28. Spieltag der Bundesliga
FC Bayern München: Schuldfrage Regeln, Einspruch - der Wechselfehler von Freiburg und die möglichen Folgen
- Aktualisiert: 04.04.2022
- 09:51 Uhr
- ran.de
Die Bundesliga ist ein Hochglanzprodukt. Da läuft alles hochprofessionell ab. Aber Schiedsrichter, Vierter Offizieller, Trainer, Spieler und Teammanager sind auch nur Menschen. Was den kuriosen Wechselfehler des FC Bayern München in Freiburg ermöglichte.
München - Die Bundesliga hat in fast sechs Jahrzehnten schon alles gesehen. Sollte man meinen. Doch dann kam das Gastspiel des FC Bayern München beim SC Freiburg. Seither ist die Beletage des deutschen Fußballs um ein weiteres Kuriosum reicher.
Auf dem Weg zum 4:1 im Breisgau standen für einige Spielsekunden zwölf statt der erlaubten elf Spieler des Rekordmeisters auf dem Platz. Ob das Konsequenzen am Grünen Tisch haben wird, muss sich noch zeigen. Zunächst einmal klärt ran die wichtigsten Fragen.
Was genau ist passiert?
Es lief die 85. Spielminute, als Julian Nagelsmann zwei Wechsel vollzog - oder eben nur anderthalb. Der Bayern-Trainer brachte für die Schlussphase beim Stand von 3:1 mit dem von einem Muskelfaserriss genesenen Niklas Süle und Marcel Sabitzer zwei Profis, allerdings verließ im Gegenzug nur Corentin Tolisso den Rasen. Der Österreicher hätte eigentlich Kingsley Coman ersetzen sollen, der aber die Zeichen nicht erkannte.
Wodurch fiel der Wechselfehler auf?
Offenbar gab Freiburgs Nico Schlotterbeck den Anstoß. Ihm sei schon aufgefallen, dass für Süle (womit er sich täuschte) niemand das Feld verlassen habe, sagte der U21-Europameister im "Sky"-Interview: "Ich habe dann mal durchgezählt und dem Schiri Bescheid gegeben. Wenn ich das nicht mache, glaub ich, sieht er es gar nicht."
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Wie kam es zu dem Wechselfehler?
Im Grunde war es eine Verkettung von Unzulänglichkeiten. Wie Nagelsmann erklärte, wurde auf der Anzeigetafel die falsche Rückennummer eingeblendet (Comans frühere 29 statt seiner jetzigen 11). Schiedsrichter Christian Dingert führte bei "Sky" weiter aus: "Daher hat Coman sich nicht angesprochen gefühlt. Bei der Klärung der Situation hat der Vierte Offizielle übersehen, dass der Spieler das Spielfeld nicht verlassen hat."
Zuständig für die Kommunikation mit dem Vierten Offiziellen - in diesem Fall Arno Blos - ist bei den Bayern Teammanagerin Kathleen Krüger, die die Nummern offenbar verwechselte. Weil zwischen beiden in der Folge eine Diskussion - mutmaßlich um die richtige Nummer - entbrannte, verlor Blos womöglich den Überblick.
Wer trägt die Schuld am Wechselfehler?
Die ist wohl auf mehrere Schultern zu verteilen. Für die Aufsicht über die korrekte Abwicklung der Wechsel ist der Vierte Offizielle zuständig. Allerdings obliegt es natürlich auch dem Schiedsrichter als Leiter der Partie die Einhaltung der Regeln jederzeit im Blick zu haben. Zum Anpfiff jeder Spielhälfte zählt der Mann an der Pfeife die Reihe beider Teams einmal durch, ehe er den Ball freigibt.
Schiri-Boss Lutz-Michael Fröhlich jedenfalls sagte der "dpa": "Es wäre gut gewesen, wenn man vor der Spielfortsetzung noch einmal einen Check gemacht hätte. Das wäre von Schiedsrichter-Seite das Optimale gewesen. Weiter sprach er von "Konzentration" und "Übersicht".
Dingert nahm derweil auch die Bayern mit ins Boot, sprach von einer "total konfusen Situation" infolge der Nummern-Verwechslung. Nagelsmann gab augenzwinkernd zu Protokoll: "Man kann diesen einen Schuldigen nicht zwingend festlegen, also ich schon, aber ich mache es nicht. Den Gefallen tue ich euch nicht."
Fakt ist aber auch: Natürlich sollte auch der Trainer stets einen Überblick darüber haben, welche Spieler seines Teams gerade auf dem Feld stehen. Zumal das Spiel bereits entschieden war und es keinerlei Grund gab, in Hektik zu verfallen und den Kopf zu verlieren.
Zudem stellt sich die Frage, warum Sabitzer, der Coman ersetzen sollte, das Feld einfach betrat. Auch ihm sollte klar gewesen sein, dass er nicht gemeinsam mit dem Franzosen auf dem Rasen stehen darf. Zugute zu halten ist dem Ex-Leipziger immerhin, dass er womöglich so sehr auf seinen Einsatz brannte, dass er sich bereits im oft zitierten Tunnel befand und einfach nur loslegen wollte.
Bayerns Sportvorstand Hasan Salihamidzic nahm derweil im Gespräch mit der "Mediengruppe Münchner Merkur/tz" Krüger in Schutz: "Was passiert ist, passierte als Folge mehrerer unglücklicher Umstände. Was Kathleen Krüger betrifft, sind wir alle froh, dass sie seit Jahren unsere Teammanagerin ist."
Gegen welche Regel wurde verstoßen?
In den DFB-Statuten heißt es unter Regel 3 "Spieler" bei "Auswechselvorgang" unter anderem: "Der Spieler, der ausgewechselt wird, muss: (…) sich sofort in die technische Zone oder die Umkleidekabine begeben und darf nicht mehr am Spiel teilnehmen, es sei denn, Rückwechsel sind zulässig."
Vorgesorgt wird auch für den Fall, dass sich ein Spieler weigere, das Feld zu verlassen - was in Freiburg etwas überspitzt passiert ist. Dann sei das Spiel fortzusetzen. Interessant ist auch dies: "Ein Auswechselspieler betritt das Spielfeld ausschließlich: (…) nachdem der ausgewechselte Spieler das Spielfeld verlassen hat und nach einem Zeichen des Schiedsrichters."
Welche Strafe droht den Bayern nun?
Nicht weniger als eine Niederlage am Grünen Tisch. Denn in der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB wird in Paragraf 17, Absatz 4, unter "Einspruch gegen Spielwertung" festgelegt: "War in einem Spiel ein Spieler nicht spiel- oder einsatzberechtigt, so ist das Spiel für die Mannschaft, die diesen Spieler schuldhaft eingesetzt hatte, mit 0:2 verloren und für den Gegner mit 2:0 gewonnen zu werten, es sei denn, das Spiel war nach dem Einsatz des nicht spiel- oder einsatzberechtigten Spielers noch nicht durch den Schiedsrichter fortgesetzt. In diesem Fall bleibt die Spielwertung bestehen."
Problem: Für einige Sekunden lief die Partie, während zwölf Bayern-Profis auf dem Feld standen.
Nagelsmann betonte zwar: "Es war keine spielentscheidende Szene, so dass man die Fairness in Frage stellt. (…) Am Ende war kein Standard dabei, kein Konter oder eine Karte. Ich glaube, 'King' hat nicht mal den Ball berührt." Stimmt, aber darauf kommt es eben gar nicht an. Zumal eben laut den DFB-Regeln nicht der Franzose, sondern Sabitzer unrechtmäßig auf dem Platz stand.
Allerdings wird der Verband nur Ermittlungen aufnehmen, falls der SC Freiburg Einspruch gegen die Wertung einlegt. Anton Nachreiner als Vorsitzender des DFB-Kontrollausschusses erkläre dem "sid": "Der Kontrollausschuss ist nicht beteiligt, solange Freiburg keinen Einspruch einlegt." Für einen solchen Schritt haben die Freiburger 48 Stunden Zeit, also bis Montagnachmittag.
Wie reagiert der SC Freiburg auf den Wechselfehler?
Offiziell haben die Breisgauer wie gewohnt unaufgeregt auf das ganze Tohuwabohu reagiert. Hinter den Kulissen werden die Verantwortlichen aber zumindest über mögliche rechtliche Schritte diskutieren, alles andere wäre unprofessionell - immerhin geht es für den Klub darum, die Chancen auf einen Europapokal-Startplatz zu erhöhen.
Die "Bild" zitiert Pressesprecher Sascha Glunk: "Wir werden uns die Situation jetzt in aller Ruhe anschauen, bewerten. Und dann im vorgegebenen Zeitrahmen bis Montag eine Entscheidung treffen und kommunizieren."
Trainer Christian Streich sagte nach der Partie allerdings: "Ich gehe fest davon aus, dass wir keinen Einspruch einlegen müssen. Sondern, dass es ein Regelwerk gibt. Diesem Regelwerk unterliegen wir und danach wird gehandelt. Das ist mein Verständnis." Womit er sich eben täuscht, denn der Ball liegt schon beim Sportclub. Wird der nicht aktiv, kommen die Bayern mit einem blauen Auge davon.
Welche Erfolgsaussichten hätte ein Einspruch?
Schwierig zu sagen. Denn es gibt keine vergleichbaren Fälle. Als die Münchner 1995 ihren 5:2-Erfolg bei Eintracht Frankfurt am Grünen Tisch einbüßten, fußte der Wechselfehler auf einem zu viel eingesetzten Vertragsamateur.
Auch bei Überschreitungen hinsichtlich der Obergrenze an eingesetzten Spielern ohne deutschen oder EU-Pass wurde bereits durchgegriffen (bspw. VfB Stuttgart in der Champions League oder 1. FC Kaiserslautern in der Bundesliga). Doch in Freiburg waren formal alle eingesetzten Akteure auch spielberichtigt.
Der für die Partie als VAR eingesetzte Felix Zwayer erklärte im "ZDF": "Es ist aus meiner Sicht nicht mit einer Situation zu vergleichen, wenn ein Spieler, der nicht im Spielbericht steht, am Spiel teilnimmt."
Die Regel-Experten von "Collinas Erben" sehen ebenso kaum Chancen auf eine Revidierung des Ergebnisses: "Die einzige Option für eine Wertung für Freiburg bestünde darin, das Ganze komplett den Bayern anzulasten." Was das Regelwerk aber kaum hergibt, denn die Münchner haben den Schiedsrichter ja nicht gezwungen, die Partie fortzusetzen, ehe Coman das Feld verlassen hätte.