Bundesliga
FC Bayern München: Neue Ansätze und altbekannte Probleme – Zwischenfazit zur Vorbereitung des FCB
- Veröffentlicht: 03.08.2024
- 21:13 Uhr
- Justin Kraft
Der FC Bayern München hat seine ersten drei Testspiele hinter sich gebracht. Vor allem die Asienreise nach Südkorea konnte Aufschluss geben über den aktuellen Stand des FCB – und das auf verschiedenen Ebenen. Ein Zwischenfazit.
"Ich denke, wir passen sehr gut zusammen", sagte Vincent Kompany in Südkorea auf einer Pressekonferenz, als er über sein "Mindset" sprach. Er wolle alles gewinnen, was es zu gewinnen gibt: "Der Klub kann gar keine höheren Erwartungen haben als ich an mich selbst."
Der Belgier wirkt ambitioniert, will in München etwas bewegen und die Chance nutzen, die ihm für viele überraschend geboten wird. Zweifler gibt es an der Säbener Straße und gerade im Umfeld des Klubs genug.
Eine klare Leistungssteigerung im Vergleich zu den letzten Jahren soll her, um sie verstummen zu lassen. Nach zwei Testspielen zum Warmlaufen (14:1 gegen Rottach-Egern und 1:1 gegen Düren) gab es am Samstag die erste kleine Standortbestimmung: In Südkorea traf man auf Tottenham.
Mit einem 2:1-Sieg konnten die Münchner ein Erfolgserlebnis mitnehmen, bevor es wieder in die Heimat geht. Vor allem in der ersten Halbzeit zeigte der FCB dabei eine ansprechende Leistung.
Das Wichtigste in Kürze
Auch wenn es nur ein Testspiel war, konnte man in diesem ersten aussagekräftigeren Test schon auf vielen Ebenen Veränderungen, Baustellen und Tendenzen erkennen. ran hat ein frühes Zwischenfazit zur Vorbereitung des FC Bayern.
FC Bayern München: Abschied von der kontrollierten Offensive
Und tatsächlich kann man Kompany schon jetzt unterstellen, dass er positive Energie nach München gebracht hat. Aktives und emotionales Coaching an der Seitenlinie, eine positive Ausstrahlung in Interviews und Pressekonferenzen und am wichtigsten: Auch sportlich gibt es Veränderungen.
Bei aller Qualität von Thomas Tuchel, die gerade in seiner wenig erfolgreichen Zeit in München oft unterschätzt wurde, war von Beginn an klar, dass ein "weiter so" nicht möglich ist. Kompany wurde geholt, um den FC Bayern wieder dominanter, attraktiver und erfolgreicher zu machen. Ein Mittel dafür soll offenbar sein, dass man sich von der kontrollierten Offensive verabschiedet.
Damit ist gemeint, dass die Bayern unter Tuchel häufig sehr statisch agierten. Das Risiko wurde vor allem taktisch sehr stark kalkuliert. Einerseits führte das dazu, dass man im letzten Drittel oft nur vier oder maximal fünf Spieler positioniert hatte, andererseits gab es nicht sehr viele Positionswechsel zwischen den Spielern, um Lücken, Abstimmungsprobleme und Ballverluste einzugrenzen.
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Gerade im Testspiel gegen Tottenham wurde deutlich, dass Kompany auf mehr Bewegung und Dynamik setzt. Auf den Flügeln rotierten die Außenverteidiger regelmäßig mit den Flügelstürmern oder schoben mal ins Mittelfeldzentrum, um Gegenspieler aus ihren Positionen zu ziehen.
Offensivspieler ließen sich tief fallen, es gab mehr gegenläufige Bewegungen als zuletzt und es wurde versucht, wieder etwas direkter in die Spitze zu spielen. Auch das Pressing war mit mehr Risiko verbunden, teilweise schoben vier oder gar fünf Spieler sehr weit nach vorn.
Kriegt Vincent Kompany die Defensive des FCB in den Griff?
Inwiefern sich die offensivere Herangehensweise auch in Ergebnissen bemerkbar macht, bleibt abzuwarten. Schließlich hatten auch Julian Nagelsmann und Hansi Flick eine angriffsfokussierte Spielidee – beide kamen aber an einen Punkt, an dem sie die Defensive nicht mehr stabilisieren konnten.
Und auch unter Kompany gab es bisher in allen drei Testspielen Situationen, in denen man offensiv zu wenig Druck auf den Ball bekommen hat und dann mit langen Bällen überrumpelt wurde. Auch deshalb betonte der Trainer aber, dass es nicht nur auf die Viererkette ankomme: "Wenn man sich die Bayern in den elf Jahren anschaut, in denen sie Meister wurden, hatten sie nicht nur großartige Verteidiger, sondern haben als Team richtig gut gepresst."
Der ehemalige Innenverteidiger nannte das Beispiel Jerome Boateng, der als Verteidiger mit ihm gemeinsam bei Manchester City viele Gegentore kassiert habe, in München dann aber überragte. "Wenn das Team dir beim Verteidigen hilft, dann kannst du ein Top-Verteidiger werden", so Kompany.
Vielleicht ist genau das seine größte Aufgabe. All seine Vorgänger scheiterten daran, die richtige Balance aus Offensive und Defensive zu finden. Nun wird er sich versuchen dürfen.
FC Bayern: Mittelfeld als Schlüssel
Vor diesem Hintergrund waren auch die beiden sehr unterschiedlichen Halbzeiten gegen Tottenham interessant. Kompany startete die Partie mit Joshua Kimmich und Aleksandar Pavlovic auf der Doppelsechs, wechselte beide dann zur Pause aus. Leon Goretzka, Konrad Laimer und Joao Palhinha spielten in den zweiten 45 Minuten im Mittelfeld.
Während die Bayern in der ersten Halbzeit die volle Kontrolle über das Spiel hatten, taten sie sich damit nach dem Seitenwechsel schwer. Kimmich und Pavlovic sind zwei hervorragende Spielgestalter, wissen genau, wohin sie sich zu bewegen haben, um den Gegner ins Pressing zu locken und was sie zu tun haben, um ihn dann ins Leere laufen zu lassen.
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Laimer, Goretzka und Palhinha haben andere Stärken. Dementsprechend behäbig wirkte der Spielaufbau dann aber auch. Um die besagte Balance zwischen Offensive und Defensive herzustellen, wird Kompany eine gute Mischung aus beiden Welten finden müssen.
Aber Kimmich und Pavlovic, die erstmals überhaupt gemeinsam im Mittelfeld in der Startelf standen, haben gezeigt, dass sie ein sehr gutes Duo sein können. So viel Spielfreude gab es in der Münchner Schaltzentrale länger nicht mehr.
Wer entlastet Harry Kane beim FCB?
Eine weitere Erkenntnis, die das Testspiel gegen Tottenham gebracht hat, ist, dass es ohne die Tore von Harry Kane schwierig werden könnte. Nicht, dass der Engländer nicht in der Lage wäre, seine erfolgreiche Debütsaison zu erfüllen. Etwas weniger Abhängigkeit wäre aber wünschenswert.
In sieben Bundesliga-Partien war Kane in der abgelaufenen Spielzeit nicht direkt an einem Bayern-Tor beteiligt, nur dreimal ging man siegreich vom Platz, dreimal verlor man. Bekamen die Münchner den Stürmer nicht ins Spiel eingebunden, waren sie schnell zahnlos in der Offensive.
Auch gegen die Spurs tat man sich trotz guter Spielanlage schwer, weil viele Chancen leichtfertig vergeben wurden. Selbst die beiden Tore waren Abstauber nach vergebenen Möglichkeiten. Hier muss zwingend nachjustiert werden, um eine große Schwäche der letzten Saison abzustellen.
FC Bayern: Wer geht noch?
Dabei helfen sollen auch neue Spieler. Michael Olise ist bereits verpflichtet worden, Desire Doue könnte noch folgen. Allerdings hat man öffentlich sehr klar geäußert, dass erstmal Spieler abgegeben werden sollen.
Ein Kandidat dafür ist Bryan Zaragoza, der auch in Asien nochmal zeigte, dass er noch längst nicht weit genug ist, um eine Rolle beim FC Bayern zu spielen. Nach Informationen von "Sky" ist eine Leihe ohne Kaufoption im Gespräch.
Die üblichen weiteren Kandidaten werden schwer abzugeben sein. Es ist das Dilemma dieses Sommers an der Säbener Straße. Dass es hier und da noch Justierungsbedarf gibt, wurde in den vergangenen Tagen aber deutlich. Sei es bei abschlussstarken Offensivspielern oder in der Defensive, die nicht gerade sattelfest wirkt.
Es ist ein zugegeben frühes Zwischenfazit in der noch sehr jungen Saison des FC Bayern. Doch um in allen Wettbewerben zurückschlagen zu können ist es noch ein weiter Weg. Immerhin konnte Kompany aber ein paar erste Schritte nach vorn machen. Ob es zwischen ihm und dem FCB wirklich so funkt, wie er selbst aktuell behauptet, bleibt abzuwarten.