, gleichzeitig aber offensiv Akzente setzen.

Dieser Zwiespalt führte in der Vergangenheit immer mal wieder zu dem Eindruck, den auch Babbel gewann. "Joshua muss verstehen, dass er auf seiner Position eine elementar wichtige Rolle hat. Wenn er die sauber ausfüllt, brilliert er vielleicht nicht ganz so nach vorne", sagte der Ex-Profi. Doch damit unterschätzt er, was Kimmich für die Offensive bedeutet.

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Joshua Kimmich beim FC Bayern: Wer nimmt ihm die Last?

Es gibt ja auch eine Position im Mittelfeld, auf der sich die Fähigkeiten verbinden lassen. Auf der Acht könnte Kimmich offensiv und defensiv mitwirken, müsste nicht mehr die ständige Abwägung im Kopf durchspielen und wäre so vielleicht auch im Kopf freier.

Doch seit dem Abgang von Thiago gab es beim FC Bayern eben keinen Sechser mehr, der defensiv gut abräumen und im Spielaufbau Verantwortung übernehmen kann. Einer, der Kimmich ein wenig Last von den Schultern nimmt, der dazu beiträgt, dass das Spiel der Bayern variabler wird. Eine "Holding Six", wie es Matthijs de Ligt jüngst beschrieb. Jemand, der abräumt, seine Position hält und mit dem Ball umgehen kann.

Leon Goretzka war das nicht. Das Duo Kimmich/Goretzka war zu offensiv. Auch deshalb ist der gebürtige Bochumer bei Tuchel ins Hintertreffen gelangt. In den bisherigen vier Testspielen stand er kein einziges Mal in der Startelf. Stattdessen ist ein Neuzugang der Favorit, der von Leuten verpflichtet wurde, die nicht mehr in München sind: Konrad Laimer.

FC Bayern München: Ist Konrad Laimer die Lösung?

Die große Frage wird sein, ob er der Spieler sein kann und überhaupt sein soll, den Tuchel aktuell vermisst. In den bisherigen Testspielen agierte er nicht wie eine "Holding Six". Stattdessen gab es wie zuvor mit Goretzka eine abwechslungsreiche Rollenverteilung. Beide spielten dadurch im Schnitt in etwa auf einer Höhe.

Noch ist die Stichprobengröße sehr klein, doch in den drei Testspielen gegen Manchester City, Kawasaki Frontale und den FC Liverpool kam Laimer auf durchschnittlich 95 Ballkontakte pro 90 Minuten. Bei RB Leipzig waren es in der Bundesliga im Schnitt 60,4. Goretzka kam bei sechs Prozent mehr Ballbesitz auf 66,3.

Statistisch sind sie sich sehr ähnlich. Beide spielen knapp sechs Pässe pro 90 Minuten mit einem Raumgewinn von mindestens zehn Metern, beide gewinnen etwas mehr als die Hälfte ihrer Zweikämpfe und beide haben für Mittelfeldspieler einen beachtlichen Offensivdrang – Goretzka noch einen Tick mehr.

Die Ähnlichkeit dürfte auch Tuchel bekannt sein. Insofern verwundert es nicht, dass Laimer in den Testspielen nicht einmal als reiner Sechser eingesetzt wurde. Die Hoffnung dürfte sein, dass der 26-Jährige den entscheidenden Tick aktiver ist als Goretzka. Und dass er in der Lage ist, das Spiel besser zu lesen. Goretzkas größte Schwächen liegen auf höchstem Niveau im Spielverständnis und in der technischen Verarbeitung – vor allem unter Druck.

Laimer ging jahrelang durch die RB-Schule, in der genau das eine gewichtige Rolle spielt. Das verschafft ihm womöglich einen Vorteil. Doch mehr als ein Kompromiss ist er im Moment nicht. Die taktischen Probleme, das zeigten die Gegentore gegen Manchester City und Liverpool, werden in dieser Konstellation nur schwer zu beheben sein. Und so wird Kimmich zwar weiterhin "ein Sechser" sein, Tuchel wahrscheinlich aber weiterhin den Sechser vermissen, der den gewünschten Unterschied macht.

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